Sonntag, 27. Mai 2018

Das Maas ist voll (Ralph Hartmann)


Endlich! Endlich steht an der Spitze des Auswärtigen Amtes mit Heiko Maas ein Deutscher von echtem Schrot und Korn. Er zeigt allen, vor allem den Russen, wo der Hammer hängt, und schmiedet das Eisen, solange es noch warm ist. Er scheut nicht das offene Wort und macht Schluss mit dem zeitweiligen Gesäusel seiner Vorgänger Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel. Ohne Wenn und Aber stellte er in seinem ersten Interview nach Übernahme des Außenministeriums gegenüber dem Spiegel fest, dass Russland »leider zunehmend feindselig« agiere. Scharf prangerte er an, dass »erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs mitten in Europa geächtete chemische Waffen eingesetzt wurden, Cyberangriffe zu einem Bestandteil russischer Außenpolitik zu werden scheinen und Russland in einem so schwerwiegenden Konflikt wie in Syrien den UNO-Sicherheitsrat blockiert«. Zudem verabschiedete er sich von der Idee seiner Vorgänger, Sanktionen bereits abzubauen, wenn der Kreml nur einen Teil seiner Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen in der Ostukraine erfüllt. Es gebe klare Vereinbarungen, »die vorsehen, dass Sanktionen erst abgebaut werden, wenn Russland seine Verpflichtungen erfüllt«. Prinzipienfest betont er: »Pacta sunt servanda. Daran sollten wir uns halten.«

Das gilt selbstverständlich nicht für das wichtigste Wirtschaftsprojekt in den deutsch-russischen Beziehungen, den Bau der Pipeline Nord Stream 2, für die Gabriel noch gestritten hatte. Hier beugt Maas sich, elastisch wie er ist, den Forderungen der USA, der Ukraine und anderer osteuropäischer Staaten und lässt den neuen außenpolitischen Sprecher der SPD, Nils Schmid, zu Wort kommen: »Wegen der politischen Brisanz tun wir gut daran, das Projekt Nord Stream 2 in die EU-Erdgaspolitik einzubinden und uns gerade mit den Osteuropäern abzustimmen.« Vor allem Trump und Poroschenko werden es dem neuen Chef im Auswärtigen Amt danken.

Kristallklar ist dessen Haltung auch im Fall des vergifteten russischen Doppelagenten Sergej Skripal. Als zuverlässiger Alliierter wartete er das Ergebnis von Untersuchungen nicht ab und schloss sich der Einschätzung der britischen Regierung an: »Der Angriff in Salisbury hat uns alle in der Europäischen Union erschüttert. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde mitten in Europa ein chemischer Kampfstoff eingesetzt. Es ist klar, dass dieser Anschlag nicht ohne Folgen bleiben kann. Wir haben deshalb deutlich Stellung bezogen und uns in der Europäischen Union hinter Großbritannien gestellt.«

Mit seinem ausgeprägten Sinn für Wahrheit und Gerechtigkeit reagierte er auch auf den mutmaßlichen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Duma. Für ihn war von Anfang an sonnenklar, dass das eine verbrecherische Aktion des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad war. Wozu sollte er bei diesem Wissen das Ergebnis von Untersuchungen abwarten? So war es nur allzu verständlich, dass er die Luftschläge der NATO-Partner gegen Syrien als »ein angemessenes und erforderliches Signal« bezeichnete. Er befand sich damit in Übereinstimmung mit seiner Chefin, der Bundeskanzlerin, die ebenfalls keinerlei Zweifel hatte, dass »der Militäreinsatz erforderlich und angemessen [war], um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen«.

Ungeachtet dieser klaren Position erdreistete sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten festzustellen, dass die vorgebrachten Argumente für den Militärschlag nicht mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen sind. Mit anderen Worten: Die Angriffe seien völkerrechtswidrig gewesen. Ja, wo gibt es denn so etwas?

Das skandalöse Gutachten wurde ausgerechnet zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als Heiko Maas von seiner Unterstützung der Raketenangriffe auf Dialogbereitschaft umgeschaltet hatte und einen Vorstoß für eine Friedenslösung in Syrien ankündigte. »Gemeinsam mit Frankreich« wolle sich die Bundesregierung, so erklärte er, »für die Schaffung eines internationalen Formats einflussreicher Staaten einsetzen, das den politischen Prozess mit neuer Schlagkraft füllen kann«, Ziel sei zunächst ein Waffenstillstand. In einem zweiten Schritt müsse unter dem Dach der Vereinten Nationen eine dauerhafte Lösung ausgehandelt werden: Dann seien vor allem eine Übergangsregierung, eine Verfassungsreform und Wahlen erforderlich.

Das ist zweifellos ein toller, ein realistischer Friedensplan, vorausgesetzt Putin und Assad sind mit dem Klammerbeutel gepudert und akzeptieren ihn. Das ist leider unwahrscheinlich. Nach sieben Jahren mörderischen Krieges, des schwer erkämpften Sieges über den Islamistischen Staat und die weiteren von den USA, Saudi Arabien sowie anderen Staaten und deren Geheimdiensten unterstützten islamistischen Banden will Maas, selbstverständlich in bester Absicht, die Uhr zurückdrehen und doch noch einen Regime Change erreichen. Schließlich läuft die Bildung einer »Übergangsregierung« auf nichts anderes als auf die Ablösung Assads hinaus. Der deutsche Außenminister macht daraus kein Geheimnis. Nach seiner Auffassung ist eine langfristige Friedenslösung für Syrien nur ohne Präsident Baschar al-Assad möglich: »Dass jemand, der Chemiewaffen einsetzt gegen die eigene Bevölkerung, ein Teil dieser Lösung sein kann, das kann sich wohl niemand vorstellen.« Maas hat eine ganz andere Vorstellung. Er legte sie am 18. April in seiner Rede zu aktuellen Lage in Syrien vor dem Bundestag dar, wobei er erneut von der nie bewiesenen Beschuldigung ausging, das Assad-Regime habe wiederholt Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung eingesetzt: »Mit Chlorgas und Sarin sind unschuldige Frauen, Männer und Kinder auf unerträglichste Weise ermordet worden … Deshalb unterstützt Deutschland die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen geschaffene unabhängige Untersuchungskommission für Syrien. Ihre Aufgabe ist es jetzt, Kriegsverbrechen in Syrien zu dokumentieren und diese Dokumentation für spätere Gerichtsverfahren nutzbar zu machen. Wir wollen, dass die Kriegsverbrecher nicht ungeschoren davonkommen.« Im Klartext heißt das: Nach dem fehlgeschlagenen Sensationsprozess gegen Slobodan Milošević ist es an der Zeit, dem Kriegsverbrecher Assad den Prozess zu machen.

Alles in allem: ein wunderbarer Friedensplan. Böse Zungen behaupten allerdings, der neue bundesdeutsche Außenminister benehme sich wie ein Schrebergärtner, der Nutzpflanzen nicht von Unkraut unterscheiden kann. Und der Kabarettist und Schauspieler Uwe Steimle meinte mit Blick auf die nicht gerade lange Amtszeit an der Spitze des Auswärtigen Amtes kurz und bündig: »Das Maas ist voll.«

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen