Freitag, 2. November 2012

SOZIALISMUS IN EINEM RENTIER*-STAATSWESEN

Ausblick nach dem Wahlsieg von Venezuelas Präsident Chávez: von Prof. James Petras übersetzt von Jens-Torsten Bohlke Website von James Petras, 26. Oktober 2012. (Kommunisten-online vom 2. November 2012) – EINFÜHRUNG Die erfolgreiche Wiederwahl von Präsident Chávez mit einem gut klingenden 10% Vorsprung vor seinem Herausforderer und dem Sieg in 20 von 22 venezolanischen Bundesstaaten bei einer hohen Wahlbeteiligung von 80% verschafft seiner Regierung ein klares und entschiedenes Mandat, den politischen und wirtschaftlichen Kurs des Landes für die nächsten sechs Jahre zu bestimmen. Um die Möglichkeiten und Grenzen zu verstehen, denen sich diese Regierung gegenüber sieht, ist es von wesentlicher Bedeutung, nicht nur die positiven Stärken der Regierung aufzuführen, sondern die komplexen und schwierigen Strukturmerkmale einer 'Überleitung' einer wesentliche 'Rentier-Wirtschaft und -Gesellschaft' auf der Grundlage von Rohstoff-Enklaven zu berücksichtigen, die im wesentlichen eine Erdölwirtschaft darstellen. Das sozialistische Gesellschaftsvorhaben ist von außen her mit gegensätzlichen Faktoren konfrontiert, welche eine hochentwickelte globalisierte Wirtschaft mit dem Angebot von Handels- und Investitionsgelegenheiten sowie expandierender wirtschaftlicher Partnerschaften durch regionale und internationale Organisationen wie die OPEC, MERCOSUR, UNASUR, PETROCARIBE und ALBA und politische sowie militärische Bedrohungen wegen ihrer Nähe zum nordamerikanischen imperialen Kernland umfasst. Während die von Präsident Chávez geschaffenen Einrichtungen und außenpolitischen Initiativen eine ansehnliche *fire wall' gegen eine direkte oder durch Stellvertreter ähnlich zu den Ereignissen in Irak, Libyen und Syrien geführte militärische Intervention zumindest gegenwärtig errichtet haben, sind die inneren und vor allem sozialökonomischen und politischen Strukturen weitaus problematischer. Und aus diesem Grund hat Washington sich umorientiert und konzentriert sich gegenwärtig auf das Ausnutzen der strukturellen und politischen Angriffsflächen des Chávez-Regimes, um dessen Mandat in Frage zu stellen und zu unterlaufen. Diese 'Anpassung' in der imperialen Strategie der USA mit der Richtung 'nach innen' ruft nach einem gleichfalls „strategischen Wechsel“ seitens der Chávez-Regierung, um sich auf die Veränderungen zu konzentrieren und sie zu verfestigen, die erfolgten, um sich hin zu Formen der sozialistischen Organisation und Praxis zu entwickeln. REAKTIONEN NACH DEM WAHLERGEBNIS Das unmittelbare künftige Kampfgebiet nach dem Wahlsieg von Chávez wird in den Reaktionen der Gegner aus den USA und in Venezuela sowie in denen ihrer venezolanischen Unterstützer deutlich. Das Weiße Haus lobte den Wahlprozess, die friedliche und ordentliche Teilnahme der Bürger. Aber im Unterschied zu den beglückwünschenden Reaktionen der lateinamerikanischen Präsidenten gratulierte das Weiße Haus Präsident Chávez nicht zum Wahlsieg. Dies ist ein deutliches Zeichen andauernder diplomatischer Feindschaft. Washington vermied die Anerkennung der Beziehung zwischen dem friedlichen 'Prozess' und dem wesentlichen Programm der Chávez-Regierung. Auf der Grundlage der überwältigenden Popularität seiner Sozialprogramme und Umverteilungsprogramme gab es einen allgemeinen Konsensus (auch unter der Mehrheit der Wähler der Opposition), dass ein gewaltsamer Bruch und eine Destabilisierungskampagne Washingtons Verbündete nur weiter isolieren würde, ihre Aussichten bei den Wahlen im bevorstehenden Dezember 2012 und Februar 2013 beschädigen würde und die Wählerschaft des Landes in einer hochgradig ungünstigen Weise polarisiert hätte. Die Anerkennung der Rechtmäßigkeit und des ordnungsgemäßen Verlaufes der Wahl sowohl durch den unterlegenen Kandidaten Capriles als auch durch das Weiße Haus deutet darauf hin, dass sich die Opposition auf eine längere Wahlschlacht einstellt, um die Regierungsstellen vor Ort sowie auf regionaler und gesamtstaatlicher Ebene bei den Wahlen in den nächsten Monaten unter ihre Kontrolle zu bringen. Die USA drehen den Geldhahn auf und pumpen etliche Millionen Dollar in die Opposition und ihre Unterstützer-Hochburgen, vor allem um die „Einheit“ unter den Dutzenden sich antagonistisch gegenüberstehenden Parteien, Sekten, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Eigentümerorganisationen zu erzwingen. Spaltungen und Abspaltungen unter den zerstrittenen Oppositionskräften würden die Bemühungen um ein Absetzen der angreifbaren Chávez-Anhänger unterlaufen. Die Sozialistische Einheitspartei der Venezolaner (PSUV) als Partei der Chávez-Anhänger glaubt, dass die Wahl dem Präsidenten ein 'Mandat' erteilt, um seine sozialistische Tagesordnung zu realisieren. Das Problem an dieser Stelle liegt darin, dass die vielen Anführer, die Massenorganisationen, die Gruppen in den Wohnsiedlungen und die Funktionäre erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Frage aufweisen, welche nächsten Schritte zur Realisierung eines „sozialistischen Übergangs“ gegangen werden müssen. Die Opposition wird alles ihr Mögliche unternehmen, um ihre Machtgrundlagen in den staatlichen Stellen beizubehalten. Und ihre US-Partner werden gewissermaßen vollauf ihre Einflussbereiche in das politische System Venezuelas nutzen. Die Opposition wird sich jeder Veränderung bei den von ihr beherrschten Eigentumsverhältnissen im Bereich der privaten Banken, der Massenmedien und der strategischen Wirtschaftszentren entgegenstellen. Sie wird Veränderungen in der Politik der Regierung vorschlagen, zur Haushaltskürzung bei den Sozialausgaben aufrufen, jede gesetzliche Änderung in Richtung einer Schwächung der staatlichen Regulierung unterstützen. Und sie wird sich für parlamentarisches Ermitteln gegen die herrschenden Chávez-Anhänger in den Regierungsstellen einsetzen. Diese neoliberale Opposition wird sich darauf konzentrieren, jeden Fehler in der Führung der öffentlichen Betriebe auszunutzen und sich über „Unterdrückung“ durch Regierungsstellen beklagen, wenn die Regierung Betrüger, Geldwäscher und rechtswidrige Geldwechsler unter den Bankiers im privatwirtschaftlichen Bereich strafrechtlich verfolgt. Vor allem werden sowohl die USA als auch die Opposition einfordern, dass „die Demokratie“ und „die Freiheit“ gefährdet werden, wenn die organisierten Kanäle für US-Gelder an die sogenannten Nichtregierungsorganisationen geschlossen werden, weil die damit befassten Büros sich nicht als ausländische Agenten angemeldet haben. Die von der US-Regierung bezahlten Nichtregierungsorganisationen sind kaum überwachte „Frontorganisationen“. Sie spielen eine größere Rolle beim Finanzieren und Ausbauen der Opposition. Sie stellen Training, Berater, Wahlstrategen und Propagandisten. Washington macht beim Geldgeben an die zersplitterte Opposition zur Bedingung, dass die Kräfte einig zusammenwirken und den Anweisungen aus den USA Folge leisten. Die gegenwärtige US-Strategie schließt beim Verfolgen des Wahlausgangs keinesfalls die Möglichkeit einer gewaltsameren autoritären Ausrichtung für die Zukunft aus. Im Gefolge der Wahlen vom Oktober und der vielen Einflussbereiche, den starken Medien und Geschäftsbanken vor Ort und somit einem relativ stabilen politischen Gefüge um sich geschart, herrschte in Washington die Ansicht vor, dass dies ein ungünstiges Klima für einen Staatsstreich ist. Washington ist darauf vorbereitet, mittels Wahlgängen im Streben nach Erringen und Ausweiten der Machtpositionen in den Regierungsstellen vor Ort daran zu arbeiten, die sozialistische Tagesordnung des Präsidenten Chávez durch Behindern im Kongress zu blockieren. Die USA werden auf eine gewaltsame Putsch-Strategie dann setzen, wenn ihre Macht in den Regierungsstellen ausreicht, ein „Amtsenthebungsverfahren“ vorzuschieben oder ein Referendum anzustrengen. Die Opposition würde behaupten, dass Chávez seine verfassungsmäßigen Befugnisse „überschreitet“ und dabei erhoffen, Teile des „Verfassung schützenden“ Apparats beim Militär oder bei der Nationalgarde für ihren Griff nach der Macht zu gewinnen. Dieser Ansatz wird vom US-Außenministerium unterstützt, wie die Beispiele derartiger Staatsstreiche in den Fällen der rechtmäßig gewählten Präsidenten von Honduras und Paraguay beweisen. Im Klartext: Die von Washington und der Opposition heutzutage eingenommene demokratische Haltung ist durchaus vereinbar mit einer autoritären Machtübernahme in naher Zukunft. Von den Tatsachen her ist das taktische Spiel mit den Wahlen unter den derzeitigen Bedingungen eine erforderliche Vorbedingung für einen künftigen gewaltstrategischen Regimewechsel. CHÁVEZ IN DER ZEIT NACH DER WAHL: VIELE MÖGLICHKEITEN Präsident Chávez hat zwei offenkundig widersprüchliche Reaktionen in der Zeit nach der Wahl geäußert. Jede davon widerspiegelt zwei verschiedene politische Momente. Einerseits spricht er davon, bei der sozialistischen Tagesordnung voranzuschreiten. Andererseits spricht er vom Eröffnen eines Dialogs mit der Opposition und schließt dabei die kapitalistische Geschäftsleute-Elite mit ein. Die sozialistische Position widerspiegelt das starke Mandat, welches Chávez im Ergebnis seines jüngsten Wahlsiegs erreichte. Die Dialogposition nimmt er mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen auf kommunaler, regionaler und landesweiter Ebene für die staatlichen Regierungsstellen ein. Hinzuzufügen ist, dass Chávez innerem Druck ausgesetzt ist, welcher ihn in zwei Richtungen drückt. Die radikalen Aktivisten, die gesellschaftlichen Massenorganisationen und einige politische Anführer üben derzeit Druck aus, um eine neue Runde von Vergesellschaftungen auf der Grundlage von politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Erwägungen durchzusetzen. Sie argumentieren, dass die strategischen Bereiche wie das Bankwesen, das Agrarbusiness, die Telekommunikation, die Erdöl verarbeitenden Industrien und die anderen Wirtschaftsbereiche die Regierung mit den Hebeln und den Mitteln ausstatten würden, um ihre festgefahrenen Pläne für eine rasche Diversifizierung der Wirtschaft und ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum wiederaufzulegen. Politisch argumentieren sie, dass öffentliches Eigentum die finanzielle Basis der neoliberalen Opposition schwächen und die Geldzuflusskanäle der USA zu den reaktionären Gegenspielern der Regierung abriegeln würde. Die 'Gemäßigten' argumentieren, dass eine gemischte öffentlich-private Partnerschaft auf der Basis von joint ventures den Appell von Chávez an die „Mittelschichten“ verstärken und verbreitern würde und den Boden für eine größere Zusammenarbeit auf Regierungsebene bereiten würde, insbesondere im Fall einer Erringens von Gouverneursposten und einer nahezu Mehrheit bei den Kongressmitgliedern seitens der Opposition. Die 'Gemäßigten' argumentieren, dass ein auf dem Gedanken eines Bündnisses mit Teilen der 'produktiven Bourgeoisie' sich gründender 'Dialog' zwischen Chávez und der Opposition mit speziellen Investitionsvorhaben, einer größeren Kreditvergabe und größeren Investition in gemeinsame Projekte, die Polarisierung abschwächen und den Dialog mit den USA insbesondere im Fall der Wiederwahl von Obama erleichtern würde. Die 'Gemäßigten' sind unter den langjährigen Beamten, den staatlichen Gouverneuren, den Ministern, den Funktionären der PSUV und unter den langjährigen Präsidentenberatern mehrheitlich zu finden. Viele von ihnen haben Unterstützer bei den öffentlichen Funktionsträgern. Die größeren Probleme stehen vor sowohl den „Radikalen“ als auch den „Gemäßigten“. Dabei sind ein politisches und ein wirtschaftliches Problem zu nennen. Politisch gibt es bei beiden Fraktionen Beamte, die in ihren Wahlkreisen eigentlich nichts auf die Beine gebracht haben und angesichts sich nähernder Wahlen darauf bedacht sind, sich ihren Verbleib in ihren Amtsstuben zu sichern, was einerseits durch radikale Versprechungen und andererseits durch Klüngeln mit der Opposition erfolgt. Wirtschaftlich stehen beide Fraktionen vor dem tief sitzenden und um sich greifenden Problem eines Versuchs der Formulierung einer dynamischen Wirtschaftsstrategie in einem vom Wesen her Rentier-Staat. Trotz breiter fortschrittlicher sozialökonomischer Veränderungen ist Venezuela immer noch in hohem Maß von den Erdölexporten und Erlösen daraus sowie einer Arbeitskraft abhängig, die auf Erlöse aus dem Erdölgeschäft aus ist, um ihren persönlichen Konsum zu steigern. Die Position welcher Fraktion wird die Entscheidung von Präsident Chávez beeinflussen? Dies hängt davon ab, welchen Aufgaben er bei seinem Realisieren der sozialistischen Tagesordnung Vorrang einräumen wird. Chávez strebt danach, politische Bündnisse einzugehen, um Venezuela aus einer 'Rentier'-Wirtschaft und einem 'Rentier'-Staat in ein Land zu verändern, welches eine produktive und diversifizierte Wirtschaft betreibt und auf den Weltmärkten konkurrenzfähig ist. HINDERNISSE UND MÖGLICHKEITEN FÜR DEN SOZIALISTISCHEN ÜBERGANG Der Aufbau des Sozialismus oder einer neuen produktiven kapitalistischen Wirtschaft ist eine komplexe und schwierige Entwicklung in jeder Rentier-Wirtschaft, auch der Venezuelas. Die Leiter der in öffentlichem und privatem Eigentum befindlichen Firmen haben sehr wenigen Fähigkeiten bei der Innovation und dem rechtzeitigen Investieren in neue Technologien sowie örtliche Marktnischen und komplette Projekte gezeigt. Stattdessen vertrauen sie auf den Rentier-Staat mit öffentlichen Aufträgen, Subventionen, abgeschotteten einheimischen Märkten, leicht zu erhaltenden zinsgünstigen Krediten oder Fördermitteln und ihre politischen Kontakte. Im Ergebnis dessen mögen die Verfechter eines 'gemischten', 'sozialistischen' und 'neoliberalen' Staates sich gegenseitig mit Kritik über ihre Zahl an Gegenspielern überhäufen. Bei all dem übersehen sie jedoch ihre gemeinsame Schwäche in ihrem eigenen 'Entwicklungsbetrieb'. Die Manager im privatwirtschaftlichen Bereich sind jahrzehntelang gescheitert, als Geschäftsleute etwas zu leisten. Sie verwirren mit ihren Neigungen zu schnellen Rückzügen, mit ihrem Nutzen ziehen aus gespaltenen Interessen und Wechselkursen und Monopolprofiten als Zeichen ihres 'Marktzaubers'. Von den Tatsachen her konzentrierten sie sich jahrzehntelang in den Zeiten vor der Chávez-Regierung auf das Abmelken der Erdölerlöse des Rentier-Staates, um in den Import von Konsumgütern zu „investieren“, Immobiliengeschäfte in Übersee oder vor Ort zu tätigen und in einem aufgeblähten Dienstleistungsbereich Geschäfte zu machen. Die neoliberale Reaktion behauptet, dass die miserable Ausrichtung der privaten Wirtschaft auf Investieren und Innovation ein Ergebnis der geschäftsfeindlichen Haltung von Chávez ist, was im Gegensatz zur Erfahrung der Geschichte steht. Dasselbe geschäftsfeindliche Rentier-Verhalten unter den Geschäftsleuten, der Elite im Bankwesen und Agrarbusiness geht auf Zeiten lange vor dem Chávez-Jahrzehnt zurück. Das Rentier-Verhalten hat tiefliegende historische, kulturelle und wirtschaftliche Wurzeln. Vor langer Zeit nahm die Bourgeoisie Venezuelas den Rentier-Staat an, statt ihn zu bekämpfen. Sie entschied sich für die Komplizenschaft, das war leichter und profitabler. Sie hing sich an die Erlöse aus dem Erdöl mit faulen 'Entwicklungsvorhaben', die niemals Früchte trugen. Der kürzliche Wahlkampf des unterlegenen reaktionären Kandidaten Henrique Capriles mit seiner Behauptung, ein Anhänger des früheren brasilianischen Präsidenten Lula Da Silva zu sein, privatkapitalistische Entwicklung mit Sozialstaatlichkeit zu fördern, ist schwer beschädigt worden. Capriles übersieht die Tatsache, dass Lula die Unterstützung der mächtigen Industriebourgeoisie von Sao Paulo hatte, um sein Bündnis zwischen arm und reich zu formieren. Capriles demgegenüber müsste auf eine deformierte Rentier-Bourgeoisie mit nur wenig produktiver Konkurrenzfähigkeit setzen. Das Problem des 'Rentier-Daseins' beschränkt sich nicht auf die alte und heutige Bourgeoisie. Dieses Problem ist bei den langjährigen Managern und Leitern vorhanden, die die nationalisierten Betriebe leiten. Ihre Leistung hinsichtlich Produktion und Innovation reicht von erbärmlich bis ganz wenig. Die niedrige Produktivität, die Abhängigkeit von den Subventionen der Regierung und die Anfälligkeit für das Nichteinhalten von Fristsetzungen und Budgetgrenzen überwiegen beim Aufbauen der Wirtschaft. Das ist Missmanagement. Es ist kaum mit anzusehen, wie das „gemäßigte“ Chávez-Modell einer 'gemischten Wirtschaft', die auf der Grundlage einer gemischten öffentlich-privaten Partnerschaft die Rentier-Mentalitäten kombiniert, zu einer 'produktiven dynamischen Volkswirtschaft' führen soll. Chávez hat nur sehr problematische Fachkräfte, mit denen er bei der Umgestaltung Venezuelas aus der Rentier-Wirtschaft heraus arbeiten muss. Theoretisch marxistische Bestrebungen aus der Kritik des Kapitalismus heraus den „Übergang zum Sozialismus“ zu fordern, lassen den tiefgreifenden 'klientelistischen' Rentier-Charakter des Kapitalismus in Venezuela mit nur wenig Bezugnahme außer acht. Die Umgestaltung vom Rentier - „Kapitalismus“ in eine moderne produktive Wirtschaft mit einer effektiven öffentlichen Verwaltung, die soziale Dienstleistungen gewährleisten kann, ist ein Grundanliegen für den Übergang zum venezolanischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts**. Die Bekräftigung des sozialistischen Ziels der Bolivarischen Revolution als strategisches Ziel hängt zu allererst davon ab, dass die Ministerien und ihre nachgeordneten Behörden durch bevollmächtigte Bürgerräte und fachlich qualifizierte Kontrollkomitees der 'Dienstleistungsnutzer' rechenschaftspflichtig in die Verantwortung genommen werden. Die gegenwärtig vorherrschenden Amtsmissbräuche, die Korruption, die mangelhafte Effektivität, die Nichtbereitstellung der Dienstleistungen sind eine ständige Erscheinung, politisch kostspielig und ein Hohn auf die gesellschaftlich fortschrittlichen Vorhaben, die Präsident Chávez verspricht. Die periodische Erneuerung und die Ablösung von Ministern, von Zivilpersonen durch das Militär, gewähren bestenfalls eine vorübergehende Atempause. Aber unter den Bedingungen einer unkontrollierten Machtausübung macht sie die Rentier-Kultur und -Mentalität sofort in demselben müßigen Verhalten bemerkbar. Die Kontrolle durch die Bürger mit Vollmachten zur Bestrafung ihrer Funktion nicht gerecht werdender Beamter würde ein dauerhafteres Korrektiv sein. Die zentrale Stellung der schlechten Verwaltung hat enorme politische Auswirkungen. Diese Misswirtschaft verantwortet wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Stimmen, die zum Minderheitsvotum für die Opposition überliefen. Es ist ein Fehler, die 45% Anteil der Wählerschaft zugunsten der Opposition als Ruf nach einer Rückkehr zum Neoliberalismus zu betrachten. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei um Proteststimmen von Chávez-Anhängern gegen die Beamten, die die Misswirtschaft beim Einsatz der bereitgestellten staatlichen Mittel zu verantworten haben und inkompetente Saufkumpane unter Parteimitgliedern darstellen. Diese Stimmen waren Stimmen gegen die Minister, die Milliarden ausgeben, aber das Erdöl nicht zum Fließen bringen können, dass Licht nicht zum Brennen bringen können, das Wasser nicht zum Laufen in die Haushalte bringen können. Ganz oben bei den Proteststimmen gegen Chávez stand die Reaktion auf die Innen- und Verteidigungsminister, Zivilpersonen oder Militärs, die bei der Kriminalitätsbekämpfung in den Straßen, in den privaten Einrichtungen und in den öffentlichen Behörden gescheitert sind. Die Wahl von Kontrollräten der Bürger wäre eine 'Revolution in der Revolution'***, denn daraus würde sich eine größere Rechenschaftspflichtigkeit und die Durchsetzung einiger Initiativen von Präsident Chávez ergeben. Dieser Prozess kann lediglich zunehmende Veränderungen im Kleinen bringen, - die öffentlichen Dienstleistungen verbessern und die Bearbeitung von behördlichen Genehmigungen beschleunigen -, was jedoch ganz sicherlich eine Verbesserung über das Getöne revolutionärer Vorschläge hinaus bringen würde, die folgenlos, da nicht durchgesetzt, geblieben sind und lediglich die Zahl an Beamten im öffentlichen Behördenwesen vermehrten. Die Zunahme der Beamtenzahlen lässt lediglich die behördlichen Arbeitsgänge anschwellen (Unterschriften, Stempel, Gebühren, Verzögerungen) und die Zahl der Proteststimmen ansteigen. Die Gefahr für Chávez und die PSUV kommt nicht nur aus den Destabilisierungsaktionen der USA mit Hilfe von Partnern vor Ort, sondern sie existiert auf der Stufe der Wohnsiedlungen. Der Verschleiß der PSUV kommt von den alltäglichen Amtsmissbräuchen von Beamten im *roten Shirt', die vor sich stapelweise Anträge von Bürgern aufhäufen und dahinter hocken und sich die Fingernägel pflegen, ihre zweistündigen Mittagspausen genießen und ansonsten gerne ausgiebigst über „die nächste Stufe der Revolution“ oder „Konsolidierungsstrategien gegen Radikalisierungsstrategien“ ihre Diskussionen führen ... während zugleich scharenweise Antragsteller in ihren Ministerialbereichen sich im Kreis die Füße wund laufen. DIE VERANTWORTLICHKEIT DES PRÄSIDENTEN Präsident Chávez hat Wunder bei der Politisierung und beim Einbringen einer Bürgerkultur unter den venezolanischen Bürgern vollbracht, was die Beteiligung von 80% der Wahlberechtigten an der Wahl gezeigt hat. Kein Präsident in der Geschichte Venezuelas (oder diesbezüglich in der Geschichte der Vereinigten Staaten) hat mehr getan, um ein Gefühl der nationalen Identität zu schaffen. Er hat das Land in seinen Werten und in seiner Integrität verteidigt. Er hat die demokratischen Einrichtungen gegen die Versuche einer Destabilisierung und einer Zerstörung der verfassungsmäßigen Ordnung geschützt und entwickelt. Präsident Chávez hat ausgedehnte Sozialleistungen geschaffen, welche Millionen Menschen aus der Armut geholt haben, das Analphabetentum beseitigten und ein umfangreiches kostenloses öffentliches Gesundheitswesen bereitstellten. Chávez hat sich erfolgreich für konsequente internationale Wirtschaftshilfe-Programme eingesetzt, Erdöl zu reduzierten Preisen für arme Länder in Mittelamerika und in der Karibik geliefert. Aber jetzt im Jahr 2012 sieht er sich vor neuen Herausforderungen, steht er vor der Schlacht um die Revolution in der Revolution mit einem komplexen und schwierigen Hintergrund. Rentier-Wirtschaften stellen der Entwicklung einer produktiven Volkswirtschaft auf der Grundlage einer aktiven Arbeiterklasse, einer innovativen und betriebswirtschaftlich befähigten Managerklasse und verantwortlicher sowie gesellschaftlich bewusst handelnder Mittelschichten zahlreiche Hindernisse in den Weg. Die Mehrheit der sozialen Klassen in Venezuela unterstützt einen sozialistischen Präsidenten, aber zumeist auf der Grundlage des zunehmenden individuellen Konsums und steigender Ausgaben im Sozialwesen. Die politischen Vorkämpfer in den Straßen sind glühende Verfechter des Sozialismus in ihrem Büro, aber ihr Verhalten ist eher das ihrer neoliberalen Vorgänger. Chávez muss eine Gratwanderung zwischen einerseits dem Aufmotzen des gesamten Verwaltungssystems und der Umgestaltung der Rentier-Wirtschaft und andererseits dem Finanzieren und Einbringen kurzzeitiger Sozialprogramme machen, um sich günstige Wahlergebnisse in den nächsten vier Monaten zu sichern, und um die Wahlen der Gouverneurs- und Kongress-Sitze zu gewinnen. Die Aufgaben für eine Korrekturkampagne stehen direkt auf der Tagesordnung, aber diesbezüglich jetzt Maßnahmen einzuleiten, würde erhebliche politische Kosten mit sich bringen. Um die Vetternwirtschaft zu bekämpfen, und zwar die Vetternwirtschaft im privatwirtschaftlichen Bereich wie im Staatsapparat, um die Korruption und Ineffektivität, den Autoritarismus und die fachlichen Mängel zu bekämpfen, ist erforderlich -1- Bürgerkontrollausschüsse zu bilden und einzusetzen; -2- die Gemeinderäte vor Ort zu stärken und zu qualifizieren; -3- wirksame gesetzliche und juristische Verfahren einzubringen, um gegen die Misswirtschaft in der Verwaltung kurzfristig zu ermitteln; -4- der technische Aufbau von Leitungskader-Bildungseinrichtungen, um produktive Industrievorhaben zu gestalten, die örtlichen Kapazitäten mit der Erdölwirtschaft verbinden; -5- erdölbasierte Industrien zu schaffen (Petrolchemie, Düngemittelindustrie usw.); -6- Verknüpfungen mit anderen produktiven Wirtschaftsbereichen wie der Landwirtschaft, den technischen Dienstleistungen. Chávez muss sich stärker um die nationalen Angelegenheiten Venezuelas kümmern, beispielsweise die öffentliche Sicherheit, die wirtschaftliche Effektivität, die Beteiligung der Arbeiter. Er sollte mehr Nachdruck auf die Verknüpfung des gesellschaftlichen Konsums mit produktiver Tätigkeit, der Macht des Volkes mit der effektiven Kooperation beim Erzwingen der Einhaltung der Gesetze vor Ort legen. Vor allem sollte Chávez zusehen, dass er die Kontrolle über die strategischen Bereiche der Wirtschaft, die Kommando-Ebenen, insbesondere beim Finanz- und Bankbereich übernimmt. Das Anliegen der Regierung sollte sich auf Investitionssteigerung in etliche neue erdölbasierte Industriebetriebe richten. Die gesellschaftliche Basis des „Bolivarischen Sozialismus“ von Chávez muss vom 'Verbraucherbewusstsein' zum produktiven Bewusstsein, vom Sozialleistungsempfängerplatz durch jene oben zum Arbeitsplatz mit Klassensolidarität und Produktivität durch diejenigen unten übergehen. Einige Marxisten unterschätzen heutzutage bei ihrer Forderung nach Übertragung von mehr Verwaltungsaufgaben und Kontrolle an die Arbeiterklasse das begrenzte ökonomische Bewusstsein, welches diese Klasse prägt, wo es um das Streben nach Lohnerhöhungen und größeren Sozialleistungen unabhängig von der Produktivität geht. Die Demokratie am Arbeitsplatz muss mit einem breiteren Einsatz der Umwandlung Venezuelas von einem Rentier zu einer modernen produktiven und diversifizierten Wirtschaft einhergehen. Ansonsten wird die in der Mentalität von Verbrauchern und Rentiers gehaltene Arbeiterklasse letztlich zu einem größeren Hindernis für Venezuelas Übergang zum Sozialismus werden. Der Sozialismus, unter welchem Präsident Chávez die Vertiefung und die Ausweitung der Macht des Volkes versteht, erfordert den Schritt von den Mega-Projekten vor allem auf der internationalen und der multi-nationalen Ebene hin zu gut geführten und errichteten Mikro-Projekten unter der Kontrolle durch die Arbeiter und die Bürger mit einer strengen und erzwingbaren Disziplin und ergänzenden Richtlinien. Die Entpolitisierung bei der Zuweisung von hochtechnologischen Führungspositionen bedeutet, dass die per Abstimmung gewählten Führungsleute nicht unbedingt die besten Betriebsmanager sind. Kosteneffizienz wird derzeit beim Aufbau eines Milliarden-Dollar-Transportwesens oder uneffektiven Autobahnwesens nicht berücksichtigt, sofern es hilft, dass ein Bürgermeister oder ein Gouverneur gewählt wird. Die Vergesellschaftung der Wirtschaft mag der Opposition strategische Finanzhilfe nehmen, aber dabei muss aufgewogen werden, wie gut der öffentliche Betrieb oder die Staatsbank fungieren wird, um das Alltagsleben, das Wirtschaftsleben und die Beschäftigungslage im öffentlichen Bereich auf lange Sicht zu verbessern. Ein schlecht geführter öffentlicher Betrieb z.B. im Nahrungsmittelbereich kann einer sozialistischen Strategie mehr schaden als eine gut 'funktionierende' private Firma. Im Klartext, die Vergesellschaftung sollte bis zu dem Grad voranschreiten, bei welchem der Staat die Fähigkeit hat bzw. oder vom Prozess her beim Entwickeln der Fähigkeit angekommen ist, um diese Betriebe zu leiten, wie es Lenin in seiner Schrift „Lieber weniger, aber besser“ (1) schrieb. Ein Bestandteil der Entwicklung des Sozialismus und kein 'äußerliches' oder nebensächliches Merkmal von ihm ist die öffentliche und individuelle Sicherheit einschließlich privaten Eigentums. Unzählige Milliarden Dollar gehen jedes Jahr durch Verbrechen verloren. Die Angst, die Einschüchterung, die privaten Sicherheitsmaßnahmen, Beschränkungen in der Bewegungsfreiheit und der Tageszeit, - dies alles hat seinen Preis. Insoweit hat Venezuelas Sicherheitssystem ein großes Ungleichgewicht. Im Allgemeinen gibt es hohe Standards für den grenzüberschreitenden Verkehr gegenüber Bedrohungen aus dem Ausland und zum Schutz der demokratischen Einrichtungen. Und es gibt niedrige Grade an Sicherheit bezüglich der Straßenkriminalität, des Bandenkriegs, der Wirtschaftskriminalität und Sabotage und / oder Fahrlässigkeit in den Schlüsselbereichen der Erdöl- und Elektrizitätseinrichtungen. Verbrechensprävention schließt ein, die Masse an Zustimmung bei den Wahlen in ein landesweites Netzwerk vor Ort organisierter Gruppen von Verbrechensbekämpfern mit der Unterstützung und unter dem Schutz von bewaffneten mobilen Einsatzkommandos mit Ausbildungsschwerpunkt in städtischer Verbrechensbekämpfung umzuwandeln. Die kubanischen Geheimdienst-Berater mögen Fachleute beim Bekämpfen politischer Terroristen sein, aber derzeit überschwemmt eine außergewöhnlich hohe Welle an Verbrechen die Städte Venezuelas. Dies spricht für die Notwendigkeit größerer geheimdienstlicher Aufklärungseinsätze gegen die Anführer der Gangsterbanden und ihre Komplizen in der Geschäftswelt, unter den Politikern und den Geldwäschern. Arbeitsplätze, Schulen und Sozialprogramme sind nicht genug gewesen, um die sich nach oben bewegende Spirale der Kriminalität zu stoppen. Das Verbrechen wächst nicht nur aus der sozialen Ausgrenzung, sondern aus einer rentier-ähnlichen Mentalität, in der ein hoher Konsum auf der Grundlage von Gewalttätigkeit und Raub an den wirtschaftlichen Schätzen als schnellster Weg zu sozialem Aufstieg angesehen wird. Die meisten Kriminellen plündern die Arbeiterklasse aus. Wenn die Arbeiterklasse die Basis des sozialistischen Übergangs ist, dann ist das Einsetzen der vollen Staatsmacht für die Erzwingung der Einhaltung der Gesetze eine wesentliche Verteidigung des Sozialismus und ein positiver Schritt beim Gewinnen wichtiger Teile der Mittelschichten. Die Kriminalität auf den Straßen ist eng mit den kriminellen Komplizenschaften in den Behördenbüros einschließlich hoher Polizei- und Justizbeamter, von denen einige behaupten, „glühende Chávezanhänger“ zu sein, verknüpft. Zweifellos würde die umfassende Herstellung der inneren Sicherheit von den US-gelenkten Medien als Nachweis von Chávez' 'Autoritarismus' ausgenutzt werden. Dies zugleich auch durch dieselbe Opposition, die derzeit wegen dem „von gesetzwidrigem Verbrechen durchdrungenen Caracas“ herumbrüllt. Aber, innerhalb der verfassungsmäßigen Regeln die Städte sicher für ihre Bürger zu machen, wäre höchst populär und brächte politisch und wirtschaftlich Gewinn. SCHLUSSBETRACHTUNGEN ANSTELLE EINER SCHLUSSFOLGERUNG Der venezolanische Übergang zum Sozialismus ist ein 'offener Prozess' mit enormen positiven Seiten als auch beachtlichen Hindernissen. Der großen Kraft aus der dynamischen und weitsichtigen Führung durch Präsident Chávez und seine breite Armee aus Unterstützern im Volk und ihm ergebenen Mitstreitern stehen ernste Herausforderungen aus dem Erbe der Rentier-Wirtschaft entgegen, wie sie in der herrschenden Klasse eingebettet sind und bis zu einem gewissen Grad in der Bevölkerungsmasse wirken. Wenn die Regierung zum Sozialismus voranschreitet, obliegt es ihren Chefs, die Kriterien für die Vergesellschaftung der Unternehmen zu verdeutlichen, die 'Spielregeln' zu bestimmen - im Klartext: Welche Firmen und Wirtschaftsbereiche nicht enteignet werden, welche Profitmengen akzeptabel sind, welche Bereiche für die Vergesellschaftung anvisiert sind, wo es joint ventures geben kann, wo Arbeiter die Betriebe verwalten, und wo das Privateigentum sein soll. KRITERIEN FÜR DIE VERGESELLSCHAFTUNG VON UNTERNEHMEN Die politische Sabotage; d.h. Eigentümer, die Kapital abziehen oder es ablehnen, dort zu investieren, wo Nachfrage besteht, - die horten oder bewusst die wirtschaftliche Tätigkeit im Bemühen drosseln, die öffentliche Politik zu unterlaufen und soziale Unzufriedenheit hervorzurufen. Der soziale Konflikt; jene kapitalistischen Firmen, die verweigern, sich an die Arbeitsgesetzgebung zu halten oder an Kollektivvereinbarungen mit den Gewerkschaften zu beteiligen oder Arbeiter willkürlich entlassen, dadurch Streiks und Aussperrungen provozieren. Diese Firmen sollten mit einem Leitungsteam aus Arbeitern, Verbrauchern und Ingenieuren vergesellschaftet werden. Ideologie; mit der Opposition und den Frontgruppen der USA kollaborierende Firmen sowie Firmen, die politische Zwecke über die wirtschaftlichen Aufgaben stellen, sollten Ziel von Vergesellschaftungen werden. Strategische Bereiche; Schlüsselbereiche und Firmen von entscheidender Rolle in der Wirtschaft wie das Bankwesen, das Finanzwesen, der Außenhandel, sollten vergesellschaftet werden und die für das Volk Politik Gestaltenden mit Mitteln ausstatten, um den wirtschaftlichen Mehrwert zu erlangen und neue Wachstumsbereiche zu erschließen. Gesellschaftlich strategisch wichtige Bereiche und die Erdölindustrie sowie Nahrungsmittelwirtschaft. Innovative kleine und mittlere Unternehmen sollten nicht vergesellschaftet werden. Diese Kriterien umfassen nicht alle vergesellschaftungsmöglichen Bereiche, sondern den notwendigen Teil für einen sozialistischen Übergang unter der Voraussetzung, dass der Staat die Fähigkeit hat, diese Unternehmen zu leiten. Unter keinen Umständen sollten Firmen vergesellschaftet werden, wenn sie dadurch erbärmlich inkompetenten Beamten oder Gewerkschaftsfunktionären übergeben werden, die sie ruinieren. Der Sozialismus ist kein Wettlauf, bei dem zugeschaut wird, wie viele Firmen in kürzester Zeit vergesellschaftet werden können. Im Fall von begrenzter Fähigkeit des Staates gibt es etliche alternative Wege. Der staatliche Eingriff, die Regulierung und die Besteuerung; um sicherzustellen, dass die Arbeitsgesetze erfüllt werden, die Gewinne gerecht verteilt werden. Die Unternehmer steigern die gesellschaftliche Konsumtion, die technische Entwicklung und die Ausbildung der Arbeiter. Produktionsausschüsse der Arbeiter: zur 'Durchsicht der Bücher' von Firmen zwecks Information der Belegschaft und Bereitstellen von Informationen für die Tarifverhandlung. Joint ventures zwischen öffentlichem und privatem Kapital: um das Marketing und die technischen Fähigkeiten der produktiven Kapitalisten gemäß dem sozialen Kriterium der öffentlichen und Arbeiter-Manager zu nutzen. Planung durch verbindliche und freiwillige Produktionsziele: Der privatwirtschaftliche Bereich, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, sollten nicht vergesellschaftet werden, vor allem dann nicht, wenn sie lebenswichtige Dienstleistungen erbringen (Erholung und Freizeitaktivitäten für die Masse des Volkes). Venezuela sollte nicht Kubas verheerender Politik von 1968 folgen, Tausende Privatunternehmern zu schließen, wo dann hinterher der Staat keinerlei Kapazität hat, sie zu ersetzen. Venezuela sollte auch nicht Kubas Politik von 1970 folgen, jener 'Spezialisierung' beim Warenexport in begrenzte Länder (den sowjetischen Block). Venezuela muss Leiter und Verwaltungsfachleute sowie kritische klassenbewusste Vorkämpfer aus der Arbeiterklasse für den öffentlichen Wirtschaftsbereich und den produktiven Bereich ausbilden. Die Leitung ist der Schlüssel zum Erfolg beim „sozialistischen Übergang“, denn Venezuela ist tief in den Weltmarkt verstrickt, welcher große Möglichkeiten und große Verluste zu bieten hat. Der Staat sollte in Betriebswirtschaft und technische Schulen investieren, die das sozialistische Kriterium für die Produktion, die Vermarktung, die Innovation, das Finanzwesen und die Buchhaltung entwickeln und anwenden. Dabei sollte Venezuela auf den Gebrauch von 'Modellen' verzichten, die sich auf die Ideologie des freien Marktes in den Lehrbüchern aus den USA gründen, sowie auf Handbücher aus der sowjetischen Zeit verzichten. Das Ziel sollte sein, die Schriften mutig umzusetzen, die Marx' Aufsätze zu den Besonderheiten einer Rentier-Wirtschaft kritisch anwenden, und die umgestalterische Führung, die Arbeiterbeteiligung an der Planung und die relative Selbständigkeit der Betriebe anzuregen.**** DAS GROSSE BILD: HERAUSFORDERUNGEN UND OPPORTUNISTEN Eine Rentier-Wirtschaft und -Gesellschaft in eine effiziente produktive und diversifizierte sozialistische Wirtschaft umzugestalten, ist ein sehr schwieriger, komplexer und lang andauernder Prozess. Rentier-Wirtschaften sind allgemein Enklaven der hohen Konsumtion, aus denen Erträge rausgezogen werden, die von den 'Kompradoren'-Kapitalisten (Importeuren) sowie den Geschäftsleuten im Finanz- und Immobilienbereich umgeben sind und von überbezahlten bürokratischen Eliten katastrophal verwaltet werden. Die Agrar- und industriellen Geschäftseliten transferieren die Erlöse aus der Produktion in die vorherrschenden Rentier-Wirtschaftsbereiche und konservieren so ihren rückwärtsgerichteten Charakter. Präsident Chávez hat einen erfolgreichen politischen Kampf beim Transferieren eines wesentlichen Teils der Erträge in die gesellschaftliche Konsumtion der Volksmassen geführt und einen politischen Rahmen sowie eine Ideologie geschaffen, um die Programme der gesellschaftlichen Konsumtion zu rechtfertigen und auszuweiten. Er hat auch die Kontrolle über den Schlüsselbereich (Erdöl) der die Erlöse erzeugenden Wirtschaft übernommen. Aber das gesamte parasitäre Zusammenspiel der damit vernetzten wirtschaftlichen Bereiche ist intakt geblieben und gedeiht: Die Profite bei den Finanzen, im Bankwesen, in der Immobilienbranche sind in die Höhe geschnellt. Die auf neue zu errichtende produktive Betriebe gegründete Diversifizierung in Verknüpfung mit den Produzenten der Rente, des Erlöses aus der Erdölwirtschaft, muss noch Gestalt annehmen. Aber die Schaffung dieser Betriebe ist die zentrale Aufgabe von etwas, was den Namen eines sozialistischen Übergangs wert wäre. Bis jetzt ist die Arbeiterklasse außerhalb der Rohstoffgewinnung an Zahl sehr begrenzt und ihre Angehörigen sind eher der Konsumentenmentalität als dem Klassenbewusstsein zugeneigt. Venezuela hat das Bewusstsein der Arbeiterklasse auf der Suche nach einer sozialistischen Arbeiterklasse gefördert, welches nicht vom Kassieren der Erlöse, ständig sich wiederholenden Mobilisierungen in Wahlkämpfen und kämpferischen Streiks wegen kleinkarierten Forderungen abhängig ist. Gegenwärtig dreht sich der Klassenkampf zwischen der Bourgeoisie und der Arbeit um die Anteile an der Rente, am Erlös, und die Standpunkte zu der die Erlöse scheffelnden Staatsbürokratie. Präsident Chávez hat erfolgreich die Kontrolle über die Wirtschaftsenklave erkämpft, in welcher die Rente, der Erlös, produziert wird. Und er hat die Masse der Bürger für über ein Jahrzehnt erfolgreich für die Wahlsiege mobilisiert. Die größte und strategisch bedeutendste Herausforderung besteht jetzt darin, jene politischen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Erfolge in eine produktive sozialistische politische Ökonomie umzusetzen. Eine, die eine große Umgestaltung der PSUV und des Staatswesens von unten her erfordert. Venezuela muss einen großen Schwenk hin zur Kompetenz in Technik, Vermarktung und Innovation machen, und nicht auf inkompetente „Partei-Ergebene“ und bürokratische Zeitansager vertrauen. Das Ideal besteht eher darin, Kader heranzubilden, die 'rot' und 'Experte' sind, als zwischen der einen und der anderen Art bei den Funktionsträgern die Wahl treffen zu müssen. Anmerkungen von Jens-Torsten Bohlke * 'Rentier' wird auch bei Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Iljitsch Lenin in den klassischen Werken des Marxismus-Leninismus bei der Kennzeichnung des parasitären, schmarotzenden Kapitalismus, seiner Fäulnis und Verrottung in seinem letzten und höchst entwickelten Stadium, dem Imperialismus, immer wieder angeführt. Als klassischer Rentier gilt der Kapitalist, welcher allein aus der Rente, d.h. vom Profit beispielsweise in Form von Mieterträgen sein Luxusleben genießt und somit in seiner gesellschaftlichen Stellung als Parasit und Schmarotzer lebt. Der bürgerliche Soziologieprofessor James Petras kennzeichnet mit seiner Bezeichnung Venezuelas und dessen Volkswirtschaft als 'Rentier' das alleinige Verwalten, Aneignen, Einsetzen und Abmelken von Teilen der Erlöse aus dem Erdölexportgeschäft dieses Landes durch die Bourgeoisie sowie zahlreiche Karrieristen im bürgerlichen Staatsapparat des Landes als schmarotzerhaft und parasitär, wie es die Klassiker des Marxismus-Leninismus hinsichtlich des Finanzkapitals, der Monopolbourgeoisie und des Imperialismus taten. ** Den Begriff des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ lehnen wir Marxisten-Leninisten ab, weil er wissenschaftlich nicht haltbar ist. Die Trotzkisten bedienen sich dieses Begriffs zur Diffamierung der sozialistischen Gesellschaft im heutigen Kuba sowie einst in der sozialistischen Staatengemeinschaft mit der UDSSR an der Spitze. Mit der Verwendung des Begriffs „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ bei dem bürgerlichen Soziologieprofessor James Petras wird deutlich, dass seine Einschätzung nicht auf den Marxismus-Leninismus gegründet ist. Zugleich verkündet Venezuelas radikal-demokratischer bis revolutionär-demokratischer Präsident Chávez selbst, den Aufbau des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in Venezuela bewerkstelligen zu wollen. Nach marxistisch-leninistischer Einschätzung kämpft Venezuelas Volk mit Präsident Chávez an der Spitze erfolgreich um die nationale Befreiung unter bürgerlich-demokratischen Verhältnissen sowie Bedingungen eines zugespitzten Klassenkampfes, ist jedoch von der sozialen Befreiung, der Errichtung der Diktatur des Proletariats, der kompromisslosen und endgültigen Zerschlagung der bürgerlichen Gesellschaft zugunsten des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft mit Entwicklungsrichtung hin zum Kommunismus noch einen großen Qualitätssprung weit entfernt. *** „Revolution in der Revolution“, „permanente Revolution“ sind trotzkistische Begriffe und haben mit der wissenschaftlichen Weltanschauung des Marxismus-Leninismus, der wissenschaftlich begründeten Revolutions- und Staatstheorie von uns Kommunisten nur insoweit zu tun, als es um Verfälschungen und Abkehr vom Leninismus geht. **** James Petras spricht sich hier deutlich gegen die zentrale Planwirtschaft aus, indem er die „relative Selbständigkeit der Betriebe“ (im Sozialismus!) und damit unausgesprochen die kapitalistische Anarchie der Produktion im kleinbürgerlichen Sinn favorisiert. Einfluss trotzkistischer Ansichten? Es gab auch Fehler und Schwächen im Prozess der Vergenossenschaftlichung und Verstaatlichung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln in sozialistischen Ländern wie der UDSSR, der DDR oder Kuba. Daraus wie James Petras unausgesprochen das jugoslawische Modell der Selbständigkeit der Betriebe in Belegschaftshand als besser und fortschrittlicher hinzustellen, ist historisch bewiesen schlicht falsch, wie die Wirtschaftskraft Jugoslawiens im Vergleich zu Ländern wie der DDR oder CSSR nachhaltig bewiesen hat. James Petras negiert sträflich, dass unter Stalin und kraft der zentralen sozialistischen Planwirtschaft aus dem wirtschaftlich rückständigen Erbe des zaristischen Russlands binnen nur drei Jahrzehnten die wirtschaftliche, militärische und politische Weltmacht UDSSR als sozialistisches Land dem Imperialismus Paroli zu bieten verstand. Eine Begründung für sein Ablehnen der Erfahrungen und Lehren aus der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft in der UDSSR gibt James Petras merkwürdigerweise nicht. Petras' Antisowjetismus passt mit seiner Parteinahme für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft nicht zusammen, zumal dieser Professor Lenins Werke zumindest gelesen hat und sich auf Lenin berufen zu können meint. Quellen: (1) Lenin, W.I.: Lieber weniger, aber besser. Prawda Nr. 49, 4. März 1923. In: Lenin Werke Bd. 33, S. 474-490. Gravierende Entwicklungsprobleme, notwendige Verbesserungen des Staatsapparats, Chancen für ein Überleben der Sowjetunion und Fragen der Weltrevolution http://petras.lahaine.org/?p=1914

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