Dienstag, 19. August 2014
Steinmeier im Irak: Scheinheilige Politik gegenüber kurdischer Bewegung
17.08.14 - In der Nacht auf Samstag um 3.14 Uhr landete das erste von fünf Bundeswehr-Transall-Transportflugzeugen in Erbil. Sie bringen Hilfsgüter aus Deutschland in die Hauptstadt der kurdischen Region im Nordirak. An Bord der Maschinen befinden sich 36 Tonnen humanitäre Hilfsgüter - Medikamente, Lebensmittel und Decken. Wenig Stunden später landete Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Irak. Er will mit den "politisch Verantwortlichen in Bagdad und Erbil" beraten.
"Es kommt jetzt darauf an, dass ein europäisches Unterstützungspaket zustande kommt, das denen wirklich hilft, die den Vertriebenen Schutz gewähren und die sich gegen die IS-Bedrohung zur Wehr setzen", so Steinmeier in der "Bild am Sonntag". Würde dieser fromme Wunsch auch nur ansatzweise der Wahrheit entsprechen, hätte die Bundesregierung spätestens im Sommer 2013 aktiv werden müssen.
Seitdem verteidigen die kurdischen Selbstverteidigungskräfte (YPG) mit hohem Blutzoll in Syrien ihr Gebiet Rojava gegen die islamistisch-faschistischen IS-Banden. Dort haben Zehntausende syrische Flüchtlinge aus allen Ethnien und Religionen Schutz gefunden. Damals war es die revolutionäre Weltorganisation ICOR, die eine weltweite Kampagne der Solidarität und Unterstützung für Rojava durchführte (mehr dazu). Im November 2013 startete die erste Lieferung mit Babynahrung und Medikamenten (mehr dazu). Auch in dieser Woche waren es vor allem die YPG-Einheiten und PKK-Kräfte, die über 100.000 Menschen vor allem Yeziden aus der Sinjar-Region nach Rojava evakuiert haben.
All das unterstützt die Bundesregierung aber in keiner Weise. Ohne Widerspruch der Bundesregierung beteiligt sich das NATO-Land Türkei bis heute an einer Blockade und einem Embargo gegenüber Rojava. Auch am gestrigen Samstag attackierte die Türkei kurdische Kräfte in Dersim mit Drohnen und schweren Waffen. Die Türkei ermöglichte IS-Truppen den Durchmarsch und lässt ihre Grenzen für deren Nachschub offen. Im Gegensatz zur IS ist die PKK, die den kurdischen Befreiungskampf in der Türkei führt, in Deutschland verboten. Mehrere ihrer Mitglieder sind auf deutschem Boden inhaftiert.
Steinmeier und der Bundesregierung geht es nicht um den Schutz und die Interessen des kurdischen Volkes: "Ein unabhängiger Staat der Kurden würde die Region weiter destabilisieren und neue Spannungen hervorrufen, möglicherweise auch mit Nachbarstaaten des Irak." Damit erteilt Steinmeier einem kurdischen Staat eine Absage und beginnt hinter vorgehaltener Hand, eine Drohkulisse aufzubauen - mit einer Attacke der Türkei, dem "Nachbarstaat des Irak".
Ausgerechnet Steinmeier wirft den Kurden eine Destabilisierung der Region vor. Der Außenminister, dessen Land zu den wichtigsten Rüstungslieferanten Saudi-Arabiens zählt. So genehmigte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im ersten halben Jahr seiner Amtszeit Rüstungslieferungen über 31 Millionen Euro nach Saudi-Arabien. Saudi-Arabien wiederum ist eine der wichtigsten Unterstützungsquellen der IS-Terroristen. Was für eine Bigotterie: Die Bundesregierung hat keine Probleme das autoritäre, menschenrechtsverletzende Saudi-Arabien mit Waffen zu beliefern. Um eine mögliche Unterstützung an kurdische Kräfte wird dagegen ein Eiertanz sondergleichen aufgeführt.
In der deutschen Bevölkerung herrscht zurecht größte Skepsis. 74 Prozent lehnen nach einer Emnid-Umfrage Ende dieser Woche Waffenlieferungen an kurdische Kräfte ab. Gegenüber einem Bundeswehreinsatz sind es sogar 81 Prozent Ablehnung. Die Frage ist aber nicht nur was, sondern vor allem an wen und warum etwas geliefert wird. Egal, ob die Bundesregierung Decken, Waffen, Schutzausrüstung, Soldaten oder ihren Außenminister schickt, es geht immer nur um die Außenpolitik im Interesse der deutschen Monopole.
Deshalb fließt auch weiterhin keine deutsche Hilfe nach Rojava, wo revolutionäre, fortschrittliche Kräfte eine Selbstverwaltung organisiert haben. Deshalb verhandelt Steinmeier auch weder in Rojava noch mit Vertretern der PKK. Er reist lieber zu Massud Barsani, dem Präsidenten der Region Kurdistan im Irak. Ein treuer Verbündeter der USA sei Jahren. Vor allem er schreit - im Gegensatz zu den YPG- oder PKK-Kräften - nach Waffen, Militärausbildung und US-Luftschlägen. Dabei waren es seine Peschmerga-Truppen, die sich vor IS zurückzogen und die Zivilbevölkerung in Sinjar im Stich ließen. Und er beteiligt sich an der Blockade gegen Rojava.
Höchste Wachsamkeit ist geboten, wenn die Bundesregierung und andere westliche Imperialisten ihre reaktionären Stellvertreter und Vasallen um Basani aufrüsten wollen. Das richtet sich vordergründig gegen IS, aber auch gegen den Freiheitskampf des kurdischen Volkes.
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