Montag, 19. November 2012
Die Krise des "Verfassungsschutzes" weitet sich aus
18.11.12 - Mit der bisherigen Präsidentin des Berliner "Verfassungsschutzes", Claudia Schmid, musste am 14. November inzwischen der sechste Chefposten beim Inlandsgeheimdienst geräumt werden. Es ließ sich nicht mehr länger verheimlichen, dass auch der Berliner "Verfassungsschutz" einen so genannten "V-Mann" führte, der zum Umfeld der faschistischen Terrorgruppe NSU gehört. Es war auch in der Berliner Behörde offensichtlich gängige Praxis, dass relevante Ermittlungsakten gegen Faschisten vernichtet wurden. Wie bereits im Jahr 2002, als Ermittlungsakten gegen die faschistische Gruppe "Blood and Honour" ("Blut und Ehre") geschreddert wurden. Offensichtlich wurden damals etliche Akten vom "Referatsleiter Rechtsextremismus" selbst zur Vernichtung vorbereitet, weil seine Mitarbeiter das nicht erledigen wollten.
Außer dem Ex-Präsidenten des Bundesamts für "Verfassungsschutz", Heinz Fromm, der im Juli zurück trat, mussten auch die Präsidenten der Landesämter Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gehen. Die Präsidentin des Landesamts Nordrhein Westfalen trat "aus persönlichen Gründen" zurück.
Seit der Enttarnung der faschistischen Terrorgruppe NSU wird die Liste skandalöser Vorgänge immer länger. Über zehn Jahre wurden die NSU-Terroristen vom Verfassungsschutz beobachtet, die Mörder standen auf der Soldliste des Geheimdienstes. "V-Leute" werden mit Geld ausgestattet, die dem Aufbau faschistischer Gruppen und Organisationen zuflossen, Ermittlungsakten verschwinden oder werden vernichtet.
Während die Bundesregierung dies als Häufung einzelner Pannen kleinzureden versucht, offenbart sich bei den "Verfassungsschützern" eine dahinter steckende Systematik. Trügerisch heißt es auf der Internetseite des Bundesamtes für "Verfassungsschutz" (BfV): "Das BfV nimmt eine unverzichtbare Rolle zum Schutz der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland ein. Es hat die Aufgabe, Schaden von unserem Staat, von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und von der Bevölkerung abzuwehren. Hierzu sammelt und analysiert das BfV Informationen über extremistische, terroristische oder sonstige sicherheitsgefährdende Bestrebungen sowie über die Tätigkeiten fremder Geheimdienste gegen unser Land. (...)" Mit der Methode, "rechts" und "links" gleich zu setzen, richten sich die Hauptaktivitäten des Inlandgeheimdienstes Verfassungsschutz aber in erster Linie gegen linke und marxistisch-leninistische Organisationen und Menschen.
Der "Verfassungsschutz" wurde im November 1950 geschaffen und stützte sich damals vorwiegend auf ehemalige Gestapo- und SS-Schergen, die während der faschistischen Diktatur Erfahrungen in der Jagd nach Kommunisten gesammelt hatten. Bereits zuvor betrieb die US-Armee in den Westzonen ein "Amt für Verfassungsschutz" das ausschließlich die Aufgabe hatte, Mitglieder der KPD in den Westzonen ausfindig zu machen.
Heute hat der "Verfassungsschutz" mit Dossiers, Berichten und Einflussnahme auf Medien und Behörden zahlreiche fortschrittliche und antiimperialistische Bewegungen und Organisationen wie Antifaschisten, Anti-AKW-Aktivisten, Migrantenorganisationen, MLPD und REBELL oder auch die Partei "Die Linke" im Visier. Mit antikommunistischer Hetze und Repressionen wie einem faktischen Bankenboykott gegen die MLPD wird versucht, der wachsenden Verankerung der MLPD entgegen zu wirken.
Gegen die Verbreitung des Antikommunismus hat sich inzwischen eine wachsende Anti-Antikommunismus-Bewegung auch aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kreisen gebildet. So hat ein Bündnis von 160 Organisationen das Gesetzesvorhaben von Ministerin Schröder verhindert, dass zukünftig die Gemeinnützigkeit einer Organisation oder eines Vereins vom Verfassungsschutz geklärt wird. Die Forderung nach sofortiger Auflösung des "Verfassungsschutzes" wird inzwischen von zahlreichen demokratischen und fortschrittlichen Organisationen sowie breiteren Teilen der Bevölkerung getragen.
Die Bundesregierung, hektisch bemüht, die Lebenslüge vom "Rechtsstaat BRD" aufrecht zu erhalten, plant eine "Reform des Verfassungsschutzes" und die zentrale Erfassung aller V-Leute in einer Datei. Damit sollten künftige "Ermittlungspannen" verhindert und die Tätigkeit der V-Leute besser kontrolliert werden. Der neue Präsident des "Verfassungsschutzes", Hans-Georg Maaßen, will den Einsatz aller V-Leute zentral steuern. Durch den zentralisierten Einsatz ändert sich aber nichts an der Funktion der V-Leute und ihrer Durchdringung mit Faschisten. Offensichtlich hofft man, dadurch dem Aufdecken neuer Skandale entgegen zu wirken. Es ist auch keineswegs daran gedacht, die Tätigkeiten des Geheimdienstes irgendwie einzuschränken - im Gegenteil.
Das Bundesinnenministerium gründete am 15. November in Köln ein so genanntes "Gemeinsames Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum" (GETZ). Polizei und Nachrichtendienste sollen unter Federführung von "Verfassungsschutz" und Bundeskriminalamt ihre "Erkenntnisse über Rechts- und Linksextremismus, Ausländerextremismus und Spionage" bündeln. Zu dieser umstrittenen Behörde entsandten Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beim ersten Treffen zunächst keine Vertreter. Die Bündelung von Polizei und Nachrichtendiensten in einer Behörde stößt auf massive Kritik bis weit ins bürgerliche Lager.
Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten war eine wichtige Schlussfolgerung aus der faschistischen Hitlerdiktatur, wo alles bei der Gestapo gebündelt war. Dies ist bislang ein Grundsatz des bundesdeutschen Rechts. Die Bundesländer Sachsen und Brandenburg haben das Trennungsgebot auch in ihren Landesverfassungen aufgenommen. Mit der Schaffung eines "Terrorabwehrzentrums" wird die Verfolgung und Bespitzelung linker und revolutionärer Kräfte, die Überwachung von Telekommunikations- und Bankdaten, die Erstellung von digitalen Personen- und Bewegungsprofilen, zentral gesteuert und koordiniert. Das ist eine Methode der Bürgerkriegsvorbereitung.
Die "Reform des Verfassungsschutzes" ist also in Wahrheit eine weitere Einschränkung demokratischer Rechte und Freiheiten. Die sofortige Auflösung des "Verfassungsschutzes" und das Verbot aller faschistischen Organisationen ist dagegen das Gebot der Stunde.
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