Sonntag, 12. Oktober 2014

Der Rechte Rand: Ein Vierteljahrhundert Aufklärung

25 Jahre antifaschistische Aufklärung: Der Rechte Rand feiert seinen Geburtstag mit einer Sonderausgabe zum Thema „Nazi Spitzel“. Wir gratulieren und haben uns die Jubiläumsausgabe näher angeschaut. Von Kai Budler „Wenn ich fundierte Informationen über Nazis haben will, lese ich den Rechten Rand“, sagte im vorigen Jahr eine Freundin beim Erscheinen des Verfassungsschutz-Berichtes und fügte hinzu: „Und dem Geheimdienst würde ich das erst recht empfehlen“. Vor 25 Jahren erschien die erste Ausgabe des Magazins „von und für AntifaschistInnen“, der Anlass waren die Wahlerfolge der extrem rechten Partei „Die Republikaner“ (REP). Trotz des Parteiabstiegs in die Bedeutungslosigkeit ist das Streben der extremen Rechten nach Macht- und Einfluss in den vergangenen 25 Jahren konstant geblieben. Und so warnt die ehrenamtlich arbeitende Redaktion in ihrem Editorial zur Jubiläumsausgabe: „der aktuelle Flirt einiger Unions-PolitikerInnen mit der rechtspopulistischen ‚Alternative für Deutschland‘ oder die fast vergessene Hamburger Koalition mit der rechten ‚Schill-Partei‘ zeigen: Die Bereitschaft, sich mit dem rechten Rand einzulassen, ist vorhanden – bedingt durch ideologische Nähe oder unbedingten Willen zum Machterhalt“. Einem anderen, ebenfalls konstanten Thema der extremen Rechten widmet sich das Magazin „Der Rechte Rand“ (DRR) in seiner aktuellen 150. Ausgabe auf doppelter Seitenstärke. Es geht um die Verbindungen zwischen Neonazis und Geheimdiensten bzw. die Frage, wie sich die staatliche Alimentierung der als V-Leute und Spitzel beschäftigten Neonazis auf die extrem rechte Szene ausgewirkt hat. Das Thema steht spätestens seit den Erkenntnissen im Zuge der NSU-Aufklärung verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit, wird aufgrund seiner Informationsfülle für Laien aber schnell unübersichtlich. Dagegen überrascht der DRR mit einem Hintergrundartikel über Adolf Hitler als „Vertrauensmann“ der Reichswehr und Einzelportraits von Spitzeln und V-Männern aus der Neonazi-Szene. Die langjährige und kontinuierliche Berichterstattung des DRR ermöglicht es den Autoren der aktuellen Ausgabe, bei ihren Texten von einem profunden Wissen zu profitieren. Ein Großteil der Namen der 28 porträtierten Spitzel und V-Leuten ist bereits in zurück liegenden Ausgaben des Magazins aufgetaucht, doch erst die geballte Sammlung macht den eigentlichen Skandal offenkundig. