Samstag, 16. September 2017

Betroffenenbericht von Mitgliedern der ver.di Jugend NRW-Süd zu den Grundrechtsverletzungen durch Polizei und Justiz beim G20-Gipfel


13.09.17
policeFast der gesamte Jugendvorstand der ver.di Jugend NRW-Süd, mehrere weitere ver.di-KollegInnen und andere Bonner MitstreiterInnen wurden beim G20-Gipfel Opfer von politischer Verfolgung, von tagelanger Freiheitsberaubung und massiver Aushebelung der demokratischen Grundrechte durch Polizei und Staatsanwaltschaft.

In einer Gruppe von ca. 20 Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind wir am Donnerstag den 6. Juli in den frühen Morgenstunden nach Hamburg aufgebrochen. Trotz der wochenlang aufgebauten Drohkulisse durch Polizei und Regierung waren wir fest entschlossen, unser Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen.
Für die meisten von uns war dies allerdings kaum möglich. Nach der ersten Nacht auf dem Camp wollten wir am Freitag den 7. Juli gemeinsam an den angekündigten Blockaden gegen das Gipfeltreffen teilnehmen. Doch soweit kam es nicht: Nach nur 20 Minuten stoppte die Polizei den Zug von 200 Menschen, dem wir uns angeschlossen hatten, dann ging alles blitzschnell. Von zwei Seiten wurde unser Demonstrationszug von gepanzerten und schwer bewaffneten Polizisten und zwei Wasserwerfern angegriffen und regelrecht zerschlagen. Für uns kam der Angriff der Polizei völlig aus dem Nichts, die Menschen flohen in Panik. Wer nicht rechtzeitig wegkam, bekam den Polizeiknüppel zu spüren, wurde auf den Boden gedrückt und zum Teil sogar dann weiter mit dem
Schlagstock traktiert. Man schrie uns an: „Halt die Schnauze sonst kriegst du noch eine rein!“
„Ein solches Ausmaß von Polizeigewalt habe ich noch nicht erlebt. Das war keine Festnahme, sondern ein regelrechter Überfall der Polizei auf unsere Demonstration.“ erinnert sich Nils Jansen, Mitglied im Jugendvorstand der ver.di Jugend NRW-Süd Im verzweifelten Versuch, vor den um sich schlagenden Beamten zu flüchten, kletterten DemonstrantInnen in Panik über einen Zaun
und stürzten anschließend eine mehrere Meter tiefe Mauer hinunter, wobei sie sich zum Teil schwer verletzten. Niemand von uns hatte so etwas je erlebt: Menschen lagen mit zum Teil offenen Brüchen auf dem Asphalt, Polizisten schlugen immer weiter auf DemonstrantInnen ein. Es waren acht (!) Rettungswagen nötig, um die verletzten Aktivisten ins Krankenhaus zu bringen.
Nachdem die Polizei uns vor Ort zum Teil mehrere Stunden festgehalten hatte, wurden wir dann in die sog. „Gefangenensammelstelle“ (Gesa) gebracht. Die Zustände in der Gesa waren entwürdigend. Wir wurden mit bis zu 5 Personen in einen fensterlosen Container mit nichts als einer Holzbank und glatten weißen Wänden gesperrt. Die „Zellen“ waren durchgehend, auch nachts, mit zermürbendem Neonlicht beleuchtet und kaum belüftet. Die schlechte Luft, das Licht und die hohen Temperaturen haben es fast unmöglich gemacht, zu schlafen. Oft sind zusätzlich in regelmäßigen Abständen Polizisten in die Zelle gekommen oder haben an der Tür gerappelt, und uns angeschrien, sodass wir kaum schlafen konnten.
Wir alle mussten uns vor der Polizei nackt ausziehen, viele dann auch noch eine Kniebeuge machen. Eine junge Kollegin wurde gezwungen, unter den Augen der Beamten ihren Tampon herauszunehmen, und bekam anschließend keinen neuen. Einer weiteren Kollegin wurde von der Polizei bei der Festnahme ihre Brille entzogen, ohne die sie kaum etwas erkennen kann. Im
Gefangenentransport wurden wir Zeuge, wie eine Gefangene von der Polizei verprügelt wurde, um ihr anschließend Fußfesseln anzulegen. Das sind nur einige Beispiele, für die Demütigungen und Erniedrigungen, denen wir und unsere Mitgefangenen in der Gesa ausgesetzt waren.
Alle außer den minderjährigen KollegInnen wurden über 35 Stunden in der Gesa festgehalten. Bis wir einem Richter vorgeführt wurden mussten wir bis zu 30 Stunden warten, einen Anwalt sahen viele erst nach 12 Stunden und mehr. Der Anwalt eines Bonner Kollegen wurde in der Gesa von der Polizei tätlich angegriffen. Doch die Tortur endete nicht nach den 35 Stunden in der Gesa: Das
provisorische „Schnellgericht“, das extra für den Gipfel eingerichtet wurde, kam der Forderung der Polizei nach, uns weitere 28 Stunden festzuhalten. Fast alle inhaftierten Bonner wurden in die JVA Billwerder verlegt und dort bis zum Sonntag den 9. Juli um 18 Uhr festgehalten. Aber damit nicht genug: Am Ende ist das provisorische Hamburger Amtsgericht der Forderung der
Staatsanwaltschaft sogar soweit nachgekommen, dass drei KollegInnen in Untersuchungshaft gesteckt wurden! Unter fadenscheinigen Gründen wurden den Bonnern „Fluchtgefahr“ attestiert, zwei von ihnen saßen von Freitag bis zum nächsten Freitag, also mehr als 170 Stunden, hinter Gittern.
Die ver.di Jugend NRW-Süd steht hinter den betroffenen MitstreiterInnen und ruft zu breiter Solidarität auf!
Schluss mit der Kriminalisierung des legitimen Protests gegen die G20! Freiheit für die inhaftierten G20-AktivistInnen!
Für die Erhaltung und Erweiterung der demokratischen Rechte! Polizei, Justiz und Bundesregierung: Finger weg vom
Versammlungsrecht!
Kompromisslos für Frieden, für Umweltschutz, für grenzenlose Solidarität statt G20!
Spendet für von Repression betroffene AktivistInnen:
Rote Hilfe e.V.
IBAN: DE25 2605 0001 0056 0362 39
Sparkasse Göttingen
Stichwort „G20“

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