Freitag, 30. November 2012
Mexiko: Amerikas neues China (Basler Zeitung v. 28.11.2012)
Die Löhne in Mexiko sind teilweise schon niedriger als in China. In sechs Jahren soll das Nachbarland mehr Waren in die USA liefern als das Billigland im Osten.
Waren aus Mexiko laufen Billigimporten aus China den Rang ab.
Im Hinterhof der USA ist eine industrielle Revolution im Gang. Während der europäische Markt auf China fixiert bleibt, verlagern immer mehr US-Konzerne ihre Produktionsstätten nach Mexiko. Autobauer, Computerhersteller und Elektronikproduzenten setzen auf rekordniedrige Löhne, kurze Transportwege und die hohe Flexibilität der Nachbarn im Süden. Der US-Elektronikhersteller Viasystems Group verlagerte laut Wall Street Journal im letzten Jahr einen Teil seiner Produktion von China nach Mexiko, selbst die berühmt-berüchtigte Foxconn lässt mittlerweile in Mexiko produzieren.
Wer in den USA einen Dell-Computer in der Standardausführung kauft, bekommt ein Gerät aus China. Doch wer über die Dell-Website Sonderwünsche wie mehr Speicherplatz oder eine Ausführung in Pink in Auftrag gibt, wird mit einem Gerät aus Ciudad Juarez beliefert. Der taiwanische Dell-Produzent Foxconn hat laut WSJ dort ein Werk errichtet, in dem mexikanische Arbeiterinnen täglich 35'000 Laptops und Desktop-Computer montieren. Hersteller von Haushaltsgeräten oder TV-Bildschirmen suchen ebenfalls wieder die Nähe zum US-amerikanischen Markt. Schon vor drei Jahren mauserte sich Mexiko zum weltgrössten Hersteller von Flachbildschirmen.
Löhne unterbieten die von China
Je nach Berechnungsmethode sind die mexikanischen Löhne bereits mit denen in China vergleichbar oder werden es bald sein. Gemäss einer HSBC-Studie sind die Mindestlöhne in Shanghai und Qingdao schon heute höher als in Mexiko-Stadt und Monterrey. Kostete ein chinesischer Arbeiter im Jahr 2000 noch 32 US-Cent die Stunde, bekam sein mexikanischer Kollege 1.51 US-Dollar. Im Jahr 2011 hatte sich der chinesische Stundenlohn auf 1.63 US-Dollar erhöht, der mexikanische lediglich auf 2.10 US-Dollar. Die Boston Consulting Group geht davon aus, dass angesichts der höheren Produktivität in Mexiko die Produktionskosten in China bereits heute höher sind.
Auch die internationale Automobilindustrie baut ihre Produktionsstätten in Mexiko massiv aus. Audi und Nissan planen riesige neue Werke, selbst die indische Tata Motors will sich in Mexiko niederlassen. Wenn die geplanten Werke fertig sind, sollen von mexikanischen Fliessbändern jährlich vier Millionen Autos rollen. Noch in diesem Jahr wird das Land zum weltweit viertgrössten Autoexporteur hinter Deutschland, Japan und Südkorea.
Freier Zugang zu Nafta und Mercosur
Gemäss dem deutschen Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer profitiert Mexiko nicht nur von niedrigen Löhnen, sondern auch von seiner Lage zwischen den USA und Südamerika. «Als Mitglied der Nafta-Freihandelszone und des Mercosur können Hersteller von Mexiko aus zollfrei und komplikationslos sowohl die USA wie auch den ganzen südamerikanischen Kontinent beliefern», sagt Dudenhöffer gegenüber baz.ch/Newsnet. Doch selbst Exporte nach China sind nicht mehr ausgeschlossen: Chrysler schickt schon jetzt von Mexiko aus Fiat 500er nach China. Audi erwägt, Teile für die Q5-Fertigung in China aus Mexiko anzuliefern.
Zumindest was die USA anbelangt, soll Mexiko gemäss der Studie der HSBC China schon in den nächsten Jahren den Rang als billige Werkbank ablaufen. Kommen derzeit noch 18 Prozent der in den USA konsumierten Güter aus China, bringt es Mexiko immerhin schon auf einen Anteil von 12 Prozent. Bis im Jahr 2018 wird sich der Anteil der chinesischen Hersteller auf unter 16 Prozent reduziert haben, Mexiko wird China als Lieferant von Autos, Haushaltsgeräten und Elektronik dann den Rang ablaufen.
Höherer Wohlstand in China
«Chinesische Politiker wollen die Löhne und den Lebensstandard der chinesischen Arbeiter verbessern», sagt Mike McNamara, CEO der Elektronikfirma Flextronics mit Sitz in Singapur und dem kalifornischen San Jose dem Wall Street Journal. «Dabei nehmen sie in Kauf, die Produktionszweige mit den niedrigsten Löhnen an andere Länder zu verlieren. Doch wenn sich dank der höheren Löhne der einheimische Absatzmarkt vergrössert, ist das für China nicht unbedingt negativ», so McNamara.
Für den Mexiko-Experten Luis de la Calle ist die zunehmende Konkurrenz zwischen Mexiko und dem Billiglieferanten China auch eine Folge der Demografie: Während Chinas Gesellschaft immer älter werde, sei mehr als die Hälfte der mexikanischen Bevölkerung unter 29 Jahre alt und biete damit auch in der Zukunft ein enormes Reservoir an billigen Arbeitskräften, sagte de la Calle der Financial Times.
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