Samstag, 17. Dezember 2016
Reichsbürger versenden Briefe für 6 Cent
Verfasser des Leserbriefes zum Thema „Schwarzfahren“ ist Raphael H., der am Schluss seines Schreibens anmerkt: „Sollten Sie für diesen Brief Nachporto bezahlen müssen, lassen Sie es mich wissen. Ich übernehme selbstverständlich die Kosten.“ Das machte die Redaktion der Nürnberger Zeitung natürlich neugierig und der Blick fiel auf den Briefumschlag. Dieser war mit zwei 3-Cent-Briefmarken frankiert. Außerdem enthielt der Umschlag den Aufdruck „non domestic FRG“. Bei dieser so frankierten Sendung musste die Redaktion nach eigenen Angaben kein Nachporto entrichten. Die Sendung wurde ordnungsgemäß zugestellt.
Die Recherche der Redaktion zu dieser außergewöhnlichen Briefsendung führte schließlich zu folgenden Resultaten: Bei den Briefmarken handelt es sich um sog. Ergänzungsmarken, hier mit einem Ergänzungswert von 3 Cent. „Damit nicht aufgebrauchte Briefmarkenbestände weiter verwendet werden können“, heißt es in der Info der Deutschen Post.
Nach dem aktuellen Posttarif muss ein Standardbrief bis 20 Gramm seit Jahresbeginn mit 70 Cent frei gemacht werden. Wie kann der Leserbrief dann mit nur zwei 3-Cent-Briefmarken trotzdem ohne Nachkosten den Empfänger erreichen? Und was bedeutet der Aufdruck „non domestic F.R.G.“? Dieser Begriff steht für „nicht innerstaatlich BRD“. Auf den Reichsbürgerseiten im Internet wird dargelegt, dass dieser Brieftarif das Resultat eines Abkommens zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem Weltpostverein aus dem Jahr 1875 sowie dem Reichspostgesetz von 1871 sei.
Da nach Ansicht der Reichsbürger völkerrechtlich noch die Gesetze des Deutschen Reiches gelten, müsse die „Bundespost entsprechend gekennzeichnete Briefe für ermäßigtes Porto“ befördern. Die Deutsche Post hingegen stellt klar: „Das Gerücht, wonach laut Weltpostvertrag Briefe auch dann befördert würden, wenn sie nur mit 3 oder 4 Cent frankiert sind, entspricht nicht den Tatsachen.“ Der Weltpostvertrag besage gar nichts über nationale Preise und Tarife. Er regele ausschließlich die Endvergütungen für grenzüberschreitende Sendungen. Und dabei wiederum würden die Vergütungen zwischen Postunternehmen geregelt, nicht die Preise für die Kunden/Absender.
Der Leserbriefschreiber hatte demnach einfach nur Glück, dass seine Sendung bei täglich 64 Millionen Briefen einfach durchgerutscht ist. Die „unterfrankierte Beförderung“ dient somit nicht als Beweis für die Reichsbürger-Theorie.
Zum Schluss erwähnt die Nürnberger Zeitung noch eine Aktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung aus 2014: Damals wurden in einem Experiment zwölf erheblich unterfrankierte Briefe versandt. Neun davon sind ordnungsgemäß angekommen. Als Ursache machte man damals aus, dass in den Briefzentren der Post keine ausreichenden automatisierten Kontrollen stattfänden. Es scheint so, als wäre das auch heute noch so.
Fundstelle:
Nürnberger Zeitung vom 16.02.2016
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