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Das erste und das letzte Wort
Global Climate Strike« - unter diesem Motto hat die Klimabewegung Großes vor: In mehr als 2000 Städten in 130 Staaten auf allen Kontinenten gibt es allein an diesem Freitag Demonstrationen. Sie reichen vom Südpol bis nach Ny-Ålesund auf Spitzbergen, vom japanischen Yokohama in Japan bis nach Brikama in Gambia. Die Aktionen gehen auch nicht mehr nur von »Fridays for Future« aus, etliche Umweltorganisationen und Protestgruppen machen mit - teilweise mit Demos, teilweise mit zivilem Ungehorsam, etwa durch Straßenblockaden. Aufgerufen sind ausdrücklich nicht nur Schüler, sondern auch Erwachsene.
Anlass für den globalen Streik sind mehrere Gipfel der Staats- und Regierungschefs, die kommende Woche am Rande der UNO-Generalversammlung in New York stattfinden. Am Dienstag und Mittwoch geht es um den Stand der Umsetzung der 17 »Sustainable Development Goals« (SDGs) - die Ziele für nachhaltige Entwicklung haben sich die Vereinten Nationen 2015 selbst gesetzt haben, um die Welt bis 2030 in vielerlei Hinsicht besser zu machen. Sie reichen von der Bekämpfung des Hungers über die Gleichberechtigung aller Geschlechter bis zur Bekämpfung der Klimakrise.
Die Welt droht diese Ziele zu verfehlen, und zwar krachend. Besonders dringlich ist politisches Handeln einem UN-Bericht vom Juli zufolge bei der Klimakrise und bei der Bekämpfung sozialer Ungleichheit. »Vier Jahre nach dem Beschluss ist das globale Bild alarmierend«, fasste UNO-Generalsekretär António Guterres die Lage zusammen.
Bereits am Montag kommen die Staatsvertreter bereits zu einem »Klimaaktionsgipfel« zusammen. Es geht um das Herzstück des Pariser Weltklimaabkommens: die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Staaten zum Klimaschutz und ihre allmähliche Verschärfung. So soll die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius, höchstens aber auf zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt werden, um katas-trophale Folgen zu verhindern.
Was die Staaten zum Paris-Abkommen als Klimaziele bisher auf den Tisch gelegt haben, reicht aber hinten und vorne nicht aus. Selbst eine vollständige Erfüllung all dieser Ziele würde auf eine um drei bis vier Grad wärmere Atmosphäre hinauslaufen. Weil das abzusehen war, haben sich die Staaten in Paris darauf geeinigt, ihre Klimaziele alle fünf Jahre zu überprüfen und zu aktualisieren. Der erste Termin für neue und verbesserte Klimaziele ist das kommende Jahr. Jetzt müsste der Prozess also langsam losgehen - das ist es, was der New Yorker Gipfel bringen soll. »Ich habe den politischen Anführern gesagt, sie sollen nicht mit schönen Reden, sondern mit konkreten Plänen hierher kommen«, sagte UN-Chef Guterres im Vorfeld. Was Deutschland dort vorstellt, soll sich an diesem Freitag im Klimakabinett der Bundesregierung entscheiden.
Die entscheidende Sitzung der Großen Koalition in Berlin gibt dem Protest in Deutschland noch mal einen Extra-Kick. »Die Politikverdrossenheit liegt bei der Politik, nicht bei uns«, sagt Quang Anh Paasch, der den Berliner Protest mitorganisiert. »›Fridays for Future‹ ist in Deutschland seit neun Monaten auf der Straße, aber die Politik bewegt sich nicht«, meint Paasch. Es dürfte der bisher größte Freitagsprotest fürs Klima werden.
Dass die Gewerkschaften in Deutschland den Protest zwar unterstützen, aber nicht direkt zum Streik aufrufen, sieht man bei »Fridays for Future« nicht allzu kritisch. »Politische Streiks sind in Deutschland illegal«, meint Paasch verständnisvoll. Wichtig sei es, dass die sich politisch positioniert haben, sagt er. Manche Arbeitgeber, etwa von der Gruppe »Entrepreneurs for Future«, haben ihre Mitarbeiter sogar offiziell freigestellt.
Die Aktivistin Hannah Eberle erwartet, dass auch andere Arbeitnehmer teilnehmen werden. Sie spricht für das Bündnis »Ungehorsam für alle«, zu dem sich mehrere Gruppen zusammengeschlossen haben, die Aktionen des zivilen Ungehorsams für das Klima planen. »Wir setzen auf einen kollektiven Regelbruch«, erklärt sie. »Daran kann man teilhaben, indem man bei einer unserer Straßenblockaden mitmacht - oder auch schon, indem man ohne das Einverständnis des Arbeitgebers nicht zur Arbeit erscheint.« Solche Fälle könnten dann vor Gerichten landen, schließlich würden manche Arbeitgeber wohl Schadensersatz fordern. Was dabei herauskommen würde, ist aber nicht klar.
Dass Streiken hierzulande aus politischen Gründen schlicht und einfach verboten ist, stimmt so nämlich nicht. Das Streikrecht steht ohne Einschränkung im Grundgesetz. Als Mitarbeiter von Zeitungsbetrieben im Jahr 1952 für mehr Rechte im Betriebsverfassungsgesetz kämpften, entschied allerdings das Freiburger Landesarbeitsgericht, das sei nicht rechtens. Die Richter betonten hingegen auch, dass sie unter bestimmten Bedingungen anders entschieden hätten, zum Beispiel, wenn »für die Freilassung von Kriegsgefangenen oder gegen hohe Besatzungskosten oder gegen hohe Preise« demonstriert worden wäre. Wenn der politische Streik also im Sinne höherer Rechte argumentiert, ist er auch diesem Urteil nach legitim, könnte man schlussfolgern - wie es ja auch bei anderen Regelbrüchen der Fall ist, die sich auf das Prinzip des zivilen Ungehorsams berufen.
Indes hören die Klimaproteste mit dem 20. September nicht auf. Eine Woche später hat eine US-amerikanische Gruppe namens »Earth Strike« zu einem globalen Generalstreik aufgerufen. Eigentlich der Worst Case: Der harte Kern der Klimabewegung kommt vielleicht zweimal, viele Schulstreiker sind das wöchentliche Demonstrieren gewohnt. Aber die Massen, verteilen die sich dann?
Die Klimabewegung machte aus der Not eine Tugend. Die verschiedenen Gruppen und Organisationen haben das Ganze zu einer riesigen Aktionswoche erklärt. »Wir stehen mit ›Earth Strike‹ in Kontakt, wir kennen die«, sagt »Fridays-for-Future«-Aktivist Paasch. Die Schüler würden sich trotzdem auf den 20. September konzentrieren. »Aber wir sind zusammen eine Klimabewegung, wir lassen uns nicht trennen.«
Es hat ja auch etwas für sich: Die Bewegung hat so das erste und das letzte Wort beim Gipfelmarathon der Vereinten Nationen.
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