IMI-JW
Mi 23.05.2018, 13:41
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.......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
der Hinweis auf die neue IMI-Analyse „Konzeption der Bundeswehr: Rüstung
für den Neuen Kalten Krieg“.
Zuvor aber noch ein Hinweis in eigener Sache: Ab dem 25. Mai 2018 gilt
ein neues europaweites Datenschutzgesetz, das es erfordert, über die
Nutzung personenbezogener Daten zu informieren. Die diesbezügliche
Datenschutzerklärung findet sich hier:
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IMI-Analyse 2018/13
Konzeption der Bundeswehr
Rüstung für den Neuen Kalten Krieg
http://www.imi-online.de/2018/05/19/kdb/
Alexander Kleiß, Tobias Pflüger und Jürgen Wagner (19. Mai 2018)
Mit zunehmender Eile plant Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
(CDU), die Bundeswehr in der kommenden Legislaturperiode weiter
aufzurüsten. Als konzeptionelle Grundlage soll hierfür die „Konzeption
der Bundeswehr“ (KdB) dienen, die seit Ende April 2018 im Entwurf
vorliegt. Mit der Begründung, die Landes- und Bündnisverteidigung sei in
den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden, propagiert die KdB
faktisch eine Rüstungsoffensive gegen Russland. Dies dürfe jedoch nicht
auf Kosten der Fähigkeiten für Militäreinsätze im Globalen Süden gehen,
was schließlich in Forderungen mündet, buchstäblich in alle Richtungen
zu rüsten – und dementsprechend auch Gelder bereitzustellen.
Konsequenterweise forderte von der Leyen auf der Bundeswehrtagung am 14.
Mai 2018, den Rüstungshaushalt trotz der hohen Steigerungen der letzten
Jahre noch einmal in einer ganz anderen Dimension aufzuplustern.
Dachdokument der Rüstung
Am 4. Mai 2018 zitierte die Süddeutsche Zeitung Auszüge aus der
„Konzeption der Bundeswehr“. Sofern in dem Dokument neue Weichenstellung
vorgenommen werden, hat dies weitreichende Auswirkungen, schließlich
handelt es sich dabei laut Planungsamt der Bundeswehr um das
„Dachdokument der Gesamtkonzeption der militärischen Verteidigung
Deutschlands.“ Und tatsächlich titelte die Süddeutsche Zeitung
„Deutschland am Hindukusch verteidigen – das war einmal“, wodurch
bereits im Aufmacher angedeutet wurde, Verteidigungsministerin Ursula
von der Leyen sei im Begriff, einen grundlegenden Kurswechsel
vorzunehmen: „Die CDU-Politikerin plant, die jahrelang vorherrschende
Fokussierung auf Auslandseinsätze, die unter anderem als Argument für
Einsparungen herhalten musste, zu beenden, und sich künftig
‚gleichrangig‘ wieder der Landes- und Bündnisverteidigung zu widmen.
Dies geht aus dem Entwurf des Grundsatzpapiers ‚Konzeption der
Bundeswehr‘ hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.“
Dazu ist einiges anzumerken: So ist die Behauptung, die Fokussierung auf
Auslandseinsätze habe „Einsparungen“ zur Folge gehabt ebenso sachlich
falsch wie der Titel des Beitrags, da „Hindukusch-Einsätze“ keineswegs
Geschichte sind, wie hier insinuiert wird. Im Artikel selbst wird ja
direkt darauf hingewiesen, dass beide Einsatzformen künftig
„gleichrangig“ behandelt werden sollen. Deutschland soll künftig eben
nicht nur am Hindukusch und in der Sahelzone, sondern zudem auch wieder
in Osteuropa und wo sonst auch immer man meint, Streit mit Russland
anfangen zu wollen, „verteidigt“ werden. Nichts anderes ist gemeint,
wenn von einer „gleichrangigen“ Fokussierung auf Auslandseinsätze und
Landes- und Bündnisverteidigung die Rede ist.
Russland wird im KdB-Entwurf zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber immer
wieder ist die Rede davon, dass aufgrund „der sicherheitspolitischen
Entwicklungen der letzten Jahre […] die Bündnisverteidigung wieder in
den Fokus der strategischen Überlegungen der NATO gerückt“ sei. Hierbei
könnten die Maßnahmen der Bündnissolidarität „der Bundeswehr absehbar
zusätzliche Leistungen und Fähigkeiten, besonders in den Randgebieten
der Bündnisse, aber auch aufgrund der besonderen Lage Deutschlands als
Transitland in der Mitte Europas und als Host Nation abverlangen“. Zudem
sollten aufgrund der „Relevanz der Landes- und Bündnisverteidigung“ alle
Angehörigen der Bundeswehr ihre Rolle hierbei identifizieren und sich
auch in der Ausbildung wieder verstärkt auf diese Aufgabe ausrichten.
„Abschreckung und Verteidigung auf Grundlage einer geeigneten Mischung
aus konventionellen, nuklearen und Raketenabwehrfähigkeiten“ seien
weiterhin ein Kernelement der Gesamtstrategie. Landes- und
Bündnisverteidigung sei außerdem „der bestimmende Parameter für die
Grundaufstellung der Bundeswehr“.
Und weiter: „Die Bundeswehr muss […] in der Lage sein, zur kollektiven
Bündnisverteidigung in allen Dimensionen mit kurzem Vorlauf, mit
umfassenden Fähigkeiten bis hin zu kampfkräftigen Großverbänden
innerhalb und auch am Rande des Bündnisgebietes eingesetzt zu werden.“
Am wahrscheinlichsten sei ein „konventioneller Angriff“ an den
Außengrenzen, deshalb müsse die Bundeswehr „über Kräfte und Mittel
verfügen, die nach kurzer Vorbereitung an den Grenzen oder jenseits des
Bündnisgebietes einsetzbar sind.“ Diese Formulierungen sind entlarvend,
lassen sie doch genug Spielraum, um die Bundeswehr auch für
Auseinandersetzungen in einem der aktuell noch „blockfreien“ Länder
zwischen der NATO und Russland hochzurüsten, in denen die Spannungen
seit Jahren zunehmen.
Gleichzeitig spricht die KdB aber eben auch von einer „permanenten
360-Grad-Bedrohung“ und meint damit nicht nur, dass die Konflikte mit
Russland inzwischen auch nördlich und südlich des Bündnisgebietes
ausgetragen werden, sondern dass man generell auch weiter global
interventionsfähig sein will. Schließlich könne es erforderlich sein, so
die KdB weiter, „Schifffahrt, Luftverkehr und Handelswege zu sichern.“
Hierfür könne auch ein „zeitlich begrenzter friedenserzwingender
Kampfeinsatz erforderlich werden.“ Und weiter: „Streitkräfte müssen
einen Waffenstillstand eischließlich der Einrichtung von
Flugverbotszonen, Puffer- und Schutzzonen und der Entwaffnung und
Rückführung der Konfliktparteien umsetzen.“ Kommt es dann zu einer
Intervention, stellt sich die Bundeswehr auch noch selbst die Lizenz
aus, gegebenenfalls direkt die Administration des betroffenen Landes zu
übernehmen – anders ist die folgende Passage nur schwerlich zu
interpretieren: „Ist das betroffene Land selbst nicht in der Lage, die
öffentliche Sicherheit und Ordnung umfassend sicherzustellen, kann die
Bundeswehr in einem ressortübergreifenden Ansatz vorübergehend auch
Ordnungsaufgaben wahrnehmen, deren Äquivalent im Inland von
nicht-militärischen Stellen geleistet wird.“
Der aktuell so lautstark artikulierte finanzielle „Mehrbedarf“ ergibt
sich deshalb vor allem daraus, das eine („Bündnisverteidigung“) wieder
tun, ohne das andere („Hindukusch-Einsätze“) lassen zu wollen. Das
Märchen von der kaputtgesparten Bundeswehr und die Verweise auf die – im
Wesentlichen vom Westen zu verantwortende – Eskalation der Beziehungen
zu Russland kommen dabei gerade recht, um Ausgabensteigerungen gegenüber
einer diesbezüglich sehr skeptischen Bevölkerung rechtfertigen zu
können. Tatsächlich geht es Politik und Militär dabei primär darum,
Deutschland damit endlich als ernstzunehmende Militärmacht ersten Ranges
auf der Weltbühne postieren zu können.
Bühler-Papier: Vorarbeiten
Neu sind all diese Überlegungen allerdings leider nicht: Wesentliche
Elemente der KdB sind bereits bekannt, seit im April 2017 die
„Vorläufigen konzeptionellen Vorgaben für das künftige Fähigkeitsprofil
der Bundeswehr“ von der FAZ veröffentlicht wurden. Verfasst unter der
Ägide von Generalleutnant Erhard Bühler wurden schon damals keine
Zweifel daran gelassen, dass der „Bündnisverteidigung“ und damit
faktisch der Rüstung gegen Russland künftig wieder mehr Bedeutung
zukommen soll. Deutschland müsse bis 2031 drei schwere Divisionen mit je
20.000 Soldaten in die NATO einbringen können, die erste bereits 2026.
Die Landstreitkräfte müssten dringend mit mehr Panzern und vor allem
schwerer Artillerie ausgestattet werden, aber auch bei der Luftwaffe und
der Marine existiere milliardenschwerer Rüstungsbedarf, hieß es schon im
Bühler-Papier (siehe IMI-Analyse 2017/11). Den nicht sonderlich zarten
Hauch von Kaltem Krieg, den das ganze vermittelte, fasste damals die
FAZ (19.4.2017) treffend mit den Worten zusammen: „Damit würden die
Divisionen wieder die klassische Struktur aus der Zeit vor 1990 einnehmen.“
Diese Hochrüstung gegen Russland ist überaus ernst zu nehmen, wie allein
schon ein ergänzender Blick in das vom Heereskommando Mitte 2017
herausgegebene Papier „Wie kämpfen die Landstreitkräfte künftig“ zeigt.
Darin wird ein detailliertes Szenario entworfen, wie die Bundeswehr
einen Landkrieg gegen Russland im Jahr 2026 gewinnen kann bzw. welche
Fähigkeiten hierfür beschafft werden müssen (siehe IMI-Analyse 2017/44).
Es folgte daraufhin Thesenpapier II „Digitalisierung von
Landoperationen“ sowie Nummer III „Rüstung digitalisierter
Landstreitkräfte“, in dem noch einmal lautstark für die Dringlichkeit
der Anliegen geworben wurde: „Das deutsche Heer bewährt sich seit mehr
als zwanzig Jahren in Auslandseinsätzen; um dies zu ermöglichen mussten
jedoch Fähigkeiten vernachlässigt oder aufgegeben werden. Die
Ausstattung des Heeres und die Fähigkeit zur Landes- und
Bündnisverteidigung haben darunter gelitten. […] Vor dem Hintergrund
dieser Entwicklungen und Rahmenbedingungen für die Fähigkeitsentwicklung
der Landstreitkräfte ist es erforderlich, ein gemeinsames Gefühl für die
Dringlichkeit der notwendigen Veränderungen zu entwickeln, eine höhere
Bereitschaft aufzubringen Risiken einzugehen und diese zu managen sowie
den Fokus klar auf das Schaffen von Fähigkeiten zu richten. Alles andere
hat sich dem unterzuordnen, denn nur so kann die Wirkungsüberlegenheit
deutscher Landstreitkräfte zurückgewonnen werden.“
Ungeachtet aller Ambitionen, auch künftig „Hindukusch-Einsätze“
durchführen zu wolle, sieht auch Verteidigungsministerin Ursula von der
Leyen bei der Aufrüstung gegen Russland aktuell den größten
Handlungsbedarf, wie sie unter anderem bei ihrer Rede auf der
Bundeswehrtagung am 14. Mai 2018 verdeutlichte: „Meine Damen und Herren,
die anspruchsvollste Aufgabe der Bundeswehr ist die Landes- und
Bündnisverteidigung. Sie ist die Messlatte für die Einsatzbereitschaft
der Streitkräfte. Und zugleich ist dies die Aufgabe, die in den
vergangenen 25 Jahren vernachlässigt wurde, um die priorisierten
Einsätze leisten zu können. Hier besteht der größte Nachholbedarf!“
Anschließend führte die Ministerin aus, wo man der Auffassung ist, sich
gegen Russland rüsten zu müssen – kurz zusammengefasst: überall: „Was
heißt Landes- und Bündnisverteidigung in Zukunft? Lackmustest wird
sein, ob und wie wir uns auf die hybriden Bedrohungen einstellen. Die
Truppe braucht dafür ein verlässliches Gerüst, aus dem heraus sie
handeln kann. Wir haben die Muster vor Augen: Fake-news Kampagnen um
Unruhe zu schüren; das Einsickern von irregulären Kräften an den
Rändern des Bündnisterritoriums; Cyberattacken gegen kritische
Infrastruktur, Regierungsnetzwerke und unsere Bankensysteme; die
Bedrohung durch Raketen jeglicher Reichweite und Wirkung; Angriffe auf
unsere Handelswege auf See; Einsätze von Drohnenschwärmen gegen zivile
Ziele; bis hin zur ‚klassischen‘ Verteidigungsoperation an der
Landesgrenze. Auf all das müssen wir uns neu ausrichten. Und zwar nicht
nur in der Programmatik und durch das Verfassen von Denkpapieren,
sondern durch ganz konkrete Maßnahmen bei Personal und Material, in der
Ausbildung, mit unseren Partnern und ressortgemeinsam.“
Randmeerkriegführung gegen Russland
Ein besonders anschauliches Beispiel, wie im KdB-Entwurf ein konkretes
Szenario für eine mögliche Konfrontation mit Russland ausgebreitet wird,
ist die „Randmeerkriegführung“. Im Entwurf heißt es: „[Die] Befähigung
zur Randmeerkriegführung […] bleibt unverändertes Ziel für die
Ausgestaltung der deutschen SeeSK. Im Rahmen der LV/BV spielen dabei der
Nordflankenraum der NATO und die Ostsee […] zunehmend eine wichtige
Rolle.“ Vor allem sei es erforderlich, für die „Baltischen Staaten“
falls nötig eine „Nachversorgung über die Ostsee“ sicherzustellen.
Um für derartige „Randmeerkriege“ gerüstet zu sein, wurde bereits
voriges Jahr der Ankauf von fünf weiteren Korvetten der Klasse K130
beschlossen. Im bundeswehr-journal wurde dazu der Inspekteur der Marine,
Vizeadmiral Andreas Krause, zitiert, dies werde es künftig ermöglichen,
sich „stärker um den vernachlässigten Raum der Nordflanke zu kümmern.“
Wie konkret diese Rüstungsbeschaffung auf Russland gemünzt ist,
verdeutlicht das Aufgaben- und Fähigkeitsprofil der K130, das in der
jungen Welt folgendermaßen beschrieben wurde: „Korvetten sind kleiner
und wendiger als etwa Fregatten. Sie sind ideal für Einsätze in
Küstengewässern und Binnenmeeren – für Einsätze in der Ostsee zum
Beispiel. Mit ihnen passt sich die Deutsche Marine also zielgenau an die
neue Feindbestimmung des deutschen Establishments an.“
Weitere Rüstungsprojekte
Zufrieden zog Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrem
Auftritt auf der Bundeswehrtagung am 14. Mai 2018 eine Rüstungsbilanz
ihrer letzten Amtsperiode. Die „Trendwende Material“ sei vollzogen, so
seien 181 Schützenpanzer (Puma), 51 Radpanzer (Boxer), 28
Transporthubschrauber (NH90), 31 Kampfhubschrauber (TIGER), 16
Transportflugzeuge (A400M) und noch vieles weitere der Bundeswehr
zugeführt worden. Für die kommende Legislaturperiode stünde nun unter
anderem die Auslieferung von 129 weiteren Boxern und von 15
Marinehubschraubern (SEA LION) an, so von der Leyen.
Zudem verfasste das Verteidigungsministerium bereits eine Art
Wunschzettel mit weiteren 18 Großbestellungen bei der Rüstungsindustrie.
Das Handelsblatt, dem die Liste vorliegt, berichtete bereits von der
geplanten Anschaffung von u.a. sieben neuen Rettungshubschraubern und
sechs Hercules-Transportflugzeugen (Typ C130-J), die für schnelle
Truppenverlegungen nach Osteuropa eingesetzt werden könnten. Auch die
ukrainischen Transportflugzeuge vom Typ Antonov AN 124 könnten diesen
Zweck erfüllen (und sogar großes Gerät, z.B. Helikopter,
transportieren), weshalb der gesicherte Zugang zu diesen auch von 2019
bis 2021 weiterhin vertraglich gesichert werden solle. Das
ukrainisch-russische Joint Venture SALIS ist für die Bereitstellung
verantwortlich. Ob Russland der Verlängerung des Vertrags zustimmen
wird, ist allerdings fraglich. Die Liste enthalte zudem einige
Verbesserungen für den Schützenpanzer Puma, einen Instandhaltungsvertrag
für den Hubschrauber NH90, Radartechnologie für den Kampfjet Eurofighter
sowie neue Uniformen, so das Handelsblatt. Vor dem Hintergrund einer
Aufrüstung gegen Russland ist auch die mögliche Anschaffung von 18
Raketenwerfern (MARS II) kritisch zu sehen. Raketenwerfer sind ein
typisches Instrumentarium für großangelegte, konventionelle, klassische
Kriege. Dies kann ebenso wie die geplante Anschaffung von mehreren
verlegbaren Gefechtsständen sowie 32 schweren Sattelzugmaschinen für den
Transport von Waffensystemen als Drohgebärde in Richtung Russland
verstanden werden.
Ungeachtet dieser umfassenden Liste stehen außerdem die ganz großen
Rüstungsprojekte, wie der Bau eines deutsch-französischen Kampfpanzers
(„Leopard-3“) oder das Kampfflugzeug („Future Combat Air System“) und
die Eurodrohne, die beide Länder (im Falle der Drohne zusammen mit
Italien und Spanien) entwickeln wollen, sogar erst noch an. Allein beim
Kampfflugzeug gehen Experten von einem Auftragsvolumen von mindestens 80
Milliarden Euro aus (siehe IMI-Analyse 2018/10), kein Wunder also, dass
sich die Rüstungsindustrie aktuell die Hände reibt. So äußerte sich etwa
Frank Haun, Chef des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei-Wegmann,
gegenüber dem Handelsblatt Ende April 2018 regelrecht euphorisch ob der
Zukunftsaussichten der Branche: „Wir hatten letztes Jahr den stärksten
Umsatz unserer Firmengeschichte, und wir werden mittelfristig
weiterwachsen. Wir haben alleine in Europa so altes Gerät im Einsatz,
dass man damit bald keine Soldaten mehr verantwortungsvoll in den
Einsatz schicken kann. Hier geht es um gepanzerte Systeme und
Artillerie. Das sind Megathemen, mit einem Gesamtvolumen in Europa von
über einhundert Milliarden Euro bis 2050.“
Dies ist umso ärgerlicher vor dem Hintergrund des ständigen Klagens
darüber, dass nur ein Teil des Militärgeräts der Bundeswehr einsatzfähig
sei. Deshalb ist es – vorsichtig ausgedrückt – bemerkenswert, dass Geld
für teure Großanschaffungen, die neue Kostenexplosionen nach sich ziehen
werden, plötzlich verfügbar sein soll. Viele Systeme sind nicht
einsatzbereit, weil die Rüstungsindustrie diese in mangelhafter
Qualität, zu spät und teurer als ursprünglich veranschlagt ausliefert.
Die Rüstungsindustrie wird dafür nun durch die Vergabe neuer
Großprojekte belohnt und subventioniert, obwohl das Material aus vorigen
Großprojekten nicht einmal einsatzbereit ist.
Schluck aus der Finanzpulle
Parallel zu den Forderungen nach immer neuen Rüstungsvorhaben nimmt die
Debatte um die deutschen Militärausgaben immer bizarrere Züge an. Nicht
enden wollende Artikelkolonnen lamentieren, die Bundeswehr sei in den
letzten Jahrzehnten auf verantwortungslose Weise kaputtgespart worden.
Exemplarisch warf der Tagesspiegel Kanzlerin Angela Merkel kurz vor
Beginn der Haushaltsdebatte Mitte Mai 2018 eine „Führungsschwäche“ vor,
die zur Folge habe, dass nicht genug in die Rüstung investiert und
Deutschland so zu einer „Möchtegern-Führungsmacht“ werde: „In einem
Bereich scheint die Regierung von allen guten Geistern verlassen: der
Verteidigungspolitik. Bis 2021 soll die Bundeswehr nur 5,5 Milliarden
Euro mehr erhalten. Gebraucht wird ein Vielfaches. Nicht irgendwann,
sondern jetzt. […] Allmählich entsteht das Bild einer irrationalen
Möchtegern-Führungsmacht. In der Analyse, was nötig wäre, ist man sich
einig. In der Praxis folgt – nichts.“
Dass diese Jammerei jeglicher Grundlage entbehrt, scheint dabei
niemanden sonderlich zu stören, obwohl die Zahlen doch bekannt sein
sollten: Der Etat stieg von 23,8 Mrd. Euro (2000) auf etwa 38,5 Mrd.
(2018) an und soll bis 2022 gemäß der Anfang Mai 2018 vom Kabinett
beschlossenen Eckwerte bei 42,6 Mrd. landen (hinzu kommen allein 2022
noch 1,17 Mrd., die als „Personalmittelverstärkung“ in den Einzelplan 60
(Allgemeinen Haushalt) verschoben wurden). Trotz dieser üppigen
Erhöhungen kann das Verteidigungsministerium den Hals ganz
offensichtlich nicht voll genug bekommen. Im Streit um noch größere
Zuwächse ließ von der Leyen bei ihrer Rede auf der Bundeswehrtagung
Mitte Mai 2018 eine Bombe platzen - nicht wie von den USA gefordert 2
Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sollten in den Militäretat
fließen, 1,5 Prozent sollten es aber schon sein: „Wir hatten den
Tiefpunkt unserer Verteidigungsausgaben gemessen am BIP in 2015 mit
1,1%. Nächstes Jahr, 2019, werden wir voraussichtlich 1,3% erreichen.
