Montag, 18. November 2019

Nach dem Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes Brasiliens ist Ex-Präsident Lula (einstweilen?) frei. Ein Fortschritt – aber...


Mit einer Stimme Mehrheit (6:5) hat der Oberste Gerichtshof Brasiliens 
ein Grundsatzurteil gefällt: Nicht über Lula, sondern über die 
Gültigkeit der Verfassung von 1988. Erstaunlich genug, dass fünf 
„Minister“ (der Rang, den die obersten Richter innehaben) gegen die 
gültige Verfassung abstimmten, die eindeutig im § 57 besagt, dass 
jemand nur ins Gefängnis muss, nachdem er oder sie in allen Instanzen 
verurteilt, der Prozess abgeschlossen ist. Was dann eben zur 
Freilassung von rund 5.000 Gefängnis-Insassen führt, die erst in 
erster oder zweiter Instanz verurteilt sind und nicht in letzter 
Instanz, unter ihnen eben der Expräsident, der natürlich in der 
medialen „Aufbereitung“ im Zentrum stand (nicht aber in der Reaktion 
der Rechten Brasiliens: Während die Regierung zunächst sozusagen 
„schreiende Stille“ wahrte, mobilisieren ihre – zahlreichen – 
„Fußtruppen“ gegen das Urteil (und die Verfassung) – es sei ein 
Freibrief für Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder, wobei sie im 
Vorfeld per, auch bei ihnen üblichen, Fake News die Zahl der 
Betroffenen mal eben auf 140.000 hoch manipulierte...). Die 
Freilassung ist ganz ohne Zweifel auch Ergebnis der jahrelangen (580 
Tage im Gefängnis) Solidaritätskampagne mit dem willkürlich fest 
gehaltenen Expräsidenten, der ja vor allem an der Kandidatur bei der 
2018er Wahl gehindert werden sollte. Keineswegs übrigens vor allem von 
Bolsonaro, sondern weit mehr von den traditionellen RepräsentantInnen 
des Bürgertums, vor allem, daran sei hier erinnert, dem 
Unternehmerverband von Sao Paulo, mit starker Präsenz deutscher 
Unternehmen – dessen Organe, die Folha de Sao Paulo und TV Globo, auch 
sofort wieder ihre Hetzkampagne gegen Lula fortgesetzt haben. Diese 
Freilassung würde im Übrigen nicht bedeuten, dass er bei einer Wahl 
Kandidat sein könnte, was zunächst einmal vor allem heißt, dass der 
Kampf weiter geht – ein Kampf, den auch viele GewerkschafterInnen und 
Linke aktiv mit organisiert haben, die teilweise keineswegs für Lula 
stimmen würden, eben weil es um demokratische Prinzipien ging und geht 
und nicht vor allem um die Politik der PT, die diese offensichtlich 
ohne selbstkritische Anwandlungen fortsetzen möchte. Siehe in der 
Materialsammlung dazu je zwei aktuelle Beiträge zur Freilassung und 
den weiteren Absichten der PT, sowie ein Tondokument mit Lulas Rede im 
Gewerkschaftshaus nach seiner Freilassung und ebenfalls zwei Beiträge 
zur beginnenden öffentlichen Kampagne der rechten gegen die Verfassung 
(sowie der Kritik aller Gewerkschaftsföderationen Brasiliens daran)
http://www.labournet.de/?p=157113

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen