Sonntag, 12. Oktober 2014
Atommüll – Feuchter Boden, rostige Fässer
Einlagerung von Atommüll in Gorleben gestoppt. Noch mehr kaputte Behälter in Brunsbüttel gefunden
Reimar Paul, junge welt
10 Okt 2014
Die Situation bei der Aufbewahrung von schwach- und mittelradioaktivem Atommüll spitzt sich weiter zu. Für das Zwischenlager Gorleben wurde ein Einlagerungsstopp verfügt, in den Kellern des stillgelegten Atomkraftwerks Brunsbüttel tauchen immer mehr durchgerostete Atommüllfässer auf.
Vorerst dürfen keine schwach- und mittelradioaktiven Abfälle nach Gorleben gebracht werden. Dies vereinbarten Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) und die Gesellschaft für Nuklear-Service als Betreiber der beiden Gorlebener Zwischenlager am Donnerstag. Die Pause soll so lange gelten, bis Prüfungen zur Ursache von Feuchtigkeit auf dem Hallenboden abgeschlossen sind, sagte Wenzel bei einem Besuch der Anlage im Wendland. Einen Einlagerungsstopp für Castorbehälter mit stark strahlendem Müll hatte zuvor bereits das Standortauswahlgesetz festgeschrieben.
Außer mehreren feuchten Stellen war im sogenannten Fasslager auch abgeplatzte Farbe an einigen der Behälter festgestellt worden. Die Ursachen für die Schäden seien bislang nicht geklärt, berichtete Wenzel. In Frage kämen einsickerndes Wasser in Folge eines »Starkregenereignisses« im Juli oder Kondenswasserbildung. »Wenn bereits nach 30 Jahren Probleme bei der Aufbewahrung des Atommülls auftreten, ist die Sorge bezüglich der vor uns liegenden längeren Zeiträume nicht unbegründet«, sagte der Minister.
Die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg verlangt, dass der Zustand der Fässer genauer untersucht wird. In das Fasslager, das im Gorlebener Wald unmittelbar neben der Halle für Castorbehälter steht, waren erstmals vor 30 Jahren Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll gebracht worden. Derzeit lagern dort rund 3.300 Fässer und Container mit einem Volumen von etwa 6.500 Kubikmetern. Die Kapazität der 4.500 Quadratmeter großen und fünf Meter hohen Halle beträgt insgesamt 15.000 Kubikmeter.
Noch dramatischer ist die Lage in Brunsbüttel. Mehr als 100 von mittlerweile 335 untersuchten Fässern in den Kellern des Kraftwerks sind »stark beschädigt«, teilte das Umweltministerium in Kiel mit. Wanddurchdringende Korrosion, der Austritt von Fassinhalten oder lose Deckel gelten als solche starken Schäden. Ende September waren zunächst 55 der bis dahin 250 inspizierten Fässer als kaputt eingestuft worden. Am Freitag sollte eine weitere der insgesamt sechs Kavernen mit 631 Fässern für eine Inspektion geöffnet werden. Auch hier rechnet die Atomaufsicht mit »erheblichen Schäden«. Vattenfall als Betreiber des AKW hatte Ende September einen Entwurf für ein Bergungskonzept vorgelegt. Es muss wegen des Ausmaßes des Schadens erweitert werden, weil sich stark deformierte Fässer mit bislang entwickelten Greifvorrichtungen nicht bergen lassen.
Die Abfälle aus Gorleben und Brunsbüttel sollen später nach Salzgitter gekarrt werden – dort lässt der Bund das frühere Eisenbergwerk Schacht Konrad zum Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle umbauen. Weil das Mauerwerk aufwendig saniert werden muss, verzögert sich der Betriebsbeginn erneut. Vor 2022 kann das Lager nicht in Betrieb gehen. Auch die Kosten steigen weiter – von einst 900 Millionen auf drei Milliarden Euro. Vorerst.
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