Samstag, 31. August 2013

Wlad, der Hammer vs Obama, das Weichei

von Pepe Escobar Übersetzt von Lars Schall Quelle: Tlaxana Mach nur einen Plan … und mach dann noch ‘nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht. Bertolt Brecht Dies wird langsam lächerlich. Der Präsident der Vereinigten Staaten (POTUS) kreischte und schrie, weil er seinen Spion (Edward Snowden) zurück haben wollte. Snowden, russischen Gesetzen folgend, wurde vorübergehend Asyl gewährt. Das Weiße Haus war „enttäuscht”. Dann erteilte der POTUS dem bilateralen Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau eine Abfuhr, der zeitgleich mit dem Treffen der Gruppe der 20 in Sankt Petersburg Anfang September stattfinden sollte. Der Kreml war ebenso „enttäuscht”. Putin schickte ein Telegramm an George „Dubya” Bush – ihm eine schnelle Genesung von einer Herzoperation wünschend. [1] POTUS ging in eine US-Talkshow und sagte, Russland neige dazu, „wieder ins Denken des Kalten Krieges und in die Mentalität des Kalten Krieges zu rutschen.” Die Brecht‘sche Verfremdung sagt uns, dass das Wort „lächerlich” dies nicht einmal ansatzweise zu beschreiben vermag. Die Mentalität des Kalten Krieges imprägniert in Wirklichkeit die Gene am Beltway – vom Capitol Hill bis zum Pentagon. Was den POTUS anbelangt, so handelte er bestenfalls wie ein diplomatischer Dilettant. „Yes, we can” (Ja, wir können) hat sich zu: „Yes, we scan” (Ja, wir scannen) verwandelt, und jetzt ist es: „Yes, we scorn“ (Ja, wir verhöhnen). Dies mag für verschiedene Pudel der europäischen Zucht gelten, aber es wird nicht an Wlad, dem Hammer, kleben bleiben. Das Weiße Haus rechtfertigte seine Entscheidung mit einem „Mangel an Fortschritten” bei allem, einschließlich der Raketenabwehr, der Rüstungskontrolle, dem Handel und den wirtschaftlichen Beziehungen, Fragen der globalen Sicherheit, Menschenrechte und Zivilgesellschaft. Unsinn: das drehte sich alles um einen impotenten POTUS, der an der Verfolgung seines Kriegs gegen Whistleblower gehindert wurde. Putins Berater für auswärtige Angelegenheiten, Yury Ushakov, war näher an der Wahrheit dran, als er sagte: „Die USA sind nicht bereit, die Beziehungen auf gleichberechtigter Basis aufzubauen.” Wlad, der Hammer vermag ein Weichei von Carter-mäßigen Proportionen aufzuspüren wie ein Eisbär eine Robbe. Er bewertete flink, wie die Obama-Administration ihre bereits wackelige Glaubwürdigkeit an zwei Fronten gleichzeitig in Asche verwandelte: wegen des Umfangs des Orwell / Panoptikum-Komplexes, der durch Snowdens Enthüllungen en detail widergegeben wurde, und aufgrund der Art, wie er gnadenlos gejagt wurde. Dem Sarg der Mainstreammedien noch ein paar Nägel hinzufügend, veröffentlichte die New York Times einen Leitartikel – der wohl vom Weißen Haus „vorgeschlagen“ wurde -, der die Absage des Gipfels rechtfertigte, indem er besagte: „Herr Putin ist ein repressiver und arroganter Führer, der seine Bevölkerung mit Verachtung behandelt.” [2] Richtig; und Schneewittchen lebt im Weißen Haus. Der jugendliche Wutanfall des POTUS hat nichts mit Kaltem Krieg zu tun. Für Anfänger sei gesagt, dass die USA und Russland bei einer Vielzahl von Problemen voneinander abhängig sind. Zumindest in der Theorie werden einige Erwachsene diese an diesem Wochenende in Washington diskutieren (der vorliegende Artikel erschien am 9. August, Anm. d. Übersetzers), wenn der russische Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Shoigu den US-Außenminister John Kerry und Pentagon-Chef Chuck Hagel treffen. Wlad muss nur ein Wort sagen, um den bereits demütigenden Rückzug der USA/NATO aus Afghanistan – denen dort von einem Haufen Paschtunen mit gefälschten Kalaschnikows in den Hintern getreten worden ist – in eine unheilvolle Katastrophe zu verwandeln. Wlad kann Russlands Unterstützung für Bashar al-Assad in Syrien subtil kalibrieren – vor allem, nachdem ihm der saudische Geheimdienstchef Prinz Bandar „Bush” bin Sultan einen Besuch in Moskau abstattete und angeblich anbot, Ladungen an russischen Waffen abzukaufen, solange sich Russland nur zurückzöge. [3] Putin war nicht beeindruckt. Dennoch hätte Bandar dies nicht ohne die „Beratung” seiner US-Herren getan gehabt. Wlad kann viel an zusätzlicher diplomatischer Unterstützung für die neue Rouhani-Präsidentschaft in Iran anbieten – einschließlich, und das ist entscheidend, neue Waffenverkäufe und eine Verfestigung der Position Teherans bei möglichen Verhandlungen mit Washington. Im Kaukasus besitzt Wlad eine Glückssträhne. Georgien ist viel weniger antagonistisch gegenüber Moskau eingestellt. Und in Pipelineistan hat Russland Aserbaidschan bei der Entscheidung für den Vorzug der Trans-Adriatic Pipeline (TAP) gegenüber der dauerhaft zum Untergang verurteilten Nabucco West beeinflusst und sofort die Zusammenarbeit im Energiebereich zwischen Aserbaidschans SOCAR und Russlands Rosneft verfestigt. Sowohl Georgien als auch Aserbaidschan werden als sprichwörtlich „überzeugte” Verbündete der USA betrachtet. In Europa weiß jeder Kreuzfahrtschiffkapitän auf dem Rhein über die strategische Partnerschaft Russlands mit Deutschland Bescheid. Bei Verhandlungen über Erdgaslieferabschlüsse mit Italien, Frankreich oder Polen lautet der Name des russischen Spiels beispielsweise dahingehend, langfristige Verträge mit reichlich Preisnachlässen und steuerlichen Befreiungen abzusichern. In Zentral-und Osteuropa hat Wlad ebenfalls – was sonst – eine Glückssträhne, indem Russland Legionen an strategischen Fertigungs-, Chemie- und Transportkapazitäten aufkauft. Dann gibt es noch den entscheidenden Transsibirien-Schachzug. Ich habe Transsibirien zweimal im Winter bereist; einmal in den frühen 1990er Jahren und dann in den späten 1990er Jahren – es ist eine Hölle von einer Reise. Zu der Zeit kauften vor allem verarmte Russen alles in Sichtweite in China, und schlaue Chinesen verkauften alles, was sie konnten, in Russland. Heute dreht sich alles um schwere Fracht. Mit der Transsibirischen Bahn werden nicht weniger als 120 Millionen Tonnen an Fracht pro Jahr bewegt – Tendenz steigend; was mindestens 13% des Containerhandels zwischen Europa und Asien bedeutet. Russland investiert in eine Expansion im Wert von 17 Mrd. US-Dollar und fügt zusätzliche 55 Millionen Tonnen an Ladekapazität hinzu. Addieren Sie hierzu noch einmal die Verdreifachung der Kapazität der russischen Terminals an der Pazifikküste bis 2020, die Erweiterung des Hafens von Sankt Petersburg, und die Lieferung von 675 zusätzlichen Fracht-Elektrolokomotiven als Teil eines $ 3.2 Mrd.-Deals durch Siemens hinzu. Der Name des Spiels besagt, dass Russland seinen Export von Rohstoffmaterialien mit allen verfügbaren Mitteln vorantreibt. Mindestens 250.000 Barrel Öl pro Tag – Tendenz steigend – bewegen sich von Russland nach Asien. Die modernisierte transsibirische Bahn wird für den Asien-Europa-Handel Wunder bewirken. Via der Transsibirischen Bahn werden asiatische Produkte Europa in 10 Tagen erreichen; auf dem Seeweg aus Südkorea oder Japan sind es mindestens 28 Tage bis nach Deutschland. Kein Wunder, dass Japan und Südkorea große Fans der Transsibirischen Bahn sind. Und aus europäischer Sicht geht nichts über den billigeren, schnelleren Transsibirischen Weg nach Asien. Kalter Krieg? Das ist Teil des Nostalgie-Geschäfts. Mit einem komatösen Europa, mehreren Spannungen zwischen Europa und den USA, einem Peking, das nach innen zu schauen versucht, um das Rätsel der Feinabstimmung seines Entwicklungsmodells zu lösen, und einer gelähmten Obama-Regierung hat Moskau die perfekte Eröffnung ausfindig gemacht und eine strategisch-kommerzielle Expansion begonnen, die keine Tabus kennt. Die Ahnungslosigkeit der Obama-Regierung – ganz zu schweigen von der des US-Think-Tank-Landes – kann gar nicht überbetont werden. Niemand im Beltway hat eine solide Russland-Politik artikuliert – abgesehen von der Dämonisierung Putins. Das passt Wlad, dem Hammer, gut in den Kram; er ist mit dem sorgfältigen Aufbau einer neuen strategischen Realität nicht nur in Europas Peripherie, sondern auch im Kern selbst beschäftigt. Russland ist zurück – mit einem Paukenschlag. In diesem größeren Plan der Dinge, das gen einer Post-Post-Kalten-Kriegs-Umgebung driftet, ist die Snowden-Affäre nur ein Stück des Puzzles. Und hier reflektiert das Persönliche das Politische perfekt. Wlad, der Hammer, weiß ganz genau, was er tut – während Obama, das Weichei, wie ein Reh im Scheinwerferlicht einer Transsibirischen Lokomotive ausschaut. Quellen: 1. In wishing Bush well, Putin has message for Obama, Reuters, August 8, 2013. 2. What’s the Point of a Summit?, The New York Times, August 7, 2013. 3. Saudi offers Russia deal to scale back Assad support – sources, Reuters, August 7, 2013. Danke Lars Schall Quelle: http://www.atimes.com/atimes/World/WOR-01-090813.html Erscheinungsdatum des Originalartikels: 09/08/2013 Artikel in Tlaxcala veröffentlicht: http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=10427

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