Gefangene in den USA protestieren gegen Zwangsarbeit. Unterstützung auch außerhalb der Knäste. Behörden gehen gegen Aktivisten vor
Von Jürgen Heiser
Gefangene sind billige Arbeitskräfte für die US-Industrie (Yucaipa, Kalifornien, 2014)
Foto: Lucy Nicholson/REUTERS
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In den USA ist ein Gefangenenstreik gegen staatlich verordnete Zwangsarbeit erfolgreich beendet worden. Für die Zeit vom 21. August bis 9. September hatten organisierte Häftlinge landesweit zu Aktionen aufgerufen. Die Beteiligung war größer als erwartet, wie die Aktivisten im »undemokratischen Sektor« des Landes hinter den Knastmauern feststellten. Auch war die Solidaritätsbewegung draußen so stark wie lange nicht. Zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen entfachten in der Folge ein insgesamt größeres Interesse der lokalen und überregionalen US-Medien.
Mit Arbeitsniederlegungen, der Verweigerung der Nahrungsaufnahme und vielfältigen gewaltfreien Aktionen des zivilen Ungehorsams machten die Häftlinge die Öffentlichkeit erneut auf das Problem aufmerksam, dass weit über eine Million der rund 2,3 Millionen Gefangenen ohne Lohn zur Arbeit gezwungen werden. In Knastfabriken oder in Außenkommandos als Feldarbeiter, Feuerwehrleute und in Bautrupps oder als »Hausarbeiter« in Küchen und Reinigungsdiensten der Knäste schuften sie ohne die Minimalbedingungen von Entlohnung und Arbeitsschutz, die in gut 150 Jahren seit dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs von der multiethnischen Arbeiterbewegung der USA erkämpft wurden.
»Die Sklaverei wurde nie beendet«, lautete deshalb das zentrale Motto der Protestaktion des Gefangenenkollektivs »Jailhouse Lawyers Speak« (JLS). Obwohl nach dem Bürgerkrieg zwischen den industriell entwickelten Nordstaaten und den durch Sklavenarbeit zu Wohlstand gekommenen Plantagenstaaten des Südens der USA mit dem 13. Zusatzartikel zur US-Verfassung Sklaverei und Zwangsarbeit offiziell verboten wurden, gilt bis heute die »rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat« als Ausnahme. Das wollen die Streikenden nicht mehr tatenlos hinnehmen.
Wie bei den letzten großen landesweiten Streikkampagnen im September 2016 und im Januar 2018 war auch jetzt wieder eine der zentralen Forderungen der Streikenden die Einführung einer tarifgerechten Bezahlung. Zudem verlangten sie ein wirksames Beschwerderecht und eine grundlegende Strafrechtsreform. Diese soll bewirken, dass bei kleinsten und gewaltlosen Delikten keine langen Haftstrafen mehr verhängt werden und die gängige rassistische Praxis abgeschafft wird, vor allem Schwarze und Latinos mittels hoher Haftstrafen massenhaft der ständig wachsenden Knastindustrie als Arbeitssklaven zuzuführen.
Dem sogenannten Insourcing – der Verlagerung von Arbeitsplätzen nicht in Billiglohnländer (»Outsourcing«), sondern in Produktionsstätten im Strafvollzug – haben die Streikenden den Kampf angesagt. Hier suchen sie auch den Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Es gehe nicht an, dass »von 100 US-Bürgern einer im Knast sitzt und die Arbeitssklaven gegen die Beschäftigten draußen ausgespielt werden«, kritisieren Aktivisten auf der Internetseite »It’s Going Down«.
Das Incarcerated Workers Organizing Committee (IWOC), einer der Protagonisten der Streikbewegung im Herbst 2016, listete am 11. September 2018 auf seiner Website Orte und Details der Streikbewegung auf, wonach sich Häftlinge in zuletzt 34 US-Haftanstalten in 17 US-Bundesstaaten von New York bis Kalifornien und von Michigan bis Florida und sogar im ostkanadischen Halifax beteiligten. Laut IWOC setzten einige Streikkollektive ihre Boykotte, Arbeits-, Hunger- oder Sitzstreiks auch noch über den 9. September hinaus fort.
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