(Mexiko-Stadt,
11. Mai 2018, La Jornada/poonal).- Eine Errungenschaft der mexikanischen
Revolution war, dass die Hälfte der nationalen
Bodenfläche in Kollektivbesitz von indigenen und
kleinbäuerlichen Gemeinden übergegangen sind. Dies
bremste die Expansion von Extraktivismus- und
Mega-Infrastrukturprojekten sowie industriell
angelegten Monokulturen bis in die 1990er Jahre. Die
vergangenen vier -jeweils sechs Jahre dauernden-
Regierungsperioden werden den indigenen und
kleinbäuerlichen Dorfgemeinschaften jedoch als
diejenigen in Erinnerung bleiben, die einen neuen Raub
ihrer Territorien legalisierten.
Den
Anfang machte die Reform des Bergbaugesetzes von
1992 unter Präsident Salinas de Gortari und diente
2014 als Modell für die Reformen der Energie- und
Bergbaugesetzgebung unter Präsident Peña Nieto. Nun
wurde dem Bergbau, der Förderung fossiler
Brennstoffe sowie der Stromerzeugung (Wind, Wasser,
Sonne) der Charakter der „Gemeinnützigkeit“
zugeschrieben. Sie gelten als „prioritäre
Aktivitäten“ gegenüber jedweder anderen Nutzung des
Territoriums. Damit machten sie die Sicherheit des
Landbesitzes verwundbar. Heute bedrängen Konzerne in
vielen Regionen des Landes indigenen und
kleinbäuerlichen Gemeinden. Die Konzerne wollen
dieses Land an sich reißen, um dort, im Schutz der
neuen Gesetze, ihre Geschäfte voranzutreiben.
Jede vierte
Agrargemeinde muss sich mit dem Bergbau
auseinandersetzen
Der
Bergbau gehört zu den verbreitetsten Plagen für die
Gemeinden, von der Regierung wird er jedoch stark
begünstigt. Landesweit gibt es mehr als 25 Tausend
Bergbaukonzessionen, die etwa 37 Millionen Hektar
Fläche betreffen. Davon befinden sich 18,5 Millionen
Hektar in 8 000 Ejidos und Agrargemeinden – das
heißt, jeder vierte der sogenannten Agrarkerne
(Ejidos und Landgemeinden) muss sich mit einer
Bergbaukonzession auseinanderzusetzen. Auf der
genannten Fläche gibt es 13 000 Orte mit indigener
Präsenz. Von einem Tag auf den anderen sehen sich
tausende von Dorfgemeinden durch Konzessionen
bedroht, die die Regierung an Unternehmen vergibt,
ohne die Gemeinden zu benachrichtigen. Geschweige
denn, sie danach zu fragen, ob sie mit diesen
Vorhaben auf ihren Territorien einverstanden sind
oder sie zurückweisen.
Die
Dorfgemeinschaften wenden sich gegen die
Bergbaukonzessionen. Sie wissen, dass sie dadurch
früher oder später gezwungen sind, ihr Land und ihre
Lebensform aufzugeben. Die Ausbeutung der Vorkommen
geschieht überwiegend im Tagebau. Dieser zerstört
die Böden, das Wasser, Naturgüter und die Umwelt.
Der Tagebau bringt soziale Gewalt mit sich und
verunmöglicht den Kleinbäuer*innen ihren Lebensstil
beizubehalten. Die Bergbaugesellschaften erkunden
die Lagerstätten der Minerale mit Hubschraubern oder
Drohnen, um den Bewohner*innen aus dem Weg zu gehen,
die sich zumeist gegen ihre Absichten stellen. Sie
versuchen, Land aufzukaufen, die Dorfgemeinschaften
zu spalten, sowie die Behörden zu kaufen. Vor allem
die Bürgermeister*innen, denn diese haben die
Möglichkeit, die Bodennutzung umzuwidmen. Die
Konzerne versuchen, alte Konflikte mit
Nachbargemeinden auszugraben, um Spannungen zu
schaffen und den Widerstand zu schwächen. Lügen,
Druck und Drohungen kennzeichnen das Vorgehen.
Staat und
organisiertes Verbrechen mischen mit
Der
Entzug der indigenen Territorien unter dem
Deckmantel des Gesetzes geschieht mit enormer
Gewalt, an der auch das organisierte Verbrechen
beteiligt ist. Das Schreckensklima, das die
Dorfgemeinden erleben, erweist sich als sehr
nützlich, um die Bevölkerung zu paralysieren und
ihren Widerstand gegen die Installation der Projekte
zu blockieren. Die bestürmten Dorfgemeinschaften
befinden sich gegenüber den Projektbetreiber*innen
und deren Regierungsverbündeten klar im Nachteil.
Sie verfügen weder über Informationen noch
finanzielle Mittel. Um sich gerichtlich zu wehren,
brauchen sie Rechtsbeistand. Ihre
Führungspersönlichkeiten werden kriminalisiert,
verfolgt und angegriffen, weil sie das „Verbrechen“
begehen, zu verteidigen, was ihnen gehört. Die
schlimmen Praktiken im mexikanischen Bergbausektor
sind von internationalen Organisationen angeklagt
worden. Beim Index für
Ressourcengovernance 2017 vom Natural Resource Governance
Institute
kommt die Branche wegen Korruption, Gewalt und
staatlicher Kooption nur auf 60 von 100 Punkten.
Der
Bergbau vereinnahmt Territorien, die für den Anbau
von Lebensmitteln, die Forstwirtschaft, den
Naturschutz und die kleinbäuerlichen Kultur und
Lebensform wichtig ist. Der Staat hat die Gesetze so
reformiert, dass die Bergbaukonzerne Zugang zu Böden
haben, die ihnen nicht gehören. Er erlaubt ihnen,
Land zu vereinnahmen, Wasser zu verseuchen, Umwelt
und Landschaft zu zerstören, darunter archäologische
Stätten. Er ermöglicht ihnen, sich in
Naturschutzgebieten zu installieren und zwingt die
Arbeiter*innen, sich unternehmernahen Gewerkschaften
anzuschließen, die sie in keinster Weise vertreten.
Profitiert haben davon etwa 350 Unternehmen – vor
allem aus Kanada, den USA und China sowie ein
Dutzend mexikanischer Unternehmer, die auf der
Forbesliste zu finden sind.
Seit
2013 müssen die Bergbaukonzerne in Mexiko
tatsächlich Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Vorher
waren sie davon weitgehend befreit. Prompt fiel das
Land von 2014 bis 2016 beim internationalen Index
für die Attraktivität von Investitionen im
Bergbausektor vom 24. auf den 50. Platz. Trotz
Energiereformen und Begünstigungen sind die Konzerne
nicht zufrieden. Sie führen an, dass die
Unsicherheit, die Schwierigkeit, sich auf
Gemeindeland zu installieren sowie höhere Steuern
ihnen große Steine in den Weg legen. Sie fordern,
der Staat solle das Gesetz gegen widerspenstige
Ejidos und Agrargemeinden anwenden. Der mexikanische
Kongress soll ihnen erlauben, alle Kosten für die
Erkundungs sowie die „Überzeugungskosten“, wie
Kliniken, Schulen und Wege für Dorfgemeinden,
steuerlich absetzen zu können.
Die
Selbstbestimmung der indigenen Völker über ihre
Territorien muss Ausgangspunkt für jedes Vorhaben
sein. Die Politik, die die Ausplünderung des Landes
zugunsten einer Handvoll Unternehmen möglich macht,
muss ein Ende finden.
Dieser Beitrag ist Teil eines Dreiteilers von der
mexikanischen Journalistin Ana de Ita zur Situation
auf dem Land in Mexiko.
Teil 3: Untergrabenes Feld
Chiapas98 Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
Chiapas98@listi.jpberlin.de
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen