Dienstag, 26. November 2019

Ingolstadt, Audi, »schwule Sau«: Wie es war, ein schwuler Mitschüler des heutigen »Welt«-Bloggers Don Alphonso zu sein

Manchmal waren seine Anzüge dunkelbraun

  • Von Harald Nicolas Stazol
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  • 26.11.2019, 17:56 Uhr
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  • Lesedauer: 4 Min.
Pöbelt auch gerne bei Twitter: Don Alphonso
Pöbelt auch gerne bei Twitter: Don Alphonso
Den extrem rechten »Welt«-Autor und -Blogger »Don Alphonso« alias Rainer Meyer kenne ich schon seit meiner Zeit in Ingolstadt am Christoph-Scheiner-Gymnasium. Er war eine Klasse über mir und er hasste mich. Er sammelte schlechte Lithographien und hielt sich für einen Snob. Doch bayerische Snobs gibt es nicht.
Da fuhr er, ein breitschädeliger Fast-Abiturient, in schlecht sitzenden Anzügen auf seinem Rennrad an mir vorbei und beleidigte mich, weil ich eben ein weltoffener, sexuell experimentierender Dandy bin. Wenn jemand jedes mal, wenn er an mir vorüberradelt, »Schwule Sau!« schreit, hat er möglicherweise ein Problem mit sich selbst.
Einmal schreibt er: »Ich schreibe das hier gerade um drei Uhr morgens, weil mir die Vorstellung, nur 70m² Wohn- und Arbeitsraum mit einer Frau teilen zu müssen, eine schlaflose Nacht beschert hat.«
Interessant, wie sich viele Medienleute neuerdings auf die extrem Rechten einlassen, an sie heranrobben, Gauland auf der »FAZ«-Feier willkommen heißen. Denkwürdig auch der Rainer Meyer: »Meines Erachtens wird Deutschland zerbrechen. Vielleicht nicht als Nation, aber als Kulturraum.« Manchmal waren Rainers Anzüge auch dunkelbraun.
Heute ist er Gourmet: »›Risotto mit Champignons, Steinpilzen, Reis Violon und Tomatenconcasse, gratiniert‹ bestellt«. Es kam eine »überbackene, kindertaugliche Reispampe ohne Trüffel« - welch Horror, Alphons!
Phonsi ist halt Ingolstädter. Das bleibt er auch sein eigentlich bedauernswertes Leben lang, aber es ist halt auch so schön da, glaubt man allen, die es nie herausgeschafft haben. Die Türmchen und die Stadtmauer, da bleibt der Horizont überschaubar. Garnisonsstadt, Hort des Faschismus, so weiß ich aus meinem Geschichtsunterricht, den ja offenbar nicht alle hatten, als erste Stadt in Bayern »judenfrei«. Weil dort Dr. Liebl, Hitlers Leibarzt, seine »Klinik« hat.
Mein Geschichtslehrer, Dr. Theodor Straub, forschte über die Zeit der goldenen Vierziger, er interviewte eine Überlebende, die damals in München lebte. »Nie wieder Ingolstadt«, sagte sie ihm. Vielleicht ist das ja der Nährboden, auf dem Personen wie der Don immer noch besonders gut wachsen.
Ich empfehle den diskreten Raum im Stadtmuseum, wo pro ermordetem Juden ein kleiner blauer Altar aufgebaut ist. Am Auwaldsee, einem beliebten Ausflugsort - oft gingen wir dort schwimmen -, genau dort, wo jetzt das Wirtshaus steht, hat man zunächst die Juden ermordet und in den letzten Kriegstagen Deserteure »hingerichtet«. Einem »Heimatforscher« im Donaumoos ist es nicht möglich, über die arischen Jahre zu berichten, weil die Einwohner einen Mantel des Schweigens über alles breiten. Über so etwas schreibt der Don natürlich nicht.
Auch über die Selbstmorde der sich im Dachstuhl der nicht abbezahlten Häuser erhängenden Fließbandarbeiter von Audi findet man in Zeitungen nichts, nicht einmal im Audi-Hausblatt, der Ingolstädter Regionalzeitung »Donau-Kurier«.
Der »Donau-Kurier« schreibt über den nationalkonservativen Autor: »Der Ingolstädter Rainer Meyer alias Don Alphonso lebt im historischen Tilly-Haus in der Altstadt. Er gilt als einer bekanntesten deutschen Internet-Blogger.«
Die Methode Alphonso
Unter dem Pseudonym »Don Alphonso« spielt »Welt«-Autor Rainer Meyer auf Twitter mit rassistischen Vorurteilen
Nichts von den geknechteten Arbeitern, die ihrem trostlosen Schicksal durch Freitod entfliehen; nie sah ich leerere Gesichter als die in den Schichtbussen, die an meinem Schulbus vorbeifuhren aus allen Teilen des Umlandes. Oder die erschöpfte Resignation in den Augen der aus dem Werktor Strömenden.
Von Don Alphonso dazu kein Wort, dabei kann er das Audi-Werk vom Tilly-Haus aus fast sehen. Naja, das wäre ja auch eine Sozialreportage, das kann er nicht.
Im Januar 2019 schrieb diese Zeitung über ihn: »Sprachlich erinnert Meyers Wortwahl an die AfD, er arbeitet sich auch nicht zufällig an ähnlichen Feindbildern wie denen der Neuen Rechten ab.« Er verpacke »viele seiner Äußerungen als Ironie, womit er sich im Nachhinein jederzeit auf die Position ›Alles nicht so gemeint‹ zurückziehen kann.«
Der Spruch »Stazol nach Auschwitz« war seinerzeit sicherlich auch nicht so gemeint. Er wurde gerne auf dem Schulhof skandiert, bis heute bleibe ich den Abi-Treffen auch deshalb fern. Einmal bekomme ich im Sozialkundeunterricht einen Zettel gereicht: »Mit deinem Geschwätz wirst du nicht weit kommen.«
Das Audi-Werksgelände umfasst die Stadt heute als zweite Stadtmauer. Da werden Söhne gezwungen, Karosseriebau zu studieren.
Thomas Mann sagte einem hübschen Kellner gerne: »Ich werde Ihre Karriere mit Interesse verfolgen!«
Don Alphonso verdient nicht einmal mein Desinteresse.
Auch wenn du, Phonsi, alter Spezl, mich und meinesgleichen sicherlich gerne verfolgen würdest.
Harald Nicolas Stazol, 49, lebt und schreibt nicht ohne Grund in Hamburg, ist er doch von Bayern nachhaltig traumatisiert. Abrechnen allerdings kann er nur dank seines bayerischen Abiturs.
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