Freitag, 14. September 2012
Deutschland schafft sich ab! Hat Sarrazin Recht?
Von whs
Arbeiterkorrespondenz auf Kommunisten-online vom 13. September 2012 – Jein, Euer Ehren! Deutschland schafft sich ab, aber nicht nach dem Sarrazin´schen Motto. Von „Überfremdung“ keine Rede, von „Islamisierung“ auch nicht. Die OECD geht da viel pragmatischer heran. Sie vergleicht den Bildungsstand der Elterngeneration mit dem der Kindergeneration. Und was stellt sie dabei fest? In Deutschland schaffen es gerade mal 20% der jüngeren Generation einen höheren Bildungsabschluß als ihre Eltern zu erwerben. 55% dieser Generation schaffen den gleichen Abschluß wie ihre Eltern. Die restlichen 25% kommen noch nicht mal auf den Bildungsstand, den ihre Eltern hatten. Soweit die Fakten. [1]
Nun kann man genauso pragmatisch an die Sache herangehen und sagen, na ja, 20% drüber, 25% drunter, macht gerade mal 5%, die insgesamt mieser abschneiden. Richtig, rein rechnerisch kein Fehler. Aber man darf ja wohl mal fragen, woran das liegt.
Ja, woran mag das wohl liegen. Da kochen 16 Kultusminister einen Brei. In seiner eigenen Küche gibt jeder seinen eigenen Senf dazu (oder nimmt den Senf der anderen wieder weg). Dann wird die Unverbindlichkeit der Lehrpläne propagiert, denn Freiheit ist ja das höchste Gut. So darf man den Lehrer auch nicht dazu verdonnern, zu lehren was wahr ist. Er darf halt lehren, was er für wahr hält. Und da hat er wohl auch den höchsten Freiheitshüter unseres Landes hinter sich.
Hinzu kommt, dass jede Schule bestimmen kann, mit welchen Schulbüchern sie unterrichtet. An sich nichts verkehrtes, wenn denn in allen Lehrbüchern das gleiche Wissen in gleicher Reihenfolge und gleicher Wertung angeboten würde. Das ist aber nicht der Fall. Der Staat darf ja die „Freiheit“ der Lehrbuchverlage nicht beschränken.
Zu DDR-Zeiten konnte jeder Schüler, wenn seine Eltern umzogen, problemlos die Schule wechseln. Natürlich kam es vor, dass er mal im Stoff etwas weiter war oder eben auch zurück hing, aber das ließ sich relativ problemlos klären. Heute wird es zum Problem, wenn die Eltern eines Schülers im Landkreis umziehen und er die Schule wechseln muss. Das wenigste ist, dass der Lehrer völlig andere Schwerpunkte setzt als der vorige. Meist müssen neue Lehrbücher beschafft, neue Lernmaterialien gekauft werden. Und das geht über den Geldbeutel.
Der Volksmund behauptet immer, dreimal umgezogen sei wie einmal abgebrannt. Kommen nun noch die nicht eingeplanten Kosten für die Schule dazu, dürfte der Volksmund seine Prognose nach unten korrigieren. Denn dann kann schon einmal umgezogen wie einmal abgebrannt sein. Mal ganz davon abgesehen, was den jungen Menschen, die sich in der Entwicklung befinden psychisch abverlangt wird. Aber das interessiert in dieser Republik, wo nicht der Mensch sondern der Profit das Nonplusultra ist, kein Schwein.
Das Bildungswesen sollte drastisch vereinheitlicht werden. Nicht die 16 Bundesländer, die Bundesregierung muss für die Bildung verantwortlich gemacht werden. Nicht 16 Lehrpläne, ein Lehrplan für Deutschland. Nicht 121 verschiedene Lehrbücher für jedes Fach, ein Lehrbuch. Wenn schon der Profit der Lehrbuchverlage gesichert werden muss, so können sie doch wohl verpflichtet werden, das Lehrbuch so zu drucken, wie es das Bildungsministerium vorschreibt. Der Autofahrer muss sich doch auch nach der StVO richten, sonst wird er bestraft. Warum soll das bei Verlagen nicht gehen? Und nun komme mir keiner mit dem Vorwurf der Zensur!
Weiteres Beispiel: Die BRD erkennt Abitur-Zeugnisse und andere Abschlusszeugnisse (aus EU-Staaten) an. Die bayerische Landesregierung tut sich heute noch schwer, das Bremer Abitur anzuerkennen. Das ist doch mal was. Das ist die Kohl´sche „Stärkung der Regionen in einem vereinten Europa“. Jawoll, da haben wir was gekonnt!
Aber wir halten uns viel darauf zu Gute, dass wir die niedrigste Arbeitslosigkeit in Europa haben. Und da wird auf die betriebliche Bildung verwiesen. Völlig außer Acht gelassen wird allerdings die Tatsache, dass unsere Wirtschaft sehr exportorientiert ist (im Inland wird aufgrund von Niedriglöhnen immer weniger abgesetzt). Völlig außer Acht gelassen wird, dass die Euro-Rettungsschirme in der Hauptsache dazu dienen, dass die betreffenden Länder entsprechende Importe aus Deutschland und Frankreich bezahlen können.
Die Betriebe klagen nach wie vor darüber, dass die Schulabgänger kaum einfachste Aufgaben selbständig lösen können. Nur darüber macht sich niemand Gedanken. Den Betrieben werden Aufgaben zugeschanzt, die eigentlich der Staat zu lösen hätte. Nun das kann man auch so sehen, dass die Bourgeoisie ihren eigenen Staat nicht mehr unter Kuratel hat. Aber so einfach ist es eben nicht.
Es klagen nicht die Großen, die Oligopole, es klagen die Kleinen, die Unternehmer mit zwanzig Angestellten, die Handwerker, die Gewerbetreibenden. Es klagen die, die noch nicht geschnallt haben, wohin ihre Reise geht, ins Proletariat. Wir werden auf sie warten, und, sie sind uns willkommen, denn sie werden unsere Kraft verstärken, ob sie nun wollen oder nicht.
Bildung ist immer klassenabhängig. Die deutsche Bourgeoisie hat schon immer große Angst vor der Bildung der Masse, denn sie könnte schlauer werden und fragen, wozu sie ihre Bourgeoisie eigentlich noch braucht. Dass die Bourgeoisie sich aber selbst das Wasser abgräbt, scheint sie nicht zu erkennen. Solange der Rubel rollt ist ja auch alles klar. Sollte er nicht mehr rollen, wird zentralisiert und konzentriert und dem Volk wieder mal in die Tasche gegriffen. Das geht solange gut, bis es dem Volk endlich und endgültig aufstößt.
Rot Front
Werner
[1] ZDF „heute Journal“ vom 11.09.2012
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