Trotz des geplatzten Gipfeltreffens bleibt Nordkorea gesprächsbereit
Von Rainer Werning
Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un am Donnerstag bei der Einweihung einer Eisenbahnstrecke zwischen Koam und Dapchon
Foto: KCNA via REUTERS
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Seit Jahresbeginn haben sich die Regierungen der Republik Korea (Südkorea) und der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) aufgerafft, den seit 1972 vierten ernsthaften Anlauf für eine Annäherung zu nehmen und sogar – wie am 27. April durch die Staatschefs beider Länder zumindest symbolisch geschehen – die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrads zu überwinden.
Mehr noch: Während sich Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un zu Gesprächen über eine »Denuklearisierung« bereit erklärt, weitere Raketentests eingestellt, einen Tunnel der Atomanlage Punggye Ri in Anwesenheit internationaler Medienvertreter unbrauchbar gemacht und Vorbereitungen für ein erstes Zusammentreffen mit einem US-amerikanischen Präsidenten unternommen hatte, flankierte Südkoreas Präsident Moon Jae In diese Hoffnungszeichen mit einer eigenen politisch-diplomatischen Offensive. Zu Hause und in Washington unternahm er alles, um dem avisierten Gipfel am 12. Juni in Singapur zum Erfolg zu verhelfen und die US-Administration davon zu überzeugen, dass sich Kim Jong Un noch immer der ursprünglichen Vision eines atomaren Abrüstungsabkommens mit den Nordamerikanern verpflichtet fühlt, die sein Vater Kim Jong Il vor dessen Tod im Jahr 2011 zu verwirklichen versucht hatte. Das wurde auch einmal mehr von Nordkoreas Vizeaußenminister Kim Kye Gwan unterstrichen. Nachdem US-Präsident Donald Trump am Donnerstag das geplante Treffen abgesagt hatte, erklärte der Diplomat am Freitag gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA, Pjöngjang halte an seiner generellen Gesprächsbereitschaft fest. Nur auf diese Weise, so Kim, könne man zur Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel beitragen, was auch international im Sinne des Friedens wäre.
Aus US-imperialer Hochsitzperspektive spielte all das jedoch für die auf »America first« fixierte Führung keine Rolle. Mit der Gipfelabsage demonstrierte die Regierung in Washington einmal mehr, dass Verträge, Abmachungen und Absichtserklärungen Makulatur sind, wann immer es ihr opportun erscheint. Die selbsterklärte »Schutzmacht« USA brüskierte damit auch die auf eine Neuauflage der früheren »Sonnenscheinpolitik« bedachte Moon-Regierung in Seoul. Das ist eine höchst anschauliche Bestätigung einer vor Jahren getroffenen Feststellung von Donald P. Greggs, Washingtons Botschafter in Seoul von 1989 bis 1993. Dieser hatte der Politriege in Washington vorgeworfen, sie verfüge über keine konsistente Nordkorea-Politik, ihre Haltung gegenüber Pjöngjang sei lediglich aus Hass gespeist.
John R. Bolton, seit dem 9. April Trumps Nationaler Sicherheitsberater, wurde von dem langjährigen US-Armee- und Geheimdienstoffizier sowie CIA-Analysten Raymond McGovern als ein »Irrer« beschrieben, der nunmehr den Westflügel des Weißen Hauses bezogen habe. Tatsächlich hat sich dieser Bolton bereits früher öffentlich damit gebrüstet, die erfolgversprechende Annäherung zwischen Washington und Pjöngjang um die Jahreswende 2000/2001 zunichte gemacht zu haben.
Als Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit war Bolton US-Delegationsmitglied der seit 2003 von Beijing gesponserten »Sechsparteiengespräche« zur Entschärfung des Atomkonflikts mit Nordkorea. Aus dieser Delegation wurde Bolton entlassen, nachdem er Kim Jong Il öffentlich als »tyrannischen Diktator« eines Landes, in dem für viele »das Leben ein höllischer Alptraum« sei, genannt hatte. Er hätte es am liebsten gesehen, wenn Washington gegen Nordkorea militärisch vorgegangen wäre, und daran hält er bis heute fest. Da sage noch einer, Kim Jong Un sei »unberechenbar« und »irre«.
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