Und zum NATO- Gipfel in Brüssel werden wir anzeigen, dass wir für 2025
einen Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP von 1,5% erreichen wollen.“
Die Aussage ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Bisher handelte es
sich bei dem ominösen Zwei-Prozent-Ziel um eine nicht-bindende
Absichtserklärung, sich „in Richtung“ dieser Zahl zu bewegen – vager
lässt sich eine solche Abmachung kaum formulieren, auch wenn in den
Medien gerne so getan wird, als hätte sich Deutschland hier konkret zu
etwas verpflichtet. Nun eine speziell auf Deutschland gemünzte konkrete
Zahl anzuzeigen, hätte einen deutlich höheren Verbindlichkeitsgrad, der
es der nächsten Bundesregierung sehr viel schwerer machen würde,
dahinter zurückzufallen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit sich von der Leyen hier
mit wem abgesprochen hatte – mit der SPD jedenfalls nicht, zumindest
legen das die Reaktionen nahe. Allerdings scheint sich die
Verteidigungsministerin der Unterstützung der Kanzlerin zu erfreuen,
zumindest betonte Angela Merkel in der Haushaltsdebatte im Bundestag am
16. Mai 2018, sie fühle sich weiter dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO
„verpflichtet“. Deshalb seien höhere Ausgaben erforderlich, schließlich
gehe es dabei „nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung.“ Auch die
Antwort auf die Frage, gegen wen „ausgerüstet“ werden muss, blieb
Merkel nicht schuldig: „Durch die Ereignisse 2014“ sei die „Landes- und
Bündnisverteidigung wieder von größerer Bedeutung.“ Vor allem auch im
Cyberbereich müsse nachgelegt werden: „Die Hybride Kriegsführung ist
Teil der Militärdoktrin zum Beispiel Russlands“ so Merkel. „Und da sind
die gut und da müssen wir natürlich wehrhaft sein können, ansonsten
werden wir keine Chance haben.“ Um dies zu vermeiden sei es notwendig,
in „viel größerer Breite Material und Ausrüstung zur Verfügung zu
stellen, um die zusätzlichen Aufgaben, die wir heute haben, zu
bewerkstelligen.“
Schwer vorstellbar, dass Merkel angesichts derart markiger Sprüche die
Absicht hat, ihrer Verteidigungsministerin in die Parade zu fahren –
zumal einige in ihrer Partei ohnehin noch über von der Leyens Ideen
hinausgehen wollen. So forderte Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul
bereits einen Tag vor der Haushaltsdebatte sogar, die vom
Verteidigungsministerium geforderten 1,5 Prozent bereits im Jahr 2021 zu
verwirklichen.
Gruselig ist das vor allem deshalb, weil sich Prozentzahlen im unteren
einstelligen Bereich zwar auf den ersten Blick harmlos ausnehmen mögen,
sie sich bei näherer Betrachtung aber als riesige Summen entpuppen, die
dann für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen. Was die Aussagen
von der Leyens konkret bedeuten, beschreibt Spiegel Online unter
Berufung auf interne Quellen mit folgenden Worten: „Die Steigerung, so
von der Leyen, sei absolut notwendig, schließlich müssten alle
Verbündeten der Allianz mehr leisten. Ihre Zielmarke ist hoch gesteckt.
Internen Berechnungen zufolge müssten die Verteidigungsausgaben zum
Erreichen der 1,5-Prozent-Marke bis 2025 auf 62,5 Milliarden Euro
steigen, etwa 58 Milliarden davon würden ihrem Haus zufließen, vier
Milliarden gingen in andere Ressorts.“
Mit dem Entwurf der Konzeption der Bundeswehr und den anschließenden
Debatten um die Höhe des Rüstungsetats wurden weitere Weichen gestellt,
um mit Volldampf in einen Neuen Kalten Krieg mit Russland rauschen zu
können. Und das ist nicht nur friedenspolitisch eine Katastrophe,
sondern es wird die Bevölkerung auch buchstäblich teuer zu stehen kommen!
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