Donnerstag, 3. Mai 2018

[Chiapas98] EZLN diskutiert vor Wahlen in Mexiko mit Zivilgesellschaft (amerika21 v. 2.5.2018)

02.05.2018

EZLN diskutiert vor Wahlen in Mexiko mit Zivilgesellschaft

Bilanz der Kandidatur der Indigenen María de Jesús Patricio. Aufstellung der Aktivistin war gescheitert, Debatten konnten aber beeinflusst werden

San Cristóbal de las Casas.
In Mexiko hat die Guerillaorganisation Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) Intellektuelle, Künstler, Journalisten und Aktivisten nach San Cristóbal de las Casas eingeladen, um – auch mit Blick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen – das gemeinsame Vorgehen zu besprechen. Bei den Treffen wurde zugleich Bilanz einer Kampagne des Indigenen Regierungsrates (Concejo Indígena de Gobierno, CIG) gezogen. Dieses Gremium hatte in den letzten Monaten versucht, die Öffnung des mexikanischen Wahlsystems für parteiunabhängige Kandidaten zu nutzen, um die indigene Medizinerin María de Jesús Patricio alias "Marichuy" vom indigenen Volk der Nahua als Kandidatin für die Wahlen vom 1. Juli aufzustellen. Allerdings erreichte die Initiative nur etwa ein Drittel der knapp 870.000 nötigen Unterschriften.
Gleichwohl zog der Sprecher des EZLN, Subcomandante Galeano, ein positives Fazit der Anstrengungen der letzten Monate. "Wir haben mit maximal 100.000 Unterschriften gerechnet”. Zudem stellte er erneut klar, das Ziel der Initiative niemals sei die Beteiligung an den Wahlen gewesen. Vielmehr sei es den im Nationalen Indigenen Kongress (Congreso Nacional Indígena, CNI) organisierten indigenen Völkern Mexikos mit der CIG-Initiative darum gegangen, den Wahlkampf als Organisierungsplattform für antikapitalistische Bewegungen zu nutzen sowie dem "System und den Parteien die Party zu verderben”.
Auch María de Jesús Patricio bewertete die letzten Monate positiv, auch wenn sie versicherte, dass "es noch viel zu tun gibt.”
Neben Vertretern der EZLN und des CNI-CIG kamen auch zivilgesellschaftliche Unterstützer der Kampagne zu Wort. So beschrieb unter anderem der Schriftsteller Juan Villoro die immensen Schwierigkeiten im Umgang mit den nationalen Wahlbehörden, die den unabhängigen Kandidaten viele Steine in den Weg legten. Größtes Hindernis sei dabei die für die Registrierung der Unterschriften notwendige Handy-App gewesen. Diese sei nicht nur schwer zu bedienen und datenschutzrechtlich äußerst bedenklich. Viele marginalisierte Bevölkerungsteile seien zudem benachteiligt, da in Mexiko weder der Besitz eines Smartphones noch der Zugang zum Internet Selbstverständlichkeiten sind.
Neben der Auswertung der Kampagne diskutierte der Kongress auch generell die Lage Mexikos am Ende der sechsjährigen Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto, welche durch eine Eskalation des "Kriegs gegen die Drogen”, neoliberale Privatisierungen und massive Repression sozialer Bewegung gekennzeichnet war.
So berichteten etwa Journalisten von ihrer Arbeit und den immensen Anstrengungen, um angesichts von zunehmenden Drohungen, Aggressionen und Morden gegen Pressevertreter weiter kritisch zu berichten. 
Einen ganzen Tag widmete sich der Kongress auch dem Fall der 43 verschwundenen Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa, der bis jetzt immer noch nicht aufgeklärt ist. Mittlerweile sind nach vorsichtigen Schätzungen mehr als 32.000 Menschen in Mexiko verschwunden, häufig unter Beteiligung von Polizei und Militär.
Zudem berichteten indigene Aktivisten aus verschiedenen Teilen Mexikos von verschärftem Landraub durch eine Zunahme extraktivistischer Projekte und einem unverändert starken Rassismus gegenüber den mehr als 50 indigenen Volksgruppen Mexikos.
Doch gegen die Verzweiflung der Situation stellten die Teilnehmer des Kongresses die hoffnungsvollen Erfahrungen der letzten Monate und Jahre. So sprach Subcomandante Galeano von einem "Marichuy-Effekt”, der junge Frauen dazu motiviert, politisch aktiv zu werden und patriarchalische Strukturen auch in ihren eigenen Bewegungen anzugreifen. 
Außerdem sei der CNI-CIG durch die Kampagne sehr gewachsen. Vor allem die Reise María de Jesús Patricio durch 26 Bundesstaaten habe antikapitalistische und indigene Themen im Wahljahr auf die nationale Agenda gebracht.
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