Montag, 19. November 2012
Bürgerliche Soziologie und ihre Journaille: Geht die Mittelschicht pleite?
Wie können wir möglichst Viele für möglichst dumm verkaufen?
Von whs
Arbeiterkorrespondenz auf Kommunisten-online vom 19. November 2012 – Bei Maybrit Illner traf sich wieder mal Talkelite. Es ging (wie so oft) um die Mittelschicht. Und da fragt man sich doch gleich mal, was ist das eigentlich, die Mittelschicht? Nun, es sind nicht die Reichen, also das obere 1%, es sind auch nicht die Armen, also die unteren 10%. Es sind die dazwischen. Und da ist es eigentlich egal, ob es sich um „Unternehmer“ oder um Arbeiter und Angestellte handelt. Ist es wirklich so egal? Wie sich heraus stellte nicht, aber dazu später mehr.
Die bürgerliche Soziologie und damit auch die Journalistik tun also wieder einmal so, als sei die gesellschaftliche Struktur gottgegeben. Da ist keine Frage nach sozialökonomischen Merkmalen zwecks Einteilung in Klassen und Schichten. Einzig das Einkommen (Vermögen) zählt. Es gilt also das bekannte kapitalistische Motto: „Haste was, biste was!“ Und hinterher wundert sich der Soziologe, dass sich sein Untersuchungsgegenstand genauso verhält. Da kann was nicht stimmen. Es stimmt auch „was“ nicht, nämlich die Einteilungskriterien.
Frau Illner hat auch zwei Mittelständler eingeladen, und zwar zwei Unternehmer. Arbeiter und Angestellte finden in der Diskussion zwar auch statt, aber immer nur, wenn die Politikerkaste meint, sich profilieren zu müssen, zwecks Steuersenkung. Da sind die Krankenschwester und der Facharbeiter, die Polizistin und der Feuerwehrmann plötzlich wieder existent, nur um nachher umso schneller wieder in der Versenkung zu verschwinden.
Es geht also gar nicht um den „Mittelstand“, es geht um die Handwerker und Gewerbetreibenden, die kleinen Händler und Kleinunternehmer, die etliche Angestellte haben, aber selbst noch in ihren Betrieben mitarbeiten (müssen). Sie beklagen, dass die Großen in ihrer Branche den Kleinen oft nicht genug Luft zum Leben lassen. Sie beklagen das Gesetz der Konkurrenz, das sie selbst gern anwenden, um ihre Mitbewerber in die Knie zu zwingen. Wenn aber die Monopole auf ihren Besitzstand zugreifen wollen, ist es fatal.
Was also will nun der „Mittelstand“? Er will seine Berechtigung an der Ausbeutung seiner Angestellten haben, er will genügend Profit machen. Er will also all das, was die Monopole auch machen, wenn auch in viel größerem Rahmen. Und er will, dass er nicht von den Großen geschluckt wird, wenn er für die interessant wird. Er will aber selbst schlucken wenn dies möglich ist.
Der „Mittelstand“ will also das Rad der Geschichte zurück drehen. Er will zurück zum Kapitalismus der freien Konkurrenz. Deshalb beschwert er sich bei der Politik auch darüber, dass ihm nicht geholfen wird. Er hat noch nicht begriffen, dass ihm nicht geholfen werden kann, dass die Entwicklung über ihn hinweg geschritten ist.
Natürlich wird es immer wieder kleine Handwerker, Händler und Gewerbetreibende geben. Es wird sie im Kapitalismus auch immer geben. Aber sobald sie eine gewisse Grenze überschreiten und den großen Monopolen auf irgendeine Weise im Wege stehen, werden sie geschluckt oder in die Insolvenz gezwungen. Da hilft kein Jammern und Wehklagen, da hilft nur genaue Analyse der Situation basierend auf einer wissenschaftlichen Basis. Die einzige wissenschaftliche Basis auf dem Gebiet der Gesellschaft ist der Marxismus/Leninismus. Wer ihn gelesen und verstanden hat weiß, dass das Gejammer der „Mittelschicht“ Gejammer ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wer den M/L verstanden hat, weiß auch, dass der Begriff „Mittelschicht“ ablenken soll, ablenken vom Klassencharakter der bürgerlichen Gesellschaft. Das Anliegen der Kleinbourgeoisie wird damit zum Anliegen aller derer gemacht, die Steuern an den Staat zahlen, ausgenommen die Reichen, die sich um das Wehklagen sowieso nicht kümmern, und ausgenommen die Armen, um die sich in diesem Staate auch niemand kümmert. Aber man kann sie immer noch als Schmarotzer an der Mittelschicht beschimpfen.
Ein redaktionelles Einspiel brachte einige Zahlen über Schulden und Schuldner. Auch daran lässt sich ablesen, wie dürr die Behauptung von der „armen Mittelschicht“ ist. In Deutschland sind 6,6 Mio. Menschen überschuldet. Pro Kopf sind das 27.700 € Schulden. Schon an dieser Tatsache kann der geneigte Leser ablesen, was wohl an der „kaputt gehenden Mittelschicht“ dran ist. Von diesen 6,6 Mio. Menschen sind in Schulden geraten:
- 31,8% aufgrund fehlender Arbeit, sprich: Arbeitslosigkeit
-12,0% aufgrund von Scheidung (also über alle Schichten hinweg)
- 9,5% aufgrund gescheiterter Selbständigkeit.
Nun wird mir aber niemand weis machen wollen, dass ein Staubsaugervertreter zur Mittelschicht gehört, ein Versicherungsvertreter, ein Physiotherapeut, ein Frisör, Leute also, die keine Arbeit mehr fanden und in der Selbständigkeit ihr Glück suchten. Dann mussten sie feststellen, dass die Hürden, die zu nehmen sind einfach zu hoch gebaut wurden. Und schon sitzen sie in der Falle.
Die „Mittelschicht“ wird sich mit ihrem Los abfinden müssen, dass einige Wenige aus ihr in die „Oberschicht“ sprich: die wirklich Reichen aufzusteigen vermag. Der größere Teil wird absteigen, absteigen in die Reihen der „Unterschicht“. Als Marxisten vertreten wir aber nicht diese diffuse Einteilung in Schichten, wir bevorzugen die Einteilung der Menschen nach ihrer sozialökonomischen Stellung im Produktionsprozess und in der Gesellschaft. Und da wird sich der größte Teil des Kleinbürgertums im Proletariat wiederfinden, bei seinem objektiv Verbündeten im Kampf gegen die Monopole. Sie müssen es nur noch begreifen, dass sie im Prinzip auch nicht mehr zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft.
Rot Front
Werner
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