Frieden
in Zeiten des Krieges ist ein kaum noch vorstellbares Gut. Für die
Menschen, die Opfer des Krieges sind, inmitten der Verwüstungen und
Zerstörungen oder auf der Flucht vor der Barbarei, entschwindet der
Frieden immer mehr zu einer fernen Utopie. Schauen wir nur auf das
Schlachtfeld des Nahen und Mittleren Ostens, wo der Krieg seit über 30
Jahren von Syrien über Palästina bis Afghanistan kein Land verschont
hat, oder nach Afrika, wo er sich seit geraumer Zeit südlich und
nördlich der Sahara von Ost nach West in fast jedem Land eingefressen
hat. Für diejenigen, die sich aus sicherer Distanz mit ihren Waffen und
Militärs am Krieg beteiligen oder ihn betreiben, gerät der Frieden
hingegen zur Propaganda ihrer Legitimation. Sie führen Krieg im Namen
des Friedens, der Demokratie und der Gerechtigkeit, um nicht von
Ressourcen und strategischen Optionen zu sprechen. Für die einen ist der
Frieden zu einer Fata Morgana für die anderen zur Lüge verkommen. Und
doch reden alle von ihm.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Frieden, ihn zu schaffen und zu garantieren, zur Grunddoktrin der UNO und ihrer Charta geworden, die in Art. 1 mit dem Satz beginnt: »Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: 1. Den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen ...« (www.un.org). Doch scheint sich mit der Erhebung des Friedens in den Stand einer juristischen Kategorie, zu einem »Recht auf Frieden«, der reale Kampf für den Frieden in eine abstrakte Diskussion um den Frieden verwandelt zu haben.
Als die atomare Aufrüstung der USA und der Sowjetunion im Kalten Krieg Ende der siebziger Jahre nicht zu stoppen war und immer bedrohlicher wurde, griff die UNO zum einzigen Mittel, mit dem sie ihre Ohnmacht bemänteln konnte, zur Resolution. 1984 verabschiedeten zur Vorbereitung eines »Internationalen Friedensjahres« die Mitgliedstaaten mit ihrer »Erklärung zum Recht der Völker auf Frieden« eine Resolution (Res. 39/11), in der sie zum ersten Mal den Frieden zu einem Menschenrecht aufwerteten: »Die Generalversammlung, erneut erklärend, dass das wichtigste Ziel der Vereinten Nationen die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist, … in der Erkenntnis, dass jeder Staat die heilige Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass die Völker in Frieden leben können, 1. verkündet feierlich, dass die Völker unseres Planeten ein heiliges Recht auf Frieden besitzen, …« Die Eindringlichkeit des Appells entsprach durchaus der damals wahrgenommenen Gefahr. Sie spiegelte aber wohl auch die Einsicht in die Vergeblichkeit seiner Forderungen, die sich noch vollkommen im Allgemeinen einer Friedensbeschwörung bewegten. Das lag an der Konfrontation der beiden Blöcke, die erst mit dem Untergang der Sowjetunion beseitigt, aber bald danach im Streit um die Neuaufteilung der Ressourcen dieser Welt wieder heraufbeschworen wurde. Die katastrophale Friedensbilanz der nun unangefochtenen Militärmacht NATO ist bekannt. Ihre Weigerung, aus ihrer dominanten Position durch Abrüstung und »vertrauensbildende Maßnahmen« den Völkern die erhoffte »Friedensdividende« auszuschütten, mussten die Länder vom Balkan bis zum Hindukusch bitter erfahren.
Das ließ jedoch einige internationale Nichtregierungsorganisationen nicht resignieren, die bis dahin unfruchtbare und vergebliche Diskussion um das Menschenrecht auf Frieden wieder zu entfachen. Auf einem Kongress in Santiago de Compostela im Dezember 2010 verabschiedeten sie eine umfangreiche »Santiago-Erklärung zum Menschenrecht auf Frieden« mit detaillierten Rechten und Pflichten der Staaten, die weit über den begrenzten Bereich des Militärischen hinausreichen. So wird ein Recht auf Bildung für Frieden und Menschenrechte sowie Recht auf eine sichere und gesunde Umwelt, auf Abrüstung und auf Entwicklung formuliert, zudem wird ein Recht auf Widerstand gegen alle Regime, die internationale Verbrechen oder andere schwere Verletzungen der Menschenrechte begehen, gefordert. Doch der Widerstand gegen das Recht war stärker als der Widerstand gegen die das Recht missachtenden Regime. Erst jüngst wurde Saudi-Arabien, eher Bock denn Gärtner im Garten der Menschenrechte, in den UNO-Menschenrechtsrat gewählt, und die schon dort vertretenen Vereinigten Arabischen Emirate sind ebenfalls keine Leuchttürme der Menschenrechte.
Am 1. Juli 2016 unterschrieben aber auch sie die »Erklärung über das Recht auf Frieden«, welche der Menschenrechtsrat mit seiner Resolution 32/28 der UN-Generalversammlung zur Verabschiedung vorgelegt hatte. Sie stellt die Summe der Kompromisse jahrelanger Gratwanderung zum Gipfel eines verpflichtenden »Menschenrechts auf Frieden« dar. Dieser erwies sich jetzt allerdings als flache und karge Hochebene, die von keinem Staat entscheidende politische Schritte einfordert: »Jeder hat das Recht auf den Genuss von Frieden unter Bedingungen, in denen alle Menschenrechte gefördert und geschützt werden und die Entwicklung voll verwirklicht wird«, heißt es allgemein und unverbindlich (www.un.org). Der »Genuss von Frieden« soll zwar ein individuelles Menschenrecht sein, aus dem sich für den einzelnen Menschen dennoch kein Anspruch auf eine friedensfördernde Politik gegen die Staaten ergibt. Denn in Art. 2 haben die Juristen jeden gerichtlich durchsetzbaren Anspruch ausgeschlossen: »Die Staaten sollen (nicht »sind verpflichtet« oder »müssen«!) Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit achten, verwirklichen und fördern und die Freiheit von Furcht und Not als Mittel zur Konsolidierung des Friedens innerhalb von und zwischen Gesellschaften garantieren.« In der ellenlangen Präambel wurde alles das aufgezählt, was in der UNO-Charta und den UN-Resolutionen als allgemein anerkanntes Völkerrecht zu den Begriffen Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit bereits gesagt worden ist. Das konnten Burundi und Katar ebenso unterschreiben wie Kuba, die Russische Föderation oder die Volksrepublik China. Das Abstimmungsergebnis lautete: 34 gegen 9 Stimmen, bei 4 Enthaltungen.
Warum alle 13 europäischen Staaten entweder dagegen stimmten oder sich der Stimme enthielten, ist nur zu vermuten – die USA blieben der Abstimmung fern. Die Bundesregierung »begründete« ihre Gegenstimme mit dem Eingeständnis, dass »der Verhandlungsprozess ohne ein konsensuales Ergebnis beendet« wurde. Denn »es konnte weder Einigkeit über eine rechtliche Definition von ›Frieden‹ erzielt, noch geklärt werden, wer Träger von Pflichten oder Rechten in diesem Zusammenhang sein soll. Aus Sicht der Bundesregierung birgt der Resolutionstext zudem die Gefahr, dass die Abwesenheit von Frieden als Rechtfertigung eingesetzt wird, Menschenrechte nicht zu respektieren.« Inwiefern ein Text zur Förderung des Friedens die Legitimation von Verbrechen im Krieg (»Abwesenheit von Frieden«) ermöglichen soll, erschließt sich dem Leser nur dann, wenn er erfährt, dass die europäischen Staaten sich vor allem gegen den Teil des Resolutionsentwurfs wandten, mit dem das »Recht, sich kolonialer, ausländischer Besatzung oder diktatorischer Dominierung zu widersetzen«, als Teil des Rechts auf Frieden anerkannt werden sollte. Nun, der Passus ist in der Erklärung vom Juli 2016 nicht wieder aufgetaucht. Dafür bezieht sie sich in der ohnehin nicht verbindlichen Präambel auf die berühmte Resolution 1514 der Generalversammlung von 1960 über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker, die die rechtliche Grundlage der Befreiungskämpfe bot. Nicht, dass die Zeit kolonialer Besatzung vorbei ist, was angesichts der »Abwesenheit von Frieden« von Palästina bis zur Westsahara, aber auch von der Türkei bis Afghanistan nicht behauptet werden kann. Die europäischen »Friedensfreunde« wollten mit ihrer Stimme auf keinen Fall auch nur einen Türspalt für die Legitimation des Widerstandes gegen fremde, das heißt ihre eigenen Interventionen öffnen. Und so sind es »nur« die Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, die zusammen mit der Russischen Föderation und der VR China für ein, wenn auch zahnloses »Recht auf Frieden« stimmten.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Frieden, ihn zu schaffen und zu garantieren, zur Grunddoktrin der UNO und ihrer Charta geworden, die in Art. 1 mit dem Satz beginnt: »Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: 1. Den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen ...« (www.un.org). Doch scheint sich mit der Erhebung des Friedens in den Stand einer juristischen Kategorie, zu einem »Recht auf Frieden«, der reale Kampf für den Frieden in eine abstrakte Diskussion um den Frieden verwandelt zu haben.
Als die atomare Aufrüstung der USA und der Sowjetunion im Kalten Krieg Ende der siebziger Jahre nicht zu stoppen war und immer bedrohlicher wurde, griff die UNO zum einzigen Mittel, mit dem sie ihre Ohnmacht bemänteln konnte, zur Resolution. 1984 verabschiedeten zur Vorbereitung eines »Internationalen Friedensjahres« die Mitgliedstaaten mit ihrer »Erklärung zum Recht der Völker auf Frieden« eine Resolution (Res. 39/11), in der sie zum ersten Mal den Frieden zu einem Menschenrecht aufwerteten: »Die Generalversammlung, erneut erklärend, dass das wichtigste Ziel der Vereinten Nationen die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist, … in der Erkenntnis, dass jeder Staat die heilige Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass die Völker in Frieden leben können, 1. verkündet feierlich, dass die Völker unseres Planeten ein heiliges Recht auf Frieden besitzen, …« Die Eindringlichkeit des Appells entsprach durchaus der damals wahrgenommenen Gefahr. Sie spiegelte aber wohl auch die Einsicht in die Vergeblichkeit seiner Forderungen, die sich noch vollkommen im Allgemeinen einer Friedensbeschwörung bewegten. Das lag an der Konfrontation der beiden Blöcke, die erst mit dem Untergang der Sowjetunion beseitigt, aber bald danach im Streit um die Neuaufteilung der Ressourcen dieser Welt wieder heraufbeschworen wurde. Die katastrophale Friedensbilanz der nun unangefochtenen Militärmacht NATO ist bekannt. Ihre Weigerung, aus ihrer dominanten Position durch Abrüstung und »vertrauensbildende Maßnahmen« den Völkern die erhoffte »Friedensdividende« auszuschütten, mussten die Länder vom Balkan bis zum Hindukusch bitter erfahren.
Das ließ jedoch einige internationale Nichtregierungsorganisationen nicht resignieren, die bis dahin unfruchtbare und vergebliche Diskussion um das Menschenrecht auf Frieden wieder zu entfachen. Auf einem Kongress in Santiago de Compostela im Dezember 2010 verabschiedeten sie eine umfangreiche »Santiago-Erklärung zum Menschenrecht auf Frieden« mit detaillierten Rechten und Pflichten der Staaten, die weit über den begrenzten Bereich des Militärischen hinausreichen. So wird ein Recht auf Bildung für Frieden und Menschenrechte sowie Recht auf eine sichere und gesunde Umwelt, auf Abrüstung und auf Entwicklung formuliert, zudem wird ein Recht auf Widerstand gegen alle Regime, die internationale Verbrechen oder andere schwere Verletzungen der Menschenrechte begehen, gefordert. Doch der Widerstand gegen das Recht war stärker als der Widerstand gegen die das Recht missachtenden Regime. Erst jüngst wurde Saudi-Arabien, eher Bock denn Gärtner im Garten der Menschenrechte, in den UNO-Menschenrechtsrat gewählt, und die schon dort vertretenen Vereinigten Arabischen Emirate sind ebenfalls keine Leuchttürme der Menschenrechte.
Am 1. Juli 2016 unterschrieben aber auch sie die »Erklärung über das Recht auf Frieden«, welche der Menschenrechtsrat mit seiner Resolution 32/28 der UN-Generalversammlung zur Verabschiedung vorgelegt hatte. Sie stellt die Summe der Kompromisse jahrelanger Gratwanderung zum Gipfel eines verpflichtenden »Menschenrechts auf Frieden« dar. Dieser erwies sich jetzt allerdings als flache und karge Hochebene, die von keinem Staat entscheidende politische Schritte einfordert: »Jeder hat das Recht auf den Genuss von Frieden unter Bedingungen, in denen alle Menschenrechte gefördert und geschützt werden und die Entwicklung voll verwirklicht wird«, heißt es allgemein und unverbindlich (www.un.org). Der »Genuss von Frieden« soll zwar ein individuelles Menschenrecht sein, aus dem sich für den einzelnen Menschen dennoch kein Anspruch auf eine friedensfördernde Politik gegen die Staaten ergibt. Denn in Art. 2 haben die Juristen jeden gerichtlich durchsetzbaren Anspruch ausgeschlossen: »Die Staaten sollen (nicht »sind verpflichtet« oder »müssen«!) Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit achten, verwirklichen und fördern und die Freiheit von Furcht und Not als Mittel zur Konsolidierung des Friedens innerhalb von und zwischen Gesellschaften garantieren.« In der ellenlangen Präambel wurde alles das aufgezählt, was in der UNO-Charta und den UN-Resolutionen als allgemein anerkanntes Völkerrecht zu den Begriffen Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit bereits gesagt worden ist. Das konnten Burundi und Katar ebenso unterschreiben wie Kuba, die Russische Föderation oder die Volksrepublik China. Das Abstimmungsergebnis lautete: 34 gegen 9 Stimmen, bei 4 Enthaltungen.
Warum alle 13 europäischen Staaten entweder dagegen stimmten oder sich der Stimme enthielten, ist nur zu vermuten – die USA blieben der Abstimmung fern. Die Bundesregierung »begründete« ihre Gegenstimme mit dem Eingeständnis, dass »der Verhandlungsprozess ohne ein konsensuales Ergebnis beendet« wurde. Denn »es konnte weder Einigkeit über eine rechtliche Definition von ›Frieden‹ erzielt, noch geklärt werden, wer Träger von Pflichten oder Rechten in diesem Zusammenhang sein soll. Aus Sicht der Bundesregierung birgt der Resolutionstext zudem die Gefahr, dass die Abwesenheit von Frieden als Rechtfertigung eingesetzt wird, Menschenrechte nicht zu respektieren.« Inwiefern ein Text zur Förderung des Friedens die Legitimation von Verbrechen im Krieg (»Abwesenheit von Frieden«) ermöglichen soll, erschließt sich dem Leser nur dann, wenn er erfährt, dass die europäischen Staaten sich vor allem gegen den Teil des Resolutionsentwurfs wandten, mit dem das »Recht, sich kolonialer, ausländischer Besatzung oder diktatorischer Dominierung zu widersetzen«, als Teil des Rechts auf Frieden anerkannt werden sollte. Nun, der Passus ist in der Erklärung vom Juli 2016 nicht wieder aufgetaucht. Dafür bezieht sie sich in der ohnehin nicht verbindlichen Präambel auf die berühmte Resolution 1514 der Generalversammlung von 1960 über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker, die die rechtliche Grundlage der Befreiungskämpfe bot. Nicht, dass die Zeit kolonialer Besatzung vorbei ist, was angesichts der »Abwesenheit von Frieden« von Palästina bis zur Westsahara, aber auch von der Türkei bis Afghanistan nicht behauptet werden kann. Die europäischen »Friedensfreunde« wollten mit ihrer Stimme auf keinen Fall auch nur einen Türspalt für die Legitimation des Widerstandes gegen fremde, das heißt ihre eigenen Interventionen öffnen. Und so sind es »nur« die Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, die zusammen mit der Russischen Föderation und der VR China für ein, wenn auch zahnloses »Recht auf Frieden« stimmten.
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