Der Sohn Heinrich des Verlagsgründers Brockhaus schwärmt in seinen Tagebüchern über eine Gegend bei Zittau: »Wenn irgendwo, so habe ich hier einen mächtigen Reiz empfunden, weilen zu können; man würde sich eben im Paradiese denken …« Der Ort: die Ruine eines alten Cölestinerklosters auf dem Berg Oybin, Caspar David Friedrich hat sie mehrmals gemalt, weil er von der romantischen Stimmung dort ergriffen war. Das Bild »Ruine auf dem Oybin« (um 1812) kam jetzt von den Brockhaus-Nachfahren als Dauerleihgabe an die Hamburger Kunsthalle, wo es schon Ende 1983/Anfang 1984 in der programmatischen Ausstellung: »Luther und die Folgen für die Kunst« zu sehen war. Dieses kleine Gemälde sei, wie es im Pressetext heißt, »weitgehend unbekannt und deshalb von der Friedrich-Forschung bisher wenig gewürdigt« worden. Wirklich? Das Motiv, das Friedrich symbolhaft ergänzte durch Altar, Kruzifix und Madonnenstatue an der Wand, er hat es in einem – auf den ersten Blick – ganz ähnlichen Bild von 1823 wiederholt. Durch die drei schmalen gotischen Fensterhöhlen des Chores scheint zartgelb das Morgen- oder Abendlicht. Im späteren Gemälde ist mehr Grün hineingewuchert. Der Titel »Huttens Grab« signalisiert größere Veränderung. Es gilt als Friedrichs politischstes Bild. Warum? Nicht der Altar, ein Sarkophag steht im Mittelpunkt – alles im dämmrigen Dunkel der Ruine verschwindend. Ein Mann in altdeutscher Tracht steht daneben, leicht gebeugt, um die Schrift auf dem Sockel entziffern zu können: »Hutten«. Die Werke des Ritters Ulrich von Hutten kamen, 1822 von Georg Andreas Reimer verlegt, neu heraus, nachdem sie von der Zensur verboten gewesen waren. Auch dadurch wurde der Ritter wiederentdeckt und als früher Patriot der Deutschen, ja als zweiter Hermann der Etrusker verehrt. Ein Gemälde von Friedrich (1813/14) zeigt das Grab des Arminius, so wie es sich der Maler vorstellte: eingebettet in tiefen Nadelwald und Felsen, ganz klein darin ein Steinsarg mit geöffnetem Deckel. Daneben ein Mensch (oder zwei), kaum zu erkennen. Die Natur verschlingt auch Helden. Dieses Bild hängt nicht in Hamburg, »Huttens Grab« ebenfalls nicht.
»Huttens Grab« ist auch ein Gedenkbild: zehn Jahre nach den Befreiungskriegen entstanden. Nicht nur Huttens Name findet sich auf dem Sarkophag. In kleiner Schrift: »Jahn«, »Arndt« und »Stein« – alle mit der Jahreszahl 1813 versehen. Auch »Scharnhorst«, der 1813 verwundet, starb. Friedrich bat Ernst Moritz Arndt am 12. März 1814 um eine Inschrift wegen eines Denkmals für den »edlen Scharnhorst« – nicht zu lang, »weil es mir an Platz fehlt«.
Mit dem Dichter und »Freiheitssänger« Theodor Körner war Friedrich befreundet. 1810 hatte Körner »Friedrichs Todtenlandschaft« besungen. Körner ging zu den Lützower Jägern, auch er starb 1813 einen Heldentod. Mitbegründer des Lützowschen Korps war Friedrich Ludwig Jahn, der durch Deutschland streifte, zur »Befreiung« aufrief – und nebenbei die Deutsche Turnerschaft gründete. Alles deutsch-national, alles gegen den Erzfeind Frankreich gerichtet. Dieser Jahn – später liebevoll »Turnvater« genannt –, Friedrich hat ihn als ersten auf dem Hutten-Bild genannt. Heraus ins Freie, in die Natur – das wollte auch der Maler. Aber nicht zu weit fort, nicht in den Süden, schon gar nicht nach Frankreich, zu den Barbaren. Auf dem Huttengrab-Bild steht keine Madonnenstatue an der Wand, sondern eine Fides- oder Ecclesia-Figur: geköpft. Soll heißen, der Feind war auch hier. Das Gemälde, eine Anklage, aber auf Friedrichs unauffällige Art. Dass die Nazis ihn später für sich entdeckten, ist nicht seine Schuld. Besonders der sich als Kunstkritiker gerierende Kurt Karl Eberlein, der in seinem Buch über Caspar David Friedrich ihn als Vorläufer der Hitler-Bewegung darstellt. 1806, als Napoleon »mit all seinen Gewalttätigkeiten« auch nach Dresden kam und Freunde Friedrichs verzweifeln ließ, »da deutete er auf den Adler in seinem Bilde hin«, und sprach: »Er wird sich schon herausarbeiten, der deutsche Geist, aus dem Sturme und den Wolken.« Eberlein zitiert den Philosophen Gotthilf Heinrich Schubert, der in seiner Selbstbiografie Friedrichs Worte dokumentiert: »Der Deutsche muss erst warm werden, ehe er den Arm erhebt, wenn er ihn aber einmal erhebt, da flutscht es, wie wir Pommern sagen …« Friedrichs »politisch-prophetische Deutung« sah nicht nur sein Hausgenosse, der Maler Johan Christian Dahl – Eberlein beutete ihn für seine Zwecke aus, den Nordländer, dessen Raum ein »Rasseraum ist, der seiner Kunst entspricht«. Genauso wie der deutsche Wald als »Rückzugsort der enttäuschten Volksseele«, wie es Volker Gebhardt in »Das Deutsche in der Deutschen Kunst« schrieb.
Zurück zum Ausgangspunkt, der »Ruine Oybin« in der Hamburger Kunsthalle. Welche Bedeutung dieses Gemälde für die Kunstgeschichte hat als Vorläufer von »Huttens Grab« – in Hamburg fand sich kein Hinweis darauf. Da musste erst am 15. August in der FAZ ein Artikel von dem Kunsthistoriker Stefan Trinks erscheinen, der diesen Zusammenhang deutlich und das ausgestellte Bild erst interessant machte.
»Huttens Grab« ist auch ein Gedenkbild: zehn Jahre nach den Befreiungskriegen entstanden. Nicht nur Huttens Name findet sich auf dem Sarkophag. In kleiner Schrift: »Jahn«, »Arndt« und »Stein« – alle mit der Jahreszahl 1813 versehen. Auch »Scharnhorst«, der 1813 verwundet, starb. Friedrich bat Ernst Moritz Arndt am 12. März 1814 um eine Inschrift wegen eines Denkmals für den »edlen Scharnhorst« – nicht zu lang, »weil es mir an Platz fehlt«.
Mit dem Dichter und »Freiheitssänger« Theodor Körner war Friedrich befreundet. 1810 hatte Körner »Friedrichs Todtenlandschaft« besungen. Körner ging zu den Lützower Jägern, auch er starb 1813 einen Heldentod. Mitbegründer des Lützowschen Korps war Friedrich Ludwig Jahn, der durch Deutschland streifte, zur »Befreiung« aufrief – und nebenbei die Deutsche Turnerschaft gründete. Alles deutsch-national, alles gegen den Erzfeind Frankreich gerichtet. Dieser Jahn – später liebevoll »Turnvater« genannt –, Friedrich hat ihn als ersten auf dem Hutten-Bild genannt. Heraus ins Freie, in die Natur – das wollte auch der Maler. Aber nicht zu weit fort, nicht in den Süden, schon gar nicht nach Frankreich, zu den Barbaren. Auf dem Huttengrab-Bild steht keine Madonnenstatue an der Wand, sondern eine Fides- oder Ecclesia-Figur: geköpft. Soll heißen, der Feind war auch hier. Das Gemälde, eine Anklage, aber auf Friedrichs unauffällige Art. Dass die Nazis ihn später für sich entdeckten, ist nicht seine Schuld. Besonders der sich als Kunstkritiker gerierende Kurt Karl Eberlein, der in seinem Buch über Caspar David Friedrich ihn als Vorläufer der Hitler-Bewegung darstellt. 1806, als Napoleon »mit all seinen Gewalttätigkeiten« auch nach Dresden kam und Freunde Friedrichs verzweifeln ließ, »da deutete er auf den Adler in seinem Bilde hin«, und sprach: »Er wird sich schon herausarbeiten, der deutsche Geist, aus dem Sturme und den Wolken.« Eberlein zitiert den Philosophen Gotthilf Heinrich Schubert, der in seiner Selbstbiografie Friedrichs Worte dokumentiert: »Der Deutsche muss erst warm werden, ehe er den Arm erhebt, wenn er ihn aber einmal erhebt, da flutscht es, wie wir Pommern sagen …« Friedrichs »politisch-prophetische Deutung« sah nicht nur sein Hausgenosse, der Maler Johan Christian Dahl – Eberlein beutete ihn für seine Zwecke aus, den Nordländer, dessen Raum ein »Rasseraum ist, der seiner Kunst entspricht«. Genauso wie der deutsche Wald als »Rückzugsort der enttäuschten Volksseele«, wie es Volker Gebhardt in »Das Deutsche in der Deutschen Kunst« schrieb.
Zurück zum Ausgangspunkt, der »Ruine Oybin« in der Hamburger Kunsthalle. Welche Bedeutung dieses Gemälde für die Kunstgeschichte hat als Vorläufer von »Huttens Grab« – in Hamburg fand sich kein Hinweis darauf. Da musste erst am 15. August in der FAZ ein Artikel von dem Kunsthistoriker Stefan Trinks erscheinen, der diesen Zusammenhang deutlich und das ausgestellte Bild erst interessant machte.
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