Freitag, 23. August 2013
Besser werden im Geiste Thälmanns
Rede des DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele in Ziegenhals
Am 18. August sprach der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele auf einer Gedenkkundgebung für den KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann im Brandenburgischen Ziegenhals. Wir dokumentieren im folgenden die Rede Patrik Köbeles.
Sie wollen das Gedenken an Ernst Thälmann tilgen. Dafür steht die geschändete Gedenkstätte hier in Ziegenhals.Dafür steht die skandalöse Aktion der Möchtegern-Terrorgruppe des FDP-Nachwuchses in Berlin.
Das darf und das wird ihnen nicht gelingen.
Das ist den Nazis nicht gelungen. Dafür Beispiele aus unverdächtiger Quelle. Die Deutschlandberichte der SPD notieren im November 1934: „Maschinenfabrik MAN, Augsburg: (…) Im Betrieb wurden nun große Hitlerbilder angebracht mit großer Unterschrift „Unser Führer“. Vor wenigen Tagen stand, als wir morgens in den Betrieb kamen, unter einem solchen Bild mit großen roten Buchstaben eine Fortsetzung der Bildunterschrift: „…ist Thälmann“. Diese Beschriftung lockte die Arbeiter alle an, so dass in der betreffenden Werkstatt für kurze Zeit ein großes Gedränge war. Sofort wurden dann einzelne Arbeiter festgenommen, (..) aber man konnte den Schuldigen nicht finden. Die meisten Arbeiter freuten sich über den gelungenen Streich.“
Oder im April 1937 in Schlesien: „Am 16. April ist die Chaussee bei Hindenburg in den Morgenstunden gesperrt gewesen. Schutzpolizei und SA ließen niemand zur Arbeit passieren, alles ist auf Umwege umgeleitet worden, weil zu Thälmanns Geburtstag breit über die Straße mehrere Aufschriften zu lesen waren: ‘Gebt Thälmann frei’ – ‘Freiheit unserem Thälmann.’ Die Aufschriften sind in den Asphalt eingedrungen, so dass ihre Entfernung große Mühe verursacht hat.“
Oder ein Beispiel, das bis heute nachwirkt: In der Röckenstraße 15, in Essen, meiner Heimatstadt steht ein altes Bergarbeiterhaus, es trägt die Inschrift: „Wählt Thälmann“. Die Inschrift hat den Faschismus überstanden, stammt aus dem Jahr 1928 oder 1932, wie das Denkmalamt feststellte. Als wir, die DKP, vor einigen Jahren beantragten, die Fassade unter Denkmalschutz zu stellen, hies es von CDU, SPD und FDP: „Wenn die Kommunisten Denkmäler wollen, sollen sie doch nach drüben gehen.
Warum diese Angst vor Thälmann? Klar, die Nazis hatten Angst vor ihm, dem Vorsitzenden der KPD einer tief in der Arbeiterklasse verwurzelten Massenpartei. Aber die Herrschenden heute?
Bevor ich zur Antwort komme, will ich mich damit befassen, warum heute viele auf unserer Seite so demoralisiert sind. Ein Text von Floh de Cologne:
„Es fällt schwer
im Sozialismus die Hoffnung zu sehen
wenn man sich daran gewöhnt hat
im Kapitalismus die Hoffnung
aufzugeben.
Es fällt schwer
im Sozialismus das Menschliche zu sehen
wenn man sich daran gewöhnt hat
im Kapitalismus das Unmenschliche
zu dulden
Es fällt schwer
im Sozialismus die Lösung zu sehen
wenn man sich daran gewöhnt hat
im Kapitalismus keine Lösung zu
erwarten
es fällt schwer
im Sozialismus die Antwort zu sehen
wenn man sich daran gewöhnt hat
im Kapitalismus keine Fragen zu
stellen
es fällt schwer
im Sozialismus die Zukunft zu sehen
wenn man sich daran gewöhnt hat
im Kapitalismus in der Vergangenheit
zu leben”
Und für das genaue Gegenteil steht Thälmann: Angesichts der Niederlage im Hamburger Aufstand beginnt er nicht nach hinten gerichtet zu lamentieren, zu resignieren, nein, er sagt: „Das große Resultat des Hamburger Aufstands ist, dass die Arbeiter den scheinbar unbesieglichen Klassenfeind dreimal 24 Stunden in seiner ganzen Schwäche gesehen haben.“
Angesichts der Machtübergabe an den Hitlerfaschismus ist er nicht von Zweifeln zerschlagen, er sagt:
„Schon die ersten Taten der Hitlerregierung beweisen den ganzen tiefen Ernst der Situation. Es wäre ein Verbrechen, irgendwelche legalistischen Illusionen in unseren Reihen zu dulden. Wir müssen in der ganzen Arbeiterklasse darüber Klarheit schaffen, dass es wahrscheinlich keine andere Art der Ablösung dieser Regierung geben kann als ihren revolutionären Sturz. Das bedeutet nicht, dass der Sturz der Hitlerregierung und der Sieg der proletarischen Revolution unbedingt ein und dasselbe sein muss.“
Was macht Thälmann also, er warnt vor Legalismus, er mobilisiert und er macht Bündnispolitik, indem er auf den Unterschied zwischen dem Sturz der faschistischen Regierung und der proletarischen Revolution hinweist.
Es schien als könnte nichts die imperialistische Aggression des deutschen Faschismus stoppen.
• Österreich war angeschlossen
• die Tschechoslowakei mit Hilfe bzw. Duldung des englischen und französischen Imperialismus annektiert.
• Polen überfallen und besetzt
• Die Niederlande, Belgien, größte Teile Frankreichs ebenfalls
• Im Rest Frankreichs das Vichy-Marionettenregime installiert
• Der spanische Bürgerkrieg verloren, dank Legion Condor und Appeasement
• Faschistische Truppen kurz vor Moskau
Und was sagt Thälmann im Nazikerker zu den Nazischergen: „Stalin bricht Hitler das Genick!“
Was bedeutet das für uns heute? Wir leben in einem der höchstentwickelten imperialistischen Länder – die Verhältnisse scheinen versteinert, weder größere Bewegung, noch Veränderung in Sicht.
Wir erleben Klassenkampf – die herrschende Klasse kämpft und die beherrschte Klasse will oft weder wahrhaben, dass sie eine Klasse ist, noch dass sie kämpfen muss.
Was lernen wir von Thälmann? Wenn wir es ernst meinen damit uns in seine Tradition zu stellen, dann ist Kleinmütigkeit, Resignation das Allerletzte was geht. Franz Josef Degenhardt formulierte im Lied „Von der Fahne“:
“Man geht nicht von der Fahne,
sagte der Einarmige,
auch nicht,
und erst recht nicht,
wenn die Sache verloren ist.
Das, sagte der Einarmige,
tut nur Pack.
Ich habe überhaupt nichts gegen Pack,
sagte der mit dem Kopfverband,
und wenn die Sache verloren ist,
wäre es verantwortungslos dumm,
bei der Fahne zu bleiben.
Was aber,
wenn die Sache,
für die so viele von uns schon gestorben sind,
verloren nur scheint,
sagte der mit dem Kopfverband,
entrollte die Fahne,
und die flatterte sogar,
wie er ins Roggenfeld ritt”
Ist die Sache verloren, wenn wir an 89/90 zurückdenken? Ja, das war eine tiefe Niederlage und der Sozialismus in Europa war am Ende zu schwach. Da nützt es auch nichts, dem Imperialismus einen Vorwurf zu machen, dass er immer an der Zerschlagung des Sozialismus gearbeitet hat – das ist sein Job.
Trotzdem lohnt es sich zu betrachten, was dieser Sozialismus, der am Ende zu schwach war, erreicht hat:
• Er zwang den Imperialismus über weite Phasen seine inneren Konflikte ohne kriegerische Mittel auszutragen, besiegte ihn militärisch z.B. in Vietnam.
• Er machte für viele Völker den Ausbruch aus, die Befreiung vom kolonialen und neokolonialen Joch erst möglich.
• Er zwang, vor allem auch in der BRD als Schaufensterstaat zu Zugeständnissen an die Arbeiterklasse. Der Satz, dass die DDR als unsichtbarer Verhandlungspartner mit am Tisch saß, kommt nicht von ungefähr.
Das sind nur einige Beispiele, was ein Sozialismus, der am Ende zu schwach war, erreichen konnte, was wird ein starker können – ich freu mich darauf.
Und er ist notwendig, ein starker Sozialismus. Das beweist uns die aktuelle Situation im Kapitalismus, das beweist seine Krise und ihre Folgen für die Völker in Europa und bei uns. Die Krisenlasten werden auf die Völker abgewälzt, es nützt den Banken und Konzernen. Wir haben es mit Kahlschlag und dramatischer Armut mit Hunger zu tun, in der Peripherie der EU aber auch bei uns.
