Samstag, 15. September 2018

Psychiatrische Fachkräfte fordern personelle Mindeststandards – zum Wohle von Patienten und Beschäftigten

Alltägliche Überlastung


Von Lenny Reimann
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Bedarfsgerechte Personalmindeststandards würden Patienten und Mitarbeitern helfen: Durchgangstür in der Psychiatrisch-Psychosomatischen Klinik im niedersächsischen Celle
Während die schwere Arbeitsbelastung von Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege in aller Munde ist, ist über die Situation von Angestellten in psychiatrischen Kliniken und Einrichtungen vergleichsweise wenig bekannt. Am Donnerstag abend lud der Fachbereich Gesundheit der Gewerkschaft Verdi zu einer Anhörung in die Berliner Bundeszentrale, um mit Politik, Selbstverwaltung und Beschäftigten über die Lage in psychiatrischen Kliniken und Fachabteilungen zu diskutieren.
Bereits 2016 hatte der Bundestag beschlossen, dass ab 1. Januar 2020 als Ersatz für die bisher geltende Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) neue Personalmindeststandards für stationäre psychiatrische Einrichtungen in Kraft treten sollen. Mit der Erstellung der Personalmindeststandards ist der unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagende Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), also das oberste Gremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen, beauftragt worden. Von dem Gremium hängt nun ab, wie es künftig um die Personalausstattung im Bereich der Psychiatrie bestellt sein wird.
Im Juni 2018 hatten sich über 100 Betriebs- und Personalratsgliederungen mit einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gewandt und ihre Sorge geäußert, dass der G-BA »seinem Auftrag nicht gerecht wird«. Die Mindestvorgaben müssten eine bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie jederzeit sicherstellen und zugleich »gute und sichere Arbeitsbedingungen« gewährleisten, wie es in dem jW vorliegenden Schreiben heißt. Darin beklagen die Mitarbeiter »alltägliche Überlastungssituationen« und eine gegen sie gerichtete »Zunahme von Gewalt und Aggression«. Ein verlässlicher Dienstplan sei aufgrund der schlechten Ausstattung mit Personal vielerorts »nicht mehr umzusetzen«. Zudem käme es wegen fehlender Mitarbeiter gehäuft zu Zwangsmaßnahmen, wie etwa der Fixierung von Patienten, heißt es in dem Schreiben weiter.
Tatsächlich besteht ein Zusammenhang zwischen den gegen die Patienten gerichteten Zwangsmaßnahmen und dem allgegenwärtigen Personalmangel. Die Zwangsfixierung ist eigentlich nur als letztes Mittel zulässig. Alternativ dazu stehen mildere Methoden wie etwa eine 1:1-Betreuung oder andere deeskalierende Maßnahmen zur Verfügung, die jedoch nur praktiziert werden können, wenn genügend Personal zugegen ist. Verbesserungen der Arbeitssituation würden sich also nicht nur positiv auf die Angestellten, sondern auch auf die Patienten auswirken.
Darüber herrschte bei einer Podiumsveranstaltung mit Politikern verschiedener Parteien, die Teil der Tagung war, Einigkeit. Während die CDU/CSU-Fraktion der Einladung erst gar nicht gefolgt war, hatte die FDP kurz vorher abgesagt. Vertreten waren daher nur die SPD mit Dirk Heidenblut, Bündnis 90/Die Grünen mit Maria Klein-Schmeink und Die Linke mit Sylvia Gabelmann. Letztere beließ es im Gegensatz zu ihren Mitdiskutanten nicht dabei, ein bisschen mehr Personal und bessere Standards zu fordern, sondern kritisierte das zunehmende Streben nach Profitmaximierung im Gesundheitsbereich. Für sie gehöre die Gesundheitsversorgung allein in öffentliche Hand, so die Bundestagsabgeordnete. Um auf die Probleme in psychiatrischen Einrichtungen aufmerksam zu machen, will Verdi im Oktober Aktionstage in den Kliniken durchführen.

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