Donnerstag, 27. September 2018

Streitpunkt Hambacher Forst



Bäume fällen für Kohleabbau: Mehrheit dagegen, Staatsgewalt dafür


Von Manuela Bechert

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Barrikadenbau am Sonntag im Hambacher Forst: Der Wald hat mittlerweile Symbolcharakter
»Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann« – diese Zeilen sind Anfang der 1980er Jahre von Umweltaktivisten in Deutschland aufgegriffen worden. Ursprünglich sollen sie von den Cree-Indianern stammen. Diese Einsicht scheint sich zur Zeit in der Bevölkerung, aber nicht im Staatsapparat durchzusetzen. Vergangene Woche ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid, dass 75 Prozent der Deutschen die Rodung des Hambacher Forstes ablehnen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung unterstützt jedoch das Vorhaben des Energiekonzerns RWE, den Wald für den weiteren Abbau von Braunkohle zu roden.
Während der Bundestag über neue Umweltzonen für Dieselfahrzeuge debattiert, wird der Hambacher Forst geräumt und seine Rodung vorbereitet. Das Innenministerium Nordrhein-Westfalens hält das Fällen der Bäume zugunsten des weiteren Braunkohleabbaus für unabdingbar – Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) pflanzte am Dienstag jedoch symbolisch einen Baum in Kamp-Lintfort, wo 2020 die Landesgartenschau stattfinden soll.
Im Hambacher Forst geht es längst nicht mehr nur um die Rodung des letzten übriggebliebenen Waldstückes Nähe Kerpen. Mittlerweile ist der »Hambi« zum mahnenden Symbol für eine Umweltpolitik geworden, die mit Umweltschutz nichts zu tun hat.
Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster über die Rechtmäßigkeit der Abholzung steht noch aus – sie wird nicht vor dem 14. Oktober fallen. Und bisher fehlen klare Belege dafür, dass die Rodung für den Tagebau unerlässlich ist, wie es der Genehmigungsplan der Bezirksregierung Arnsberg vorschreibt. »Die Inanspruchnahme des Abbauvorfeldes ist auf das betrieblich erforderliche Maß zu beschränken. Die ökologischen Funktionen sind möglichst lange zu erhalten«, heißt es darin. Eine breite Fläche ist aber bereits gerodet und vom Tagebau noch unberührt. Satellitenbilder zeigen nach einem Bericht der Deutschen Welle vom Montag, dass der Abstand zwischen Grubenkante und Waldkante im mittleren Bereich zwischen 450 und 600 Metern liegt.
Blende Fotowettbewerb
RWE und Landesregierung agieren jedoch, als sei die Rechtmäßigkeit unumstritten. Seit Tagen werden bereits Baumhäuser zerstört und Aktivisten von der Polizei aus dem Wald gezerrt.
Parallelen zur Auseinandersetzung um die atomare Wiederaufarbeitungsanlage im oberpfälzischen Wackersdorf drängen sich auf. Auch hier hatten sich Linksautonome, Umweltaktivisten, christliche Gruppen und Bürgerliche aus der Region verbündet, um das Vorhaben zu verhindern.
Während die Aktivisten im Hambacher Forst weiterhin versuchen, ihre Fahnen in den Bäumen hochzuhalten, droht angeblich sogar die weltweit organisierte Hackergruppe Anonymous in einem Video, die RWE-Server abzuschalten, bis der Konzern einen wirtschaftlichen Schaden erleide, von dem er sich nicht mehr erholen könne, sollte die Räumung des »Hambi« nicht sofort eingestellt und auf die Rodung verzichtet werden. Am Montag war die Website von RWE bereits nicht oder nur schwer zu erreichen.
Zum sonntäglichen Waldspaziergang mit dem Naturführer Michael Zobel im Hambacher Forst kamen zuletzt rund 7.500 Menschen. Am Montag ketteten sich Aktivisten an Betonklötzen unter den Gleisen der Hambachbahn fest und legten damit den Braunkohleabtransport für acht Stunden lahm. Greenpeace-Aktivisten projizierten am Dienstag großflächig das Statement »RWE lügt« auf einen Kühlturm. Solidaritätsveranstaltungen finden in ganz Deutschland statt. 740.000 Menschen sprechen sich mit einer Onlinepetition für die Rettung des Waldes aus.

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