Und wir haben vor allem bei uns ein Klassenbewusstsein der Arbeiterbewegung, das dem nicht entspricht. Noch gilt der Satz: „Was die Kapitalisten zum Vorbild macht, ist IHR Klassenbewusstsein.“
Auch da sind wir wieder bei Thälmann. Ihm war klar und es ist aus meiner Sicht auch heute so, ein entscheidendes Instrument dies zu ändern, ist eine starke kommunistische Partei. Und da weiß ich, dass mich heute viele von Euch fragen wollen, warum wir dann nicht einfach alle zusammengehen. Darum will ich dazu auch was sagen.
Das ist ja erstens eine Frage des gemeinsamen Ziels. Aktuell erleben wir ja gerade im Wahlkampf, dass sich manche Linke nicht sicher sind, ob sie denn eine Revolution wollen. Die einen schreiben das Wort mit Fragezeichen, ich sage, im Gegensatz dazu Revolution mit Ausrufezeichen. Das sage ich auch in nicht-revolutionären Zeiten, weil sich der Kampf um Reformen aus meiner Sicht auch heute in eine revolutionäre Strategie einordnen muss. Und das jetzt beides in einer Organisation zusammenzupacken, das bringt uns aus meiner Sicht nicht vorwärts.
Das Zweite, ohne gemeinsame weltanschauliche Grundlage wird es nicht gehen. Hier gebe ich zu, wenn ich früher in der DDR zu Besuch war, habe ich manchmal über die Schilder mit der Losung: „Der Marxismus-Leninismus ist allmächtig, weil er wahr ist.“ geschmunzelt. Aber hätten wir nicht heute, wenn wir uns die Kriegseinsätze des Imperialismus, wenn wir uns die Ausplünderung solcher Länder wie Portugal und Griechenland ansehen, wenn wir auf die Armut in unseren Städten, die Verelendung vieler Kommunen schauen, hätten wir damit doch recht mit einer Losung: „Der Kapitalismus beweist immer wieder die Wahrheit des Marxismus-Leninismus!“
Hier machen dann die Herrschende auch viel und haben dabei Verbündete bis in die Linkskräfte hinein, um den Marxisten den Lenin abzugewöhnen. Aus Sicht der Herrschenden verständlich. Denn im imperialistischen Stadium des Kapitalismus auf Lenin zu verzichten heißt:
• Auf die Analyse des Imperialismus zu verzichten
• Auf die Revolutionstheorie zu verzichten
• Auf die Parteifrage zu verzichten
• Auf die Machtfrage zu verzichten – die ist ja auch wirklich unangenehm
Das ist aber letztlich nichts anderes als auf das Kommunist-Sein zu verzichten. Darum wollen die Herrschenden unsere Distanz zur Oktoberrevolution und zum realen Sozialismus.
Vergessen sein soll, dass nach der Pariser Commune, die sie nach Wochen zusammengeschossen haben, der nächste Ausbruch in Europa 70 Jahre dauerte und heute z.B. das kubanische Volk und die kubanische KP noch immer den Sozialismus als Beispiel nicht nur für die „dritte Welt“ aufbauen. Sie möchten in Vergessenheit wissen, dass in einem Teil Deutschlands bis 1989 der Sozialismus erbaut und damit die DDR zur größten Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung wurde. Das dürfen wir nicht vergessen – nicht, weil wir Nostalgiker sind, sondern weil wir lernen wollen und müssen. Aus den Stärken, aus den Schwächen und aus den Fehlern. Das kann man aber nicht, wenn man sich beim Klassengegner entschuldigt. Dieses Lernen setzt voraus die Anerkennung: Ja, das war Sozialismus.
Auch das ist heute eine notwendig Voraussetzung einer kommunistischen Partei und ein Teil des Erbes von Ernst Thälmann.
Und wie wird sie nun entstehen, diese notwendige KP, diese KP, die tief verwurzelt und verankert ist in der Arbeiterklasse, die selbst in diesem Deutschland, dessen herrschende Klasse die ganze Klaviatur, von der Umarmung bis zur Liquidierung ihrer Gegner fast schon perfekt beherrscht? Sie wird nicht entstehen als Kopfgeburt, nicht an grünen Tischen. Sie wird entstehen in den Kämpfen, die Kommunisten und Sozialisten führen, begleiten und initiieren müssen.
Meine Partei, die DKP arbeitet daran, darin besser zu werden.
Werden wir besser – auch im Geist und Auftrag Ernst Thälmanns.
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