21.01.16
Wegen Mitgliedschaft in der
baskischen Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit/Euskadi
Ta Askatasuna) wurde der Freiburger Forscher Tomas Elgorriaga Kunze
alias José Gabriel Jimenez am 31. Oktober 2014 mit Hilfe spanischer
Behörden in Mannheim festgesetzt. Nach über einem Jahr in der Mannheimer
JVA wurde Tomas am 16. November 2015 unter fraglichen Umständen an den
Staat Frankreich überstellt, wo er in Abwesenheit zu hohen Haftstrafen
verurteilt worden war. Das OLG Karlsruhe verfügte für die Auslieferung
unter anderem die Auflage, dass die Anschuldigungen in Frankreich neu
geprüft würden und aufgrund der sozialen Bindungen ein Vollzug auch in
der BRD möglich sein soll. Das deutsche Gericht ordnete gegenüber der
französischen Justiz auch an, dass im Fall einer Verurteilung die
maximale Freiheitsstrafe 10 Jahre betragen darf. Eine Auslieferung an
den Folterstaat Spanien wurde Paris ebenfalls untersagt. Am 15. Januar
2016 begann nun der Prozess im Palais de Justice von Paris.
Flucht aus dem Baskenland
Tomas Elgorriaga Kunze floh aus Spanien, nachdem er Ende der 90er Jahre wie viele hundert Bask*innen seiner Generation wegen Unterstützung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung verhaftet und gefoltert wurde. Der Staat Spanien folterte laut Amnesty International systematisch hunderte vermeintliche UnterstützerInnen der ETA, um so Verrat zu erzwingen, falsche Geständnisse zu erpressen und jeglichen Widerstand zu brechen. Als Tomas, der linker Gemeinderat der Stadt Hondarribia war, im Jahr 1998 auf Kaution frei kam, flüchtete er nach Deutschland, woher auch Teile seiner Familie kommen. So begann erin Baden-Württemberg ein Leben in Klandestinität. Seine neue Identität lautete José Gabriel Jimenez, um sich vor der Verfolgung zu schützen. In Freiburg studierte Tomas über Jahre hinweg Anthropologie und Kulturwissenschaften und forschte am Institut für Soziologie. Nur das Wissenschaftszeitgesetz verhinderte eine Promotion des allseits als brilliant eingestuften Akademikers.
Nach der Sommerpause fehlte einer
Zu beginn des Wintersemesters 2014/15 fehlte Tomas plötzlich an der Universität. Sein Platz blieb leer, nachdem er in Mannheim verhaftet worden war. Für über ein Jahr saß er unter verschärften Haftbedingungen in der Mannheimer JVA: Er soll die ETA unterstützt haben und neben mehreren Verurteilungen in Abwesenheit durch die französische Justiz eröffnete auch das BKA ein Antiterrorverfahren (§129a/b) gegen ihn. Es gab mehrere Durchsuchungen in seiner Freiburger Wohnung und am Institut für Soziologie, bei denen gefälschte Dokumente beschlagnahmt wurden. In der spanischen Presse avancierte Tomas schnell zu einem führenden „Etarra“, auch wenn sich herausstellte, dass in Spanien vorerst keine Ermittlungen gegen ihn liefen. Anders in Frankreich. Hier wurde Tomas wegen Dokumentenfälschung mehrfach in Abwesenheit verurteilt, was zu einem Antrag auf Auslieferung führte. In Freiburg und anderen Städten gründeten sich Unterstützer*innen-Kreise, um Tomas Freilassung zu fordern. Im letzten Jahr lud das BKA zahlreiche Freund*innen, Kolleg*innen und weitere Menschen ausseinem Umfeld vor und ermittelt nach wie vor wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.
Abschiebung und Transfer
Da seit der NS-Zeit Verurteilungen in Abwesenheit in Deutschland ein juristisches Tabu sind, forderte das zuständige Oberlandesgericht in Karlsruhe eine ausführliche Begründung für das Auslieferungsbegehren durch die französische Justiz. Erst nach längerem Drängen durch die deutsche Staatsanwaltschaft und mehrfacher Fristverlängerung sah sich die französische Justiz in der Lage, die prozessrelevanten Unterlagen und insbesondere auch die Urteile gegen Tomas den deutschen Behörden vorzulegen. Am 13. November 2015 stimmte das OLG dem Auslieferungsantrag auf Basis des Europäischen Haftbefehls letzlich unter einschränkenden Bedingungen zu.
Der Oberstaatsanwalt Dr. Nothelfer veranlasste daraufhin am nächstmöglichen Werktag die Auslieferung von Tomas. Im Morgengrauen wurde er ohne die Möglichkeit sich vorzubereiten aus seiner Zelle geholt. Er hatte keine Gelegenheit, seine persönlichen Dinge mitzunehmen, nicht einmal seine Brille hatte er bei der Auslieferung dabei. Entgegen jeder rechtsstaatlicher Grundsätze wurde es ihm so auch verwehrt noch Rechtsbehelfe in Deutschland einzulegen. Auch ein mündlich gestellter Asylantrag wurde ignoriert. Ein Kontakt zu seinen Rechtsanwält*innen und der Familie wurde verweigert. Über drei Tage gab es infolgedessen keine Informationen über Tomas Verbleib. Erst Mitte der Woche erfuhren Anwält*innen und Verwandte, dass Tomas nach zwei Tagen in der Haftanstalt Strasbourg nach Paris gebracht wurde. Dort wurde er in Europas größtem, Ende der 60er Jahren errichteten, und restlos überfüllten Knast Fleury-Mérogis interniert.
Neuauflage der französischen Verfahren
Am vergangenen Freitag, den 15. Januar, startete nun die Neubeurteilung der in Frankreich gegen Tomas erhobenen Vorwürfe. Die vermeintliche Mitgliedschaft in der ETA wird von der französischen Justiz vor allem durch die Überzeugung begründet, er habe sich in der Fälschung von Dokumenten spezialisiert und sein vermeintliches Alias „Teo“ stünde im Zusammenhang mit anderen vermeintlichen ETA-Mitgliedern. Das historische Justizpalais auf der Ile-de-la-Cité im Zentrum der französischen Hauptstadt diente als Schauplatz, ein Dutzend Unterstützer*innen waren aus Hondarribia und Freiburg angereist um dem Verfahren beizuwohnen. Insgesamt summieren sich die bisherigen Verurteilungen auf Haftstrafen – in jedem Fall geht es der französischen Justiz um eine Mitgliedschaft der verbotenen Organisation ETA.
Nach verschärften Kontrollen konnten Angehörige und Unterstützer*innen gegen 12:30 Uhr vor dem Saal 16 auf den Prozessauftakt warten, der auf 13:30 Uhr terminiert worden war. Paris wirkt in diesen Wintertagen, über zwei Monate nach Verhängung des Ausnahmezustands, wie eine Festung. Neben zahllosen Polizeipatrouillen sind auch Militärs und Militärpolizisten überall präsent, besonders an großen Straßen und in den Bahnhöfen und Métrostationen. Ein einzelner, jugendlich wirkender Gendarm begann erst spät mit der zweiten Kontrolle der etwa 40 Prozessgäste. So konnte die Öffentlichkeit erst um 13:50 Uhr hergestellt werden, nachdem die Prozesseinleitung und Verlesung der Anschuldigungen bereits abgeschlossen war. Unter Androhung einer Strafe von 18.000 € war das erstellen von Ton und Bildmaterial untersagt worden. Neben Tomas' Unterstützer*innen und Anwält*innen saßen und standen auch etwa 15 angehende Jurist*innen, sowie Polizei und Gendarmerie im Gerichtssaal.
Verteidigung und Anträge
Nach ausführlicher Darstellung von Tomas Fall und seinen wissenschaftlichen und sozialen Tätigkeiten in seiner neuen Heimat forderte seine Anwältin die Freilassung ihres Mandanten. Er sei aus nachvollziehbaren Gründen und um sich zu Schützen geflohen und habe sich ein neues Leben aufgebaut. Hierzu wurden verschiedene, teils beglaubigte, teils frei übersetzte Dokumente angeführt, sowie die Tatsache, Tomas habe auch eine Weile unter echtem Namen in der BRD gelebt. Auch müsse sich die Strafe angesichts der langen Untersuchungshaft gehörig reduziert haben und die Verfahren, von denen ein Dossier im Laufe der Ermittlungen unter mysteriösen Umständen verschwand, zusammengefasst werden.
Der Staatsanwalt, der Eingangs betonte er habe ja keine Ahnung von der deutschen Justiz, führte für die Ablehnung des Antrags zwei für ihn wesentliche Gesichtspunkte an. Erstens müsse angesichts der grenzüberschreitenden Dimension der Verfahren und des in Deutschland laufenden §129a/b in Fragen des Strafmaßes eine Balance zwischen den Aklagen in Deutschland und Frankreich gefunden werden. Für ihn müsse die Schwere der Anklage den zentralen Gesichtspunkt des Verfahrens bilden.
Zweitens sei für ihn der Aspekt der langjährigen Untergrundtätigkeit entscheidend. Klar sei Tomas als „José Gabriel Jimenez“ gut aufgestellt und sozial integriert gewesen. Dennoch wurde eine große Anzahl falscher Dokumente auf seinen Namen gefunden worden, „ein wahrhaftiges Riesenarsenal“. Zwölf gefälschte Reisepässe und mehrere Führerscheine deuteten auf eine hohe Professionalität eines mutmaßlichen Fälschers hin. Die Begründungen der Verteidigung seienungenügend für eine Haftentlassung, Tomas sei gestern wie heute ein professioneller Fälscher. Es bestünde weiterhin Flucht- und Verdunklungsgefahr. Zu guter Letzt sei das klandestine Treffen, bei dem die Festnahme im Oktober 2014 erfolgt war, eine weitere „zweifelhafte Episode“, zumal sie an einem unpersönlichen Ort und in einer dritten Stadt stattfand.
Das Gericht, das an diesem Nachmittag zwei weitere „große Verfahren“ zu behandeln hatte, zog sich für eine kurze Beratung zurück. Anschließend wurde der Antrag auf Freilassung entsprechend der staatsanwältlichen Argumentation zurückgewiesen. Die ausführliche Verhandlung der Verfahren wurde terminiert. Tomas wurde in Handschellen abgeführt, nicht ohne die für ihn angereisten Unterstützer*innen mit einem letzten hoffnungsvollen Lächeln zu grüßen.
Ausblick - Tomas askatu!
In den wenigen Minuten, die das Gericht pausierte, suchte Tomas, der mit drei Gendarmen in einem Glaskasten sitzen musste, die Blicke seiner Bekannten. Viel Lächeln konnte ausgetauscht werden, auch wenn zu keinem Zeitpunkt eine direkte Begegnung möglich war. Mit ruhigen Gesten erkundete sich Tomas nach der Befindlichkeit ihrer Kinder und brachte zum Ausdruck, dass einige deutlich gewachsen seien. Teilweise hatte Tomas seine Unterstützer*innen - und sie ihn - seit mehr als 15 Jahren nicht gesehen. Der Gefangene konnte aus diesen wenigen Minuten sichtbar viel Kraft schöpfen. Auch schien er, besonders angesichts der verschärften Haftbedingung, Abschiebung und des Aufenthalts in Europas größtem Knast Fleury-Mérogis ungebrochen und zuversichtlich.
Besuche im Gefängnis sind derzeit nur durch engste Verwandte und Anwält*innen möglich. Der Prozess gegen Tomas wird am 23. und 24. Februar 2016 im Palais de Justice von Paris fortgesetzt. Wer dem Prozess beiwohnen möchte, sollte mindestens eine Stunde vor Verhandlungsbeginn vor Ort sein.
Schreibt Tomas:
Tomas Elgorriaga Kunze
c/o Maison d´arrêt hommes Fleury-Mérogis
7 Avenue des Peupliers
91705 - Sainte-Geneviève-des-Bois
Flucht aus dem Baskenland
Tomas Elgorriaga Kunze floh aus Spanien, nachdem er Ende der 90er Jahre wie viele hundert Bask*innen seiner Generation wegen Unterstützung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung verhaftet und gefoltert wurde. Der Staat Spanien folterte laut Amnesty International systematisch hunderte vermeintliche UnterstützerInnen der ETA, um so Verrat zu erzwingen, falsche Geständnisse zu erpressen und jeglichen Widerstand zu brechen. Als Tomas, der linker Gemeinderat der Stadt Hondarribia war, im Jahr 1998 auf Kaution frei kam, flüchtete er nach Deutschland, woher auch Teile seiner Familie kommen. So begann erin Baden-Württemberg ein Leben in Klandestinität. Seine neue Identität lautete José Gabriel Jimenez, um sich vor der Verfolgung zu schützen. In Freiburg studierte Tomas über Jahre hinweg Anthropologie und Kulturwissenschaften und forschte am Institut für Soziologie. Nur das Wissenschaftszeitgesetz verhinderte eine Promotion des allseits als brilliant eingestuften Akademikers.
Nach der Sommerpause fehlte einer
Zu beginn des Wintersemesters 2014/15 fehlte Tomas plötzlich an der Universität. Sein Platz blieb leer, nachdem er in Mannheim verhaftet worden war. Für über ein Jahr saß er unter verschärften Haftbedingungen in der Mannheimer JVA: Er soll die ETA unterstützt haben und neben mehreren Verurteilungen in Abwesenheit durch die französische Justiz eröffnete auch das BKA ein Antiterrorverfahren (§129a/b) gegen ihn. Es gab mehrere Durchsuchungen in seiner Freiburger Wohnung und am Institut für Soziologie, bei denen gefälschte Dokumente beschlagnahmt wurden. In der spanischen Presse avancierte Tomas schnell zu einem führenden „Etarra“, auch wenn sich herausstellte, dass in Spanien vorerst keine Ermittlungen gegen ihn liefen. Anders in Frankreich. Hier wurde Tomas wegen Dokumentenfälschung mehrfach in Abwesenheit verurteilt, was zu einem Antrag auf Auslieferung führte. In Freiburg und anderen Städten gründeten sich Unterstützer*innen-Kreise, um Tomas Freilassung zu fordern. Im letzten Jahr lud das BKA zahlreiche Freund*innen, Kolleg*innen und weitere Menschen ausseinem Umfeld vor und ermittelt nach wie vor wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.
Abschiebung und Transfer
Da seit der NS-Zeit Verurteilungen in Abwesenheit in Deutschland ein juristisches Tabu sind, forderte das zuständige Oberlandesgericht in Karlsruhe eine ausführliche Begründung für das Auslieferungsbegehren durch die französische Justiz. Erst nach längerem Drängen durch die deutsche Staatsanwaltschaft und mehrfacher Fristverlängerung sah sich die französische Justiz in der Lage, die prozessrelevanten Unterlagen und insbesondere auch die Urteile gegen Tomas den deutschen Behörden vorzulegen. Am 13. November 2015 stimmte das OLG dem Auslieferungsantrag auf Basis des Europäischen Haftbefehls letzlich unter einschränkenden Bedingungen zu.
Der Oberstaatsanwalt Dr. Nothelfer veranlasste daraufhin am nächstmöglichen Werktag die Auslieferung von Tomas. Im Morgengrauen wurde er ohne die Möglichkeit sich vorzubereiten aus seiner Zelle geholt. Er hatte keine Gelegenheit, seine persönlichen Dinge mitzunehmen, nicht einmal seine Brille hatte er bei der Auslieferung dabei. Entgegen jeder rechtsstaatlicher Grundsätze wurde es ihm so auch verwehrt noch Rechtsbehelfe in Deutschland einzulegen. Auch ein mündlich gestellter Asylantrag wurde ignoriert. Ein Kontakt zu seinen Rechtsanwält*innen und der Familie wurde verweigert. Über drei Tage gab es infolgedessen keine Informationen über Tomas Verbleib. Erst Mitte der Woche erfuhren Anwält*innen und Verwandte, dass Tomas nach zwei Tagen in der Haftanstalt Strasbourg nach Paris gebracht wurde. Dort wurde er in Europas größtem, Ende der 60er Jahren errichteten, und restlos überfüllten Knast Fleury-Mérogis interniert.
Neuauflage der französischen Verfahren
Am vergangenen Freitag, den 15. Januar, startete nun die Neubeurteilung der in Frankreich gegen Tomas erhobenen Vorwürfe. Die vermeintliche Mitgliedschaft in der ETA wird von der französischen Justiz vor allem durch die Überzeugung begründet, er habe sich in der Fälschung von Dokumenten spezialisiert und sein vermeintliches Alias „Teo“ stünde im Zusammenhang mit anderen vermeintlichen ETA-Mitgliedern. Das historische Justizpalais auf der Ile-de-la-Cité im Zentrum der französischen Hauptstadt diente als Schauplatz, ein Dutzend Unterstützer*innen waren aus Hondarribia und Freiburg angereist um dem Verfahren beizuwohnen. Insgesamt summieren sich die bisherigen Verurteilungen auf Haftstrafen – in jedem Fall geht es der französischen Justiz um eine Mitgliedschaft der verbotenen Organisation ETA.
Nach verschärften Kontrollen konnten Angehörige und Unterstützer*innen gegen 12:30 Uhr vor dem Saal 16 auf den Prozessauftakt warten, der auf 13:30 Uhr terminiert worden war. Paris wirkt in diesen Wintertagen, über zwei Monate nach Verhängung des Ausnahmezustands, wie eine Festung. Neben zahllosen Polizeipatrouillen sind auch Militärs und Militärpolizisten überall präsent, besonders an großen Straßen und in den Bahnhöfen und Métrostationen. Ein einzelner, jugendlich wirkender Gendarm begann erst spät mit der zweiten Kontrolle der etwa 40 Prozessgäste. So konnte die Öffentlichkeit erst um 13:50 Uhr hergestellt werden, nachdem die Prozesseinleitung und Verlesung der Anschuldigungen bereits abgeschlossen war. Unter Androhung einer Strafe von 18.000 € war das erstellen von Ton und Bildmaterial untersagt worden. Neben Tomas' Unterstützer*innen und Anwält*innen saßen und standen auch etwa 15 angehende Jurist*innen, sowie Polizei und Gendarmerie im Gerichtssaal.
Verteidigung und Anträge
Nach ausführlicher Darstellung von Tomas Fall und seinen wissenschaftlichen und sozialen Tätigkeiten in seiner neuen Heimat forderte seine Anwältin die Freilassung ihres Mandanten. Er sei aus nachvollziehbaren Gründen und um sich zu Schützen geflohen und habe sich ein neues Leben aufgebaut. Hierzu wurden verschiedene, teils beglaubigte, teils frei übersetzte Dokumente angeführt, sowie die Tatsache, Tomas habe auch eine Weile unter echtem Namen in der BRD gelebt. Auch müsse sich die Strafe angesichts der langen Untersuchungshaft gehörig reduziert haben und die Verfahren, von denen ein Dossier im Laufe der Ermittlungen unter mysteriösen Umständen verschwand, zusammengefasst werden.
Der Staatsanwalt, der Eingangs betonte er habe ja keine Ahnung von der deutschen Justiz, führte für die Ablehnung des Antrags zwei für ihn wesentliche Gesichtspunkte an. Erstens müsse angesichts der grenzüberschreitenden Dimension der Verfahren und des in Deutschland laufenden §129a/b in Fragen des Strafmaßes eine Balance zwischen den Aklagen in Deutschland und Frankreich gefunden werden. Für ihn müsse die Schwere der Anklage den zentralen Gesichtspunkt des Verfahrens bilden.
Zweitens sei für ihn der Aspekt der langjährigen Untergrundtätigkeit entscheidend. Klar sei Tomas als „José Gabriel Jimenez“ gut aufgestellt und sozial integriert gewesen. Dennoch wurde eine große Anzahl falscher Dokumente auf seinen Namen gefunden worden, „ein wahrhaftiges Riesenarsenal“. Zwölf gefälschte Reisepässe und mehrere Führerscheine deuteten auf eine hohe Professionalität eines mutmaßlichen Fälschers hin. Die Begründungen der Verteidigung seienungenügend für eine Haftentlassung, Tomas sei gestern wie heute ein professioneller Fälscher. Es bestünde weiterhin Flucht- und Verdunklungsgefahr. Zu guter Letzt sei das klandestine Treffen, bei dem die Festnahme im Oktober 2014 erfolgt war, eine weitere „zweifelhafte Episode“, zumal sie an einem unpersönlichen Ort und in einer dritten Stadt stattfand.
Das Gericht, das an diesem Nachmittag zwei weitere „große Verfahren“ zu behandeln hatte, zog sich für eine kurze Beratung zurück. Anschließend wurde der Antrag auf Freilassung entsprechend der staatsanwältlichen Argumentation zurückgewiesen. Die ausführliche Verhandlung der Verfahren wurde terminiert. Tomas wurde in Handschellen abgeführt, nicht ohne die für ihn angereisten Unterstützer*innen mit einem letzten hoffnungsvollen Lächeln zu grüßen.
Ausblick - Tomas askatu!
In den wenigen Minuten, die das Gericht pausierte, suchte Tomas, der mit drei Gendarmen in einem Glaskasten sitzen musste, die Blicke seiner Bekannten. Viel Lächeln konnte ausgetauscht werden, auch wenn zu keinem Zeitpunkt eine direkte Begegnung möglich war. Mit ruhigen Gesten erkundete sich Tomas nach der Befindlichkeit ihrer Kinder und brachte zum Ausdruck, dass einige deutlich gewachsen seien. Teilweise hatte Tomas seine Unterstützer*innen - und sie ihn - seit mehr als 15 Jahren nicht gesehen. Der Gefangene konnte aus diesen wenigen Minuten sichtbar viel Kraft schöpfen. Auch schien er, besonders angesichts der verschärften Haftbedingung, Abschiebung und des Aufenthalts in Europas größtem Knast Fleury-Mérogis ungebrochen und zuversichtlich.
Besuche im Gefängnis sind derzeit nur durch engste Verwandte und Anwält*innen möglich. Der Prozess gegen Tomas wird am 23. und 24. Februar 2016 im Palais de Justice von Paris fortgesetzt. Wer dem Prozess beiwohnen möchte, sollte mindestens eine Stunde vor Verhandlungsbeginn vor Ort sein.
Schreibt Tomas:
Tomas Elgorriaga Kunze
c/o Maison d´arrêt hommes Fleury-Mérogis
7 Avenue des Peupliers
91705 - Sainte-Geneviève-des-Bois
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