Im Kapitalismus dreht sich alles ums Geld und seine Vermehrung. Aber
nicht nur die Konkurrenz um das Geld beherrscht die Wirtschaft. Daneben
läuft die Konkurrenz der nationalen Währungen darum, welche das beste,
das wahre Geld ist. In diese Konkurrenz zwischen Dollar, Euro, Yen und
anderen könnte nun eine Gruppe Privatkonzerne einsteigen: Facebook will
nächstes Jahr ein eigenes Zahlungsmittel einführen, die Libra, die
global einsetzbar sein soll. Politiker sind in Aufruhr: Wird die Währung
der Konzerne zur Gefahr für die der Staaten?
Geld ist in der Marktwirtschaft Ausgangspunkt und Ergebnis des
Wirtschaftens. Jede Produktion beginnt mit einer Investition, es folgen
Produktion und Verkauf und damit der Rückfluss des investierten Geldes
inklusive Gewinn: aus Geld wird mehr Geld. Dieses Geld ist ökonomische
Macht. Man kann mit ihm kaufen, zahlen, es ist Zugriff auf Güter, Boden,
Menschen. Was man mit seinem Vermögen vermag, hängt allerdings davon
ab, in welcher Form man es hält. Denn zwischen den Geldern der Welt gibt
es große Unterschiede.
Fast alle Staaten geben eigene Währungen aus. In Sambia zum Beispiel
zahlt man mit der Kwacha. Doch reicht ihre Kaufkraft nicht über die
Landesgrenzen hinaus. Mit ihr kann man nicht weltweit einkaufen, man
kann sie nicht weltweit investieren. Die Gleichung, die ihr Wechselkurs
vorgibt - 100 Kwacha = 8 US-Dollar - verschleiert das Machtgefälle
zwischen beiden.
In der globalen Währungshierarchie steht das sambische Geld unten.
Ganz oben stehen US-Dollar, Euro und japanischer Yen. Sie sind
Weltwährungen. Insbesondere der Dollar hat universelle Gültigkeit.
Weltweit wird das US-Geld als Schatz gehortet und als Zahlungsmittel
akzeptiert. Er ist in allen Ländern als Form des Reichtums anerkannt. An
ihm müssen sich alle anderen Gelder messen: Wie viel eine Kwacha oder
ein Peso wert sind, zeigt sich daran, wie viel Dollar man für sie
bekommt. Während die meisten Staaten der Welt fürchten müssen, dass das
Kapital aus ihren Währungen flieht, so ist der Dollar selbst der
Zufluchtsort: Er ist der sichere Hafen des Weltkapitals.
Das eröffnet den USA eine einzigartige Machtposition. US-Zentralbank
und -Geschäftsbanken schöpfen Dollar und damit universellen Reichtum aus
dem Nichts. US-Regierung und -Unternehmen verfügen mit dem Dollar
Zugriff auf Dinge und Menschen weltweit. Washington findet immer
Kreditgeber, die seine Währung wollen, was ihm große Freiheit bei der
Verschuldung eröffnet: Diese Woche konnte die US-Regierung problemlos
beschließen, in den nächsten zehn Jahren 1700 Milliarden Dollar mehr
Schulden zu machen.
Doch die USA nutzen die globale Bedeutung ihrer Währung auch
politisch. Sie schneiden Länder vom Dollarfluss ab, setzen sie damit
unter Druck und können den Rest der Welt dazu bringen, ihre Sanktionen
mitzutragen. Beides geschieht derzeit im Fall Iran: Die Drohung, vom
Dollar ausgeschlossen zu werden, zwingt auch Unternehmen und Banken aus
Europa und Asien dazu, Iran zu meiden. »Nur der Status des Dollars als
Welt-Leitwährung verschafft den USA die Möglichkeit, ihre
Sanktionspolitik weltweit durchzusetzen«, erklärt Ulrich Leuchtmann von
der Commerzbank.
Mit ihrer Sanktionspolitik untergräbt die US-Regierung allerdings die
Stellung des Dollars. Ihre Drohungen bieten anderen Regierungen einen
Anreiz, nach Alternativen zu suchen. So hat Russland seine
Dollar-Reserven weitgehend abgestoßen. China wickelt Geschäfte mit
anderen Staaten zunehmend in eigener Währungen ab. Indien hat vergangene
Woche für Milliarden russische Waffen erworben und bei der Bezahlung
das Dollar-System umgangen.
Dass der Dollar dennoch die Finanzwelt weiter dominiert, hat einen
schlichten Grund: Es gibt keine Alternative. Japan, Großbritannien, die
Schweiz haben zwar stabile Gelder, sind aber zu klein. Chinas Währung
ist weltweit noch nicht frei verfügbar. Bleibt der Euro, der als
Konkurrenz zum Dollar gegründet wurde und hinter dem auch eine
ausreichend große Wirtschaftskraft steht. Doch ist die Euro-Zone kein
einiger, weltpolitischer Akteur, der seine Interessen global durchsetzen
kann: Im Streit um die Iran-Sanktionen müssen sich die Länder des Euro
dem Land des Dollars beugen. Die Geltung eines Geldes ist eine Frage der
ökonomischen und politischen Macht.
Inzwischen ist das globale Währungsgefüge jedoch ins Wanken gekommen
und der sichere Hafen Dollar nicht mehr so sicher. Der Aufstieg Chinas
relativiert die Macht der USA. Die Sanktionspolitik der USA untergräbt
die Beliebtheit des Dollars. Zudem haben die USA per Verschuldung die
globale Dollar-Menge gigantisch aufgebläht. Gleichzeitig allerdings
haben auch Japan und Europa Billionen Euro und Yen in den
Finanzkreislauf gepumpt. »Das eröffnet die Schlüsselfrage: Wie stark
können sie das tun, ohne dass es zu einer Massenflucht aus der Währung
eines Landes kommt?«, fragt die französische Bank Natixis. »Und was
geschieht, wenn das Vertrauen ins Geld überhaupt verloren geht und
gleichzeitig alle Industriestaaten ihre Geldmengen aufblähen?«
Auftritt Facebook. Gemeinsam mit anderen Konzernen wie Visa, Paypal,
Ebay oder Uber will Facebook die Libra starten, eine private
elektronische Währung, die wie Dollar oder Euro parallel zu
einheimischen Währungen genutzt werden kann. Facebook verfügt über die
nötige Technologie, die Milliarden seiner Nutzer versprechen eine solide
Kundenbasis und damit eine potente Nachfrage nach Libra. Die Stabilität
des Facebook-Geldes soll dadurch gewährleistet werden, dass jede Libra
zu 100 Prozent durch Weltgelder wie Dollar, Euro, Yen oder Pfund
unterlegt ist. Das heißt: Hinter jeder Libra steht das Geld der USA,
Europas und Japans.
Zur Konkurrenz und Bedrohung würde die Libra damit zunächst für die
Weichwährungen der Welt. In Afrika, Asien, Lateinamerika böte sie sich
an als Alternative zu den instabilen lokalen Geldern, nach denen die
Nachfrage daher sinken dürfte. Keine Konkurrenz wäre die Libra dagegen
zunächst für Dollar, Euro und Yen. Denn sie fungierte lediglich als
deren Stellvertreter, sie wäre eine Anweisung auf Dollar, Euro oder Yen,
die sie decken.
Das würde sich ändern, wenn die Libra nicht mehr zu 100 Prozent durch
staatliche Weltgelder gedeckt wäre, sondern beispielsweise nur noch zu
50 Prozent. 100 als Zahlungsmitteln kursierenden Libra stünden dann nur
noch 50 Dollar, Euro oder Yen gegenüber. Die restlichen 50 Libra hätte
das Facebook-Konsortium frei geschöpft: Zahlungsfähigkeit, in die Welt
gesetzt durch private Konzerne in ihrer eigenen Währung.
Die Zentralbanken der USA, der Euro-Zone und Japans verlören damit
nicht nur die Kontrolle über die Geldmenge. Gleichzeitig würde die Libra
zu einer echten Konkurrenz für ihre Währungen. Denn wer Libra hielte,
hielte damit nicht mehr automatisch Dollar, Euro und Yen. Sondern von
der Libra-Association selbst produziertes Geld, das den staatlichen
Geldern als Alternative gegenübertritt. Spätestens dann dürften die
Herren der Weltgelder gegen die Libra vorgehen. »Die Herausgabe einer
Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens, denn sie ist
ein Kernelement staatlicher Souveränität«, droht Finanzminister Olaf
Scholz.
Die Frage wäre allerdings, ob es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht
schon zu spät sein könnte, die Libra zu vernichten. Denn wird erst
einmal weltweit mit ihr gezahlt, gekauft und gespart, dann lägen Massen
an finanziellem Reichtum in Libra vor. Bei einem Verbot drohte die
Entwertung dieser Massen, eine Finanzkrise. Die Staaten müssten wohl den
Absturz auffangen und mit eigenem Kredit für den Wert des gefährdeten
Libra-Reichtums einstehen: ein gigantisches Rettungsprogramm, dass das
Vertrauen in Dollar, Euro und Yen nicht stärken dürfte. Zudem stünde ein
Kampf zwischen den Weltgeld-Staaten an, wer die Kosten dieser Rettung
tragen muss und wer die Erträge einheimsen darf - ein Streit, der das
Weltfinanzsystem erschüttern könnte.
Bemerkenswerterweise fordert die US-Regierung derzeit nur die strenge
Regulierung der Libra und nicht ihr Verbot. Das ist kein Wunder. Denn
schließlich stehen hinter der Libra vor allem US-Konzerne, die letztlich
den Weisungen Washingtons unterworfen sind. Die US-Regierung könnte die
Libra daher als verlängerten, privaten Arm ihrer Finanzmacht schätzen
lernen.
Genau diesen Verdacht hegt der Hauptkonkurrent der USA um die
Weltmacht: China. Als wahrhaft globales Geld »erkennen chinesische
Politiker die Libra als wirtschaftliche und geopolitische Bedrohung«, so
das Peterson Institute in Washington. China sei schon lange unzufrieden
mit der globalen Dominanz des Dollar. »Nun fürchtet man die Aussicht
auf einen US-Konzern, der die Zukunft des digitalen Geldes dominiert.«
Wang Xin, Chef der Forschungsabteilung der chinesischen Zentralbank,
plädiert daher dafür, eine eigene chinesische Digitalwährung zu
schaffen, »deren Aufgabe es vor allem wäre, mit der Libra zu
konkurrieren«. Sonst werde das Facebook-Geld zu mächtig, dann drohe eine
Welt »mit einem Boss, dem Dollar, Amerika«. Washington hätte dagegen
sicher nichts.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1123424.libra-wessen-geld-die-welt-regiert.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen