Sonntag, 12. Oktober 2014
Mexiko: 43 Studenten nach Massaker gewaltsam verschwunden
30.09.12. Im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero ist es am Abend des 26. September zu äusserst brutalen Angriffen der Polizei auf Studenten der pädagogischen Hochschule “Raúl Isidro Burgos” von Ayotzinapa gekommen, bei denen gemäss ersten Untersuchungen auch lokale Mafiamitglieder beteiligt waren.
Die vorläufige Bilanz der insgesamt vier Schiessereien im 120 km von Mexikos Hauptstadt entfernten Iguala ist erschütternd: Zwei junge Studierende wurden erschossen, einer starb nach brutaler Folter, zwei weitere wurden schwer verletzt und befinden sich in Lebensgefahr. Drei Unbeteiligte kamen ebenfalls ums Leben, ein Dutzend weitere Verletzte befinden sich in Spitalpflege. Und die Studierenden vermissen auch vier Tage nach den Ereignissen 43 ihrer Komilitonen. Die Studenten, NGOs und auch die Staatsanwaltschaft von Guerrero befürchten, dass diese zwar von der Polizei verhaftet, aber anschliessend in Mafiahände übergeben wurden. "Die Hoffnung, die gewaltsam Verschwundenen lebend und gesund zu finden, schwindet stündlich", meint Raymundo Díaz, Arzt der medico-Partnerorganisation Kollektiv gegen Folter und Straflosigkeit (CCTI), der Überlebende und Angehörige betreut.
Der Auslöser der Polizeigewalt gegen die Internatsstudenten - die Hochschule in Ayotzinapa ermöglicht mittellosen, meist indigenen Bauernsöhnen die Erlernung des Lehrerberufs für die Grundschule - war die Beschlagnahmung von drei Bussen durch die Studierenden, die mit diesen nach Mexiko Stadt fahren wollten, um an der Gedenkdemonstration des Studentenmassakers vom 2. Oktober 1968 teilzunehmen. Die lokale Polizei von Iguala schoss ohne Vorwarnung auf einen der Busse, zwei Aktivisten erlitten Kopfverletzungen, einer liegt seither im Koma. Gemäss Augenzeugenberichten befanden sich bei diesem ersten Angriff auch bundesstaatliche und föderale Polizeieinheiten vor Ort.
In den folgenden vier Stunden geschahen dann die weiteren Angriffe, unter anderem durch ein ziviles Kommando auf eine improvisierte Pressekonferenz um Mitternacht in den Strassen Igualas, zwei Studierende kamen im Kugelhagel ums Leben. Am 27. September übernahm das mexikanische Militär in Iguala das Ruder; 22 Polizisten sind inzwischen in Haft und sollen gemäss der Staatsanwaltschaft Guerreros zur Verantwortung gezogen werden.
Die Ereignisse von Iguala sieht Abel Barrera, Direktor des Menschenrechtszentrums Tlachinollan, im politischen Kontext von Guerrero, einem der ärmsten und gewalttätigsten Bundesstaaten Mexikos: “Hier gibt es eine staatliche Politik der Morde an Anführern der sozialen Bewegungen und der Kriminalisierung der Proteste, um die soziale Unruhe im Zaum zu halten”.
In einem Pressebulletin beschreibt das CCTI die konkreten Auswirkungen dieser Politik: “Die Gesellschaft Guerreros ist gelähmt, paralysiert durch die Angst und den Terror, ausser einiger weniger Sektoren mit langer Kampftradition, wie die Studenten und die Lehrer”. Das CCTI erinnert auch an zahlreiche vorangegangene politische Morde, die allesamt straffrei blieben. So wurden zwei Schüler von Ayotzinapa am 12. Dezember 2011 in Chilpancigo bei einer Demonstration von Polizisten getötet, doch die angeklagten Polizisten wurden freigesprochen. Im Einsatz waren dabei gemäss Presseberichten auch deutsche Sturmgewehre von Heckler & Koch, was in Deutschland zu einem politischen Nachspiel führte.
Urgent Action zu den gravierenden Verletzungen der Menschenrechte in Iguala (englische Übersetzung) gleich online unterschreiben
Weitere Informationen zur Arbeit unserer Partnerorganisation CCTI Guerrero: Prävention von Folter und psychosoziale Begleitung
URL: http://medicointernational.ch/projekte/mexiko/hintergruende/446
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