Samstag, 17. Dezember 2016

Die Europäische Kriegsunion (II)

Zwar verzeichneten die EU-Staaten, lt. Rüstungs-Aktionsplan, zusammengenommen „weltweit die zweithöchsten Militärausgaben“; doch stehe die EU weiterhin hinter den USA zurück, und sie kranke zudem „an einem ineffizienten Einsatz der Mittel, der auf Doppelstrukturen, mangelnde Interoperabilität und technologische Lücken zurückzuführen ist“.

kollwitz_kriegDie imperialistische EU zeigt ihr wahres Gesicht


BERLIN

german-foreign-policy vom 16.12.2016 – Die EU wird die Zahl ihrer Militärinterventionen deutlich ausweiten. Dies ist ein Ergebnis des gestrigen Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Zudem werden die Mitgliedstaaten die Kooperation ihrer Streitkräfte intensivieren. Das entspricht Forderungen, die in einer im Sommer gestarteten Kampagne zur forcierten Militarisierung der EU vor allem von der Bundesregierung immer wieder vorgetragen worden waren. Nach mehreren Beschlüssen der EU-Verteidigungsminister, anderer EU-Gremien und des Europaparlaments hatte kürzlich die EU-Kommission einen „Verteidigungs-Aktionsplan“ veröffentlicht, der etwa vorsieht, ab den frühen 2020er Jahren über einen „Europäischen Verteidigungsfonds“ jährlich eine halbe Milliarde Euro in die Rüstungsforschung zu stecken. Zuletzt hatte das Europaparlament gefordert, die EU müsse aufrüsten, um „ihr volles Potenzial als Weltmacht“ nutzen zu können. Ziel ist laut dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), weiterhin der Aufbau einer EU-Armee.
Gestaltungsanspruch weltweit
Mit dem gestrigen Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs ist die jüngste, mehrere Monate währende Kampagne zur weiteren Militarisierung der EU zu einem vorläufigen Höhepunkt gelangt. Begonnen hatte sie im Sommer mit Vorstößen aus Berlin [1], die zunächst zu einem gemeinsamen Forderungskatalog des deutschen Außenministers und seines französischen Amtskollegen führten. Darin hieß es unter anderem, die EU benötige eine gemeinsame „Sicherheitsagenda“, um ihren politischen „Gestaltungsanspruch“ nicht nur in der „direkten Nachbarschaft“, sondern „weltweit“ zu realisieren.[2] Es folgte unter anderem ein weiterer gemeinsamer Forderungskatalog, den diesmal die deutsche Verteidigungsministerin und ihr französischer Amtskollege veröffentlichten und in dem sie für „europäische strategische Autonomie“ plädierten.[3] Daran schloss sich ein Votum des informellen EU-Gipfels vom 16. September an, das explizit eine engere militärische Kooperation der einzelnen EU-Staaten vorsah. Weitergeführt wurde die Kampagne mit der Bekräftigung der EU-Verteidigungsminister vom 14. November, den Aufbau gemeinsamer europäischer Streitkräfte voranzutreiben.[4] Am 22. November folgte dann eine Entschließung des Europaparlaments zum Aufbau einer Europäischen Verteidigungsunion.[5]
Der Europäische Verteidigungsfonds
Am 30. November veröffentlichte die EU-Kommission ergänzend einen „Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan“, der unter anderem den Aufbau eines Europäischen Verteidigungsfonds vorsieht. Dieser soll bis 2020 rund 90 Millionen Euro pro Jahr für die Rüstungsforschung in der EU bereitstellen; danach soll der Betrag auf bis zu einer halben Milliarde Euro jährlich erhöht werden. Zwar verzeichneten die EU-Staaten, heißt es in dem Rüstungs-Aktionsplan, zusammengenommen „weltweit die zweithöchsten Militärausgaben“; doch stehe die EU weiterhin hinter den USA zurück, und sie kranke zudem „an einem ineffizienten Einsatz der Mittel, der auf Doppelstrukturen, mangelnde Interoperabilität und technologische Lücken zurückzuführen ist“. „Ohne nachhaltige Investitionen“ in Rüstungsforschung und Rüstungsindustrie liefen die Waffenschmieden in der EU Gefahr, „nicht über das erforderliche technologische Knowhow zu verfügen, um die nächste Generation entscheidender Verteidigungsfähigkeiten aufzubauen“, heißt es im Aktionsplan der EU-Kommission weiter. Damit stehe „die strategische Autonomie der Union“ zur Disposition.[6]
Weltmacht, Supermacht
An diesem Mittwoch hat nun wiederum das Europaparlament eine weitere Resolution nachgeschoben, die erneut für die entschlossene Militarisierung der EU plädiert. Darin „bedauert“ das Parlament „zutiefst, dass für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU“ bislang nur „ein begrenztes Budget in Höhe von ungefähr 320 Mio. EUR (0,2% des EU-Haushalts) zur Verfügung steht“.[7] Die Abgeordneten heben das angeblich „immense Potenzial der EU als diplomatische Supermacht“ hervor, fordern allerdings, die Union müsse dringend „ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten stärken“, da sie „ihr volles Potenzial als Weltmacht nur nutzen kann, wenn sie ihre einzigartige ‘Soft Power’ im Rahmen eines umfassenden EU-Ansatzes mit ‘Hard Power’ kombiniert“. Deshalb fordert das Parlament „die Mitgliedstaaten auf, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen“ – und zwar auf den NATO-Standard von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Außerdem müssten die „Instrumente der EU für die schnelle Reaktion“ ausgebaut werden, „insbesondere durch die weitere Verbesserung der Einsetzbarkeit der Gefechtsverbände … und die Stärkung und intensivere Nutzung von Eurokorps“ für EU-Einsätze. Darüber hinaus gelte es die Finanzierung von Kriegseinsätzen aus dem EU-Etat zu ermöglichen; schließlich müsse man die „Schaffung eines ständigen zivil-militärischen Hauptquartiers“ erreichen, das „mit einem Militärischen Planungs- und Durchführungsstab“ und „einem Zivilen Planungs- und Durchführungsstab … die zivil-militärische Zusammenarbeit intensivieren und die Fähigkeit der EU, rasch auf Krisen zu reagieren, verbessern“ werde.
Ein deutlicher Impuls
Anknüpfend an die mehrere Monate dauernde Militarisierungskampagne, die in Resolutionen wie derjenigen des Europaparlaments vom Mittwoch gipfelt, haben die Staats- und Regierungschefs der EU am gestrigen Donnerstag den Willen zur Aufrüstung der EU und zu einer engeren militärischen Kooperation bekräftigt. Man werde „bei der Verteidigung und externen Sicherheit“ in Zukunft „mehr zusammenarbeiten – ständig und strukturiert“, hieß es bei der Bundesregierung nach dem gestrigen Gipfeltreffen. Zudem werde es in Zukunft „mehr gemeinsame zivile Missionen“, aber auch mehr „militärische Operationen geben“. Dazu habe man auf dem Gipfeltreffen „einen deutlichen Impuls gesetzt“.[8] Unter anderem ist der „Europäische Verteidigungs-Aktionsplan“ der EU-Kommission ausdrücklich bestätigt worden.
Train as you fight
Das langfristige Ziel, dem freilich bis zum Ausscheiden Großbritanniens aus der EU keine Chance auf Verwirklichung eingeräumt wird, ist weiterhin die offizielle Gründung einer EU-Armee. „Jeder Einsatz, in dem im Moment Bundeswehrsoldaten stehen“, sei „multinational“, wird der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), zitiert: „Da muss man mit den Bündnispartnern zusammenarbeiten.“[9] Bartels behauptet, „es könnte helfen, wenn man zu dem Grundsatz kommt ‘train as you fight’„ – also wenn man die Streitkräfte auch in Friedenszeiten „so organisiert …, wie man hinterher auch in den Einsätzen ist“. Deshalb sei „eine europäische Armee … die Vision, … das Fernziel“, erklärt der SPD-Politiker. Sämtliche künftigen Schritte der „Europäisierung und Integration“ der Streitkräfte in der EU hätten „mit dem Ziel kompatibel“ zu sein. Als Beispiel könne etwa die deutsch-niederländische Militärkooperation gelten (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Bartels benennt auch die Messlatte, an der die EU-Militärkooperation zu beurteilen sei; er erklärt: „Wir haben in Europa 1,5 Millionen Soldaten – das ist mehr, als die USA haben“. Der Grund dafür, dass man leider noch hinter den USA zurückstehe, sei die „europäische Kleinstaaterei“.
Mehr zum Thema: Make Europe Great Again und Der Schock als Chance.
[1] S. dazu Auf Weltmachtniveau.
[2] S. dazu Die Europäische Kriegsunion.
[3] S. dazu Strategische Autonomie.
[4] S. dazu Die Supermacht Europa.
[5] S. dazu Der Schock als Chance.
[6] Communication from the Commission to the European Parliament, the European Council, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee or the Regions: European Defence Action Plan. COM(2016) 950 final. Brussels, 30.11.2016.
[7] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Dezember 2016 zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (2016/2036(INI)).
[8] Verteidigung soll europäischer werden. www.bundesregierung.de 15.12.2016.
[9] Vision der Einigung: Die EU-Armee. www.heute.de 11.12.2016.
[10] S. dazu Unter deutschem KommandoDer deutsche Weg zur EU-Armee (III) und Der deutsche Weg zur EU-Armee (V).

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