IMI-Standpunkt 2019/028
von: Alexander Kleiß | Veröffentlicht am: 16. Juli 2019
die bundesweiten Verschärfungen der Polizeigesetze sind auch Ausdruck einer zunehmenden Militarisierung der Polizei. Auch in Baden-Württemberg, wo die Grünen mit an der Regierung beteiligt sind, schreckt die Landesregierung nicht mehr davor zurück, militärische und auch nachrichtendienstliche Mittel gegen Zivilist*innen einzusetzen.
Schon bei der bereits in Kraft getretenen Verschärfung 2017 wurde die Militarisierung der Polizei massiv vorangetrieben:
Das eindrücklichste Beispiel für die Militarisierung der Polizei ist die Ausstattung der Polizei mit Kriegswaffen. Das ist leider schon seit längerem traurige Wirklichkeit. Vor allem die SEKs greifen schon seit Jahren auf ein Waffenarsenal zurück, das dem einer militärischen Spezialeinheit gleicht. Mit der Verschärfung 2017 wurde es der Polizei nun sogar gestattet, Sprengstoff, Granaten und Granatwerfer auch gegen Personen einzusetzen. Sind wir hier etwa in einem Kriegsgebiet? Auf welche bürgerkriegsähnlichen Zustände will sich die Landesregierung hier denn vorbereiten?
Auch die Einführung der sogenannten „intelligenten“ Videoüberwachung ist ein Beispiel für die Militarisierung der Polizei. Kameraaufnahmen sollen dabei in Echtzeit durch eine KI-gestützte Software ausgewertet werden. Die Software soll Alarm schlagen, wenn sie Verhalten erkennt, das auf die Begehung einer Straftat hindeutet. Diese Software wird auch bereits eingesetzt.
Warum bedeutet auch diese „intelligente“ Videoüberwachung eine Militarisierung? Weil die Forschung auf diesem Gebiet extrem militarisiert ist. Militär und Rüstungskonzerne haben ein großes Interesse an solchen Technologien des maschinellen Sehens, weil eine große Nachfrage nach diesen Technologien für autonome oder teilautonome Drohnensysteme besteht.
Beauftragt mit der Entwicklung und Implementierung der intelligenten Videoüberwachung wurde das Fraunhofer IOSB, ein militärnahes Forschungsinstitut, das staatlich gefördert wird. Durch den flächendeckender Einsatz der intelligenten Videoüberwachung in Baden-Württemberg kann die Überwachungs-KI weiter lernen und ihre Algorithmen perfektioniert werden. Davon profitiert auch das Militär.
Bei der intelligenten Videoüberwachung handelt es sich um eine militärische Technologie, mit der nun Zivilist*innen in Baden-Württemberg überwacht werden sollen! Wir sagen: Schluss damit!
Auch die Einführung des Staatstrojaners zur Überwachung der laufenden Kommunikation stellt eine Militarisierung dar: In diesem Fall wird ein Vorgehen, das bisher nur Geheimdiensten oder militärischen Cyber-Kommandos vorbehalten war, zu unserer Überwachung durch die Polizei eingesetzt. Um den Staatstrojaner – nichts anderes als eine staatliche Schadsoftware – auf die betreffenden Geräte zu spielen, werden Sicherheitslücken benötigt. Die Polizei hat nun also ein Interesse daran, Softwareschwachstellen offen zu halten anstatt sie zu schließen. Begründet wird das wie immer mit dem Stichwort „Sicherheit“.
Aber ich fühle mich nicht sicher, wenn ich Angst haben muss, dass der Staat mein Handy mit Schadsoftware angreift. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn Sicherheitslücken endlich geschlossen werden würden und der Staat kein Interesse mehr daran hätte, diese Sicherheitslücken offen zu halten.
Mit der nun anstehenden Verschärfung plant das CDU-geführte Innenministerium sogar, dass der Staatstrojaner nicht nur zur Überwachung der laufenden Kommunikation eingesetzt werden soll, sondern zur Überwachung aller Daten auf einem Gerät:
Kontakte, Bilder, Kalendereinträge, Kommunikation aus der Vergangenheit, Inhalte von Apps, Browserverläufe, GPS-Daten, Passwörter, mit denen dann auf SocialMedia-Accounts zugegriffen werden kann – usw.
Kurz: der feuchte Traum eines autoritären Innenministers.
Doch Innenminister Strobl hat diese Rechnung ohne uns gemacht: Wir dürfen und werden nicht zulassen, dass die Landespolizei Baden-Württemberg mit einem solchen Bespitzelungsarsenal ausgestattet wird!
Wir wollen nicht nur die neuen Verschärfungen verhindern. Nein, wir fordern auch die Rücknahme der bereits umgesetzten Verschärfungen.
Wir wollen keine Polizei, die mit Kriegswaffen ausgerüstet ist!
Wir wollen auch nicht durch intelligente Videoüberwachung oder den Staatstrojaner überwacht werden! Wir wollen gar nicht überwacht werden!
Die Militarisierung der Polizei zeigt eines deutlich: Der Staat ist bereit, nachrichtendienstliche oder militärische Mittel, die bisher nur gegen äußere Feinde, also andere Geheimdienste, Terrormilizen oder Armeen, eingesetzt wurden, nun auch gegen innere Feinde einzusetzen – also womöglich auch gegen uns. In dieser Logik sind wir keine Bürgerinnen und Bürger mehr, für die Grundrechte gelten, sondern im Falle eines Fehlverhaltens sind wir schlicht Feinde, gegen die man mit militärischem Kalkül vorgeht. Die Bilder von militarisierten Spezialeinheiten, die beim G20-Gipfel vor zwei Jahren gegen Demonstrierende eingesetzt wurden, haben einen ersten Eindruck dieser Logik vermittelt.
Und man will sich nicht vorstellen, was z.B. die AfD in Regierungsverantwortung mit solchen Überwachungs- oder Gewaltwerkzeugen anfangen könnte. Doch schlimm genug ist schon die momentane Realität: Der Staatsapperat ist geradezu durchsetzt mit Nazis. Polizist*innen, die sich als NSU 2.0 bezeichnen, bedrohen politische Gegner*innen. SEK-Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern entwendeten zehntausende Schuss Dienstmunition, um damit an einem Tag X Linke umzubringen. In der BFE-Einheit der vom NSU ermordeten Michele Kiesewetter wimmelte es von Nazis, die beim KuKluxKlan waren oder mittlerweile bei UNITER oder der AfD organisiert sind. Andere Polizisten aus Berlin, Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern nutzten Dienstcomputer, um illegal auf Meldedaten von Linken zuzugreifen.
Und wie begegnet der Staat dieser Problematik? Mit mehr Überwachungsbefugnissen für die Sicherheitsbehörden. Doch das ist der falsche Weg! Dem muss dringend Einhalt geboten werden, sonst fliegt uns das hier bald alles um die Ohren!
Deshalb sind wir heute hier und zeigen, dass wir auf keinen Fall bereit sind, weitere Verschärfungen des Polizeigesetzes mitzutragen. Im Gegenteil: Wir fordern auch die Rücknahme der bereits verabschiedeten Verschärfungen. Nicht nur hier in Baden-Württemberg, sondern auch in jedem anderen Bundesland und auf Bundesebene!
Gegen die Militarisierung der Polizei!
Denn Freiheit stirbt mit Sicherheit!
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