Montag, 26. November 2012
Da piept’s doch im Jobcenter!
1. Anlässlich des „Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ sagte die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe, Frauen mit Behinderungen seien zwei- bis dreimal häufiger von Gewalt betroffen als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Das müsse uns alarmieren, dagegen müssten wir etwas tun. Am vergangenen Sonntag wurde weltweit an Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen gedacht und in Aktionen darauf aufmerksam gemacht. Der thematische Schwerpunkt lag in Bremen dieses Jahr auf den Übergriffen, die Mädchen und Frauen mit Behinderung ausgesetzt sind.
Die Gleichstellungsstelle wird am Dienstag, dem 27. November 2012, einen Fachtag zum Thema „Gewalt gegen Frauen und Männer mit Behinderung – was können wir in Bremen dagegen tun?“ veranstalten. Ach wie nett, wenn immer mehr Tage des Sonstwas ausgerufen werden! Stattdessen müssten Gesetzesänderungen her, die den Frauen endlich die ihnen zustehenden Rechte gäben. Deutschland ist hier ein Entwicklungsland, was die Gleichberechtigung von Frauen angeht, gerade bei der Bezahlung in Beruf, aus der der zwingend eine weitaus höhere weibliche Altersarmut hervorgehen muss.
2. Eigentlich hätte die Schlagseite lauten müssen: „96,8 Prozent der 4,35 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher halten sich an die Gesetze“ – wenn unsere Medien ehrlich berichten würden und nicht auf herablassende Diffamierung der Hartz-IV-Bezieher aus wären, so wie das leider von „Welt“, „Spiegel“, „Bild“, „Stern“, „Handelsblatt“ und Konsorten übernommen wurde! Der „Nachdenkseiten“-Autor Orlando Pascheit kommentiert, es sei wahrlich nichts Neues, wenn Schlagzeilen zugespitzt würden, doch hält er die Diffamierung ganzer Bevölkerungsgruppen für unverantwortlich. Wenn das Thema den Journalisten so am Herzen läge, hätten sie ja zum Beispiel nachfragen können, wie die Meldeversäumnisse zustande kamen, die als Hauptgrund für die massenhafte Bestrafung herhalten mussten. Doch werden lieber niederträchtige Schlagzeilen komponiert, die dann unreflektiert in diversen Talkshows weiter instrumentalisiert werden können.
Die (No-)Job-Center kürzen bei Hartz-IV-Beziehenden so oft wie nie zuvor und haben binnen zwölf Monaten mehr als eine Million Sanktionen erlassen. Die Zahl der Strafen ist gegenüber 2009 um 38 Prozent auf 1,017 Millionen angestiegen, die staatlichen Leistungen wurden im Schnitt um 106 Euro gekürzt. Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ wirft den Jobcentern deswegen blinde Sanktionswut vor. Es ist wirklich ungeheuerlich, wenn sich eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit erdreistet, die Zunahme der Sanktionen auf die „konsequentere und professionellere Arbeit“ der Behörde zurückzuführen. Forumssprecher Martin Behrsing sagte, die hohe Zahl der Sanktionen sollte der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit die Schamesröte ins Gesicht treiben.
Die Strafen werden aufgrund der unwürdigen Gesetzeslage fast schon automatisch verhängt und nehmen auf individuelle Umstände keine Rücksicht, obwohl kaum eine Sanktion Bestand hat, wenn sich damit rechtlich auseinandergesetzt wird. Wenn den Flop-, Mob- oder (No-)Job-Centern nichts anderes einfällt, als sogar einer im siebten Monat Schwangeren noch einen Ein-Euro-Job zuzuweisen, wenn viele Menschen mit „Angeboten“ von Zeitarbeitsfirmen für Stellen überhäuft werden, die entweder gar nicht vorhanden sind oder die Menschen allenfalls in prekäre Beschäftigungen bringen, dann liegt der Eindruck von Verfolgungsbetreuung und eben blinder Sanktionswut genauso nahe, wie wenn in den „Eingliederungsvereinbarungen“ völlig sinnlose Dinge aufgezwungen werden, die kaum zu erfüllen sind oder die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten.
Die meisten „Vergehen“ sind immer noch Meldeversäumnisse zu den als „Einladungen“ getarnten Vorladungen. Oft kommen sie nur deswegen zustande, weil den Erwerbslosen normale Bürgerrechte aberkannt werden. In meinen Augen ist es eine bodenlose Frechheit, den Anstieg der Sanktionen als Kriterium von „mehr Professionalität“ zu bewerten. Das Gegenteil ist der Fall!
3. Sebastian Heiser von der „Tageszeitung“ fragt, warum es eigentlich so viele Arbeitslose in Deutschland gebe. Mit der Unterstellung, dass sie sich nicht „genügend anstrengen“, werden jene bestraft, die nicht pünktlich zu Terminen im Amt erscheinen, die eine „Weiterbildungsmaßnahme“ ablehnen oder keinen Ein-Euro-Job machen wollen – als ob dadurch die Arbeitslosigkeit sinken könne (außer in der geschönten Statistik)! Das ist natürlich völliger Quatsch, weil Deutschland kaum darunter leidet, dass es zu viele Arbeitslose gibt, die nicht arbeiten wollen, sondern dass es schlicht zu wenige freie Stellen gibt.
Bei den Massen an Arbeitslosen, die dringend einen Job suchen und auch gern eine Weiterbildung machten, wenn sie denn tatsächlich (ausnahmsweise) für einen guten Job qualifizierte, sollte es eigentlich die vornehmliche Aufgabe von Jobcentern sein, sie alle in Arbeit zu bringen! Mit dem Tenor des angeblichen Förderns und Forderns der früheren rot-grünen Bundesregierung kann das nichts zu tun haben. Es vermittelt eher den Eindruck, als ob es bei den Sanktionen nur darum gehe, Langzeitarbeitslose zu diskriminieren und zu schikanieren.
4. In der Region Nienburg lädt das (No-)Job-Center im Rahmen des Projekts „Perspektive 50 plus“ derzeit Hartz-IV-Bezieher zu einem sogenannten Rauchentwöhnungskurs ein. Im Gegensatz zu wirklichen Einladungen bekommt, wer sich weigert, weniger Sozialleistungen. Dabei weiß inzwischen jeder gut informierte Mensch, dass die Entwöhnung, von welcher Sucht auch immer, nur freiwillig und aus persönlich motiviertem Entschluss gelingen kann! Hier wird schon wieder von einem (No-)Job-Center versucht, erwachsene Bürger zu entmündigen, nur weil sie auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Zwar wurde bei der letzten „Reform“ der Regelbedarfsanteil für Alkohol und Zigaretten gestrichen, doch hat in Deutschland immer noch jeder Mensch das Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob er rauchen möchte, auch wenn dadurch seine Gesundheit geschädigt wird.
5. Im Berliner Ortsteil Lichtenberg führte das (No-)Job-Center eine neue Maßnahme ein, um gegen „aggressive“ Hartz-IV-Empfänger vorzugehen: Die Mitarbeiter bekamen einen Alarmpieper, der optisch an einen Autoschlüssel erinnert. Wenn es zu einer brenzligen Situation kommen sollte, müsse der betroffene Mitarbeiter an einem daran angebrachten Metallband ziehen, woraufhin ein sehr lauter und schriller Ton ausgelöst werde, der allerdings sogar zu Hörschäden führen könne. Die Vize-Geschäftsführerin des (No-)Job- Centers sagte, dadurch würden nicht nur Kollegen alarmiert, sondern auch Angreifer abgeschreckt. Sie führte als Grund aus, dass in diesem Jahr bereits 27 Hausverbote an „aggressive Kunden“ erteilt wurden, worauf die Behörde reagieren musste.
Hallo, piept’s jetzt bei denen? Wenn Sachbearbeiter sich verständnisvoll verhielten und wirklich berieten statt nur Verfolgungsbetreuung zu praktizieren, dann müssten sie sicher auch keine Angst haben! Auch strukturelle Gewalt, die vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse, ist eine Form von Gewalt. Jetzt werden sogar Hörschäden der eigenen Mitarbeiter in Kauf genommen – und die scheinen auch noch mitzuspielen. Wenn jemand einen Hörschaden erleiden sollte, grenzt dies sicherlich an fahrlässige Körperverletzung. Ich bin gegen absolut jede Form von Gewalt!
Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke“
Der 47. Solidaritätsbasar für Vietnam, Chile, Kuba, Nicaragua und Südafrika findet am Freitag, dem 30. November 2012, im Gemeindehaus von Sankt Stephani, Stephanikirchhof 8, statt. Ab 18 Uhr öffnet der Basar, auf dem Bücher, Kalender, Kunstgewerbe, Handarbeiten, Marmelade, Brot und Kekse angeboten werden.
Bis Weihnachten findet die Bremer Montagsdemo zur gewohnten Zeit auf dem Hanseatenhof statt.
Wir laden herzlich ein zur Weihnachtsfeier der Bremer Montagsdemo im Anschluss an unsere letzten Kundgebung in diesem Jahr, also am 17. Dezember 2012. Beginn ist gegen 19:15 Uhr, diesmal – weil das „Naturfreundejugendhaus“ in der Buchtstraße wegen Renovierung geschlossen ist – im „Jugendfreizeitheim Buntentor“, Geschwornenweg 11a (Neustadt), Haltestelle „Rotes-Kreuz-Krankenhaus“ (Linie 4/5). Es soll wieder Würstchen, Salate, Glühwein, Plätzchen und Kuchen geben, außerdem möglichst viele kulturelle Beiträge. Das steht und fällt natürlich auch mit eurer Initiative!
Spendenkonto: Jobst Roselius, Kto.-Nr. 2 83.773.918 4, Postbank Hamburg, BLZ 201 100 22
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen