Freitag, 23. November 2012
Hartz IV: Jobcenter zwingt zur Rauchentwöhnung
Im Rahmen des Projekts „Perspektive 50plus“ lädt das Jobcenter der niedersächsischen Region Nienburg derzeit Hartz IV Bezieher zu einem sogenannten Rauchentwöhnungskurs ein. An sich ist es eine tolle Sache, wenn derartige Gesundheitskurse angeboten werden. Doch wer sich weigert, bekommt weniger Sozialleistungen.
Wer sich weigert, wird sanktioniert
Das Prekäre daran: Die Eingeladenen haben überhaupt keine Wahl selbst zu entscheiden, ob sie tatsächlich das Rauchen aufgeben wollen. Denn in dem vorliegenden Anschreiben [289 KB] heißt es: „Dies ist eine Einladung nach § 59 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leisten, wird Ihr Arbeitslosengeld II um 10 Prozent der für Sie nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) maßgebenden Regelbedarfes für die Dauer von drei Monaten gemindert.“ Sprich wer sich weigert, wird mit einer Kürzung des sowieso zu gering bemessenen Hartz IV Regelsatzes bestraft.
Wieder versucht ein Jobcenter mündige und vor allem erwachsene Bürger unmündig zu machen, nur weil sie auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind. Jeder Mensch hat in Deutschland das Recht zu rauchen, auch wenn er dabei nachweislich seine Gesundheit schädigt. Das gilt auch für Hartz IV Bezieher, auch wenn der Regelbedarf-Anteil für Alkohol und Zigaretten mit der letzten Reform gestrichen wurde. Die Behörde überschreitet dabei deutlich ihre Kompetenzen. Denn wenn jemand eine Raucherentwöhnung unternehmen will, kann sich dieser auch freiwillig an seine Krankenkasse wenden, die regelmäßig entsprechende Kurse kostenlos anbieten. Vielmehr ist ein Jobcenter dafür zuständig, anständige Jobs zu vermitteln oder Kurse anzubieten, die eine Berufsperspektive bieten. Und wenn schon solche Kurse angeboten werden, sollten diese mindestens freiwillig sein. (sb)
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