Antifa-Demo im Polizeispalier
Zwei Männer und eine Frau stehen am Donnerstagabend vor einer Kneipe in Essen-Steele. Sie warten darauf, dass eine Demo der radikalen Linken vorbei zieht. »Da gehen hier 50 Leute spazieren, und die kommen mit ihrem Megafon«, empört sich einer der Männer. Das Unverständnis der drei für die Demonstranten ist groß. Gegenüber stehen drei Personen und klatschen, als die Antifaschisten vorbei ziehen.
Aus dem Aufruf zur Demo gegen die sogenannten Spaziergänge der »Steeler Jungs«, einer Neonazigruppierung, die sich als eine Bürgerwehr geriert, wollten Polizei und »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« Gewaltbereitschaft herausgelesen haben. Am Ende des Tages meldete die Polizei, die den Zug mit einem martialisch ausgerüstetem Großaufgebot durchgängig eskortierte, die Veranstaltung sei »störungsfrei« verlaufen. Vorab hatte es geheißen, man sei mit ausreichend Beamten vor Ort, um mögliche Tumulte »im Keim ersticken« zu können.
Dem Umgang mit den Antifaschisten gegenüber steht das Verhalten bei den seit mehr als zwei Jahren stattfindenden Märschen »Steeler Jungs«. Anna-Lisa Rotthaus, Sprecherin des Bündnisses »Steele dich ein«, das die Demo gegen die Rechten organisiert hat, berichtet, diese hätten anfangs nicht einmal Versammlungen anmelden müssen, wenn sie durch den Stadtteil zogen.
Dass die Polizei die »Steeler Jungs« gewähren lässt, zeigte sich auch am Donnerstag wieder. Im Stadtteil durften sie sich komplett frei bewegen. An ihrem Treffpunkt, der Kneipe »300« am Grendplatz, war kaum Polizei präsent. In der Folge bewegten sich die Rechten in Kleingruppen durch den Stadtteil. Zwei Tage zuvor waren »Fuck Antifa«-Graffitis und Hakenkreuze gesprüht worden.
Dagegen lehnte die Polizei sogar den Anmelder der Antifa-Demo ab. Nach einem Kooperationsgespräch unterstellte sie ihm eine »Abwehrhaltung gegenüber der Polizei«. Im dazugehörigen Bescheid fanden sich keine Gründe, die rechtliche Relevanz hatten. Auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen befand, die Auflage, es müsse einen anderen Anmelder geben, sei nicht rechtens.
Wie schon am
14. September die »Unteilbar«-Demo des Bündnisses »Essen stellt sich quer«, so durfte am Donnerstagabend auch die radikale Linke nicht am »300« vorbeiziehen. Die Bar ist ein Hotspot der extremen Rechten in Nordrhein-Westfalen. Sie wird von Christian »Bifi« Willing betrieben, einem der führenden Köpfe der »Steeler Jungs«. Laut Polizei ist er Mitglied der extrem rechten Hooligan- und Kampfsportgruppe »Alte Garde Essen« und Präsident der Bandidos MC Bottrop.
Die Polizei begründete die Auflage, dass die Demoroute nicht am »300« vorbeiführen dürfe, mit »wechselseitigen Straftaten« vor dem Lokal. Zweimal sollen demnach Mitglieder der Steeler Jungs Körperverletzungen begangen haben. Weiter führt die Polizei Schüsse auf das Kulturzentrum »Grend« an. Dieses ist ein Treffpunkt für Menschen, die von den Rechten bedroht werden oder Gewalt erfahren haben und sich gegen die Neonazis im Stadtteil organisieren. Als Beispiel für »Straftaten« der Gegenseite nennt die Polizei in ihrem Bescheid eine Beleidigung: »Scheiß Nazis« sollen zwei Menschen die Steeler Jungs genannt haben.
Anna-Lisa Rotthaus wertet es unterdessen als Erfolg, dass die Antifa am Donnerstag »sichtbar« war und den Neonazis Raum streitig machen konnte. In Redebeiträgen kritisierten Demoteilnehmer, dass die angebliche Gewaltfreiheit der »Steeler Jungs« nur ein Mythos sei. Zudem wurde darauf verwiesen, dass sich immer mehr rechte Bürgerwehren bilden, besonders im Rheinland und Ruhrgebiet.
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