Im Hambacher Forst tobt ein Kampf zwischen Privateigentum und Gemeinschaftseigentum, erinnert Alberto Acosta an einen alten Streit um Wald im Rheinland.
Im Rheinland wird heute über das Leben und das Recht auf Eigentum debattiert. Von den Tausenden und Zehntausenden, die sich in Deutschland für die Rettung der Überbleibsel des uralten Hambacher Forst einsetzen, wissen vielleicht nicht viele, dass 1842 ebenfalls ein Rheinländer über die Grenzen von öffentlich und privat nachgedacht hat. Auch bei ihm stand das Leben im Mittelpunkt. In mehreren Artikeln in der Rheinischen Zeitung diskutierte Karl Marx über die Grenzen des Privateigentums, wenn es mit dem Recht auf Überleben kollidiert. Privateigentum im bürgerlichen Sinne, das Marx klar vom Individualeigentum abgrenzt.
In einem Artikel zur Verteidigung der »Holzdiebe« schreibt Marx, dass beim Sammeln von Reisig keine Eigentumsrechte verletzt werden. Beim Sammeln des sogenannten »Raffholz dagegen wird nichts vom Eigentum getrennt.« Und: »Der Raffholzsammler vollzieht nur ein Urteil, was die Natur des Eigentums selbst gefällt hat, denn ihr besitzt doch nur den Baum, aber der Baum besitzt jene Reiser nicht mehr.« Seine Schlussfolgerung war kategorisch: Es ist Zeit das Partikularinteresse dem Allgemeininteresse unterzuordnen. Während das rheinische Parlament ein Gesetz beriet, um die »Holzdiebe« zu bestrafen, verteidigte Marx standhaft das Recht aufs Leben und den Zugang zu den Mitteln der Existenzsicherung.
In diesen kaum bekannten Zeitungsartikeln werden wir zu einer Auseinandersetzung mit Gemeinschaftsgütern und unveräußerlichen Gütern bewegt. Güter, wie der französische Philosoph Daniel Bensaïd anmerkt, die bisher Gefangene der Begierde des Kapitals waren. Die »ursprüngliche Akkumulation« von Marx, die in der »politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie« spielt, war eine Voraussetzung für die kapitalistische Akkumulation. Später kam im noch größeren Umfang die »Landnahme« (Rosa Luxemburg), durch die Eroberung der vorkapitalistischen Gesellschaften vor allem über koloniale Beherrschung dazu.
Heute kritisiert der US-Soziologe David Harvey die »Akkumulation durch Enteignung« durch die sich ausbreitende Vermarktlichung in allen erdenkbaren, zuvor unvorstellbaren Gesellschaftsbereichen. Der Uruguayer Eduardo Gudynas spricht von einer »extraktiven Akkumulation«, die in der Aneignung natürlicher Ressourcen und Anwendung von Gewalt mündet und dabei gegen die Menschenrechte und die Rechte der Natur verstößt. All diese Formen der Akkumulation breiten sich willkürlich über die wachsende, massive Ausbeutung der natürlichen Ressourcen immer weiter aus, jede Form des Lebens wird zu Geld gemacht. Der Hambacher Forst ist da keine Ausnahme.
Die Verteidigung des Hambacher Forst überschreitet Grenzen. Er reiht sich ein in eine lange Reihe von lebendigem Widerstand in jeder Ecke der Erde, etwa der aktuelle Kampf gegen den Bau einer Straße in Bolivien durch den TIPNIS-Nationalpark. Das Wohlergehen der Menschheit, das harmonische Zusammenleben mit der Natur und die internationale Solidarität markieren die Grenze der Würde. Eine Grenze, die gegen jeden Versuch des Kapitals verteidigt werden muss, das Leben zum Privateigentum zu machen.
Übersetzung: Benjamin Beutler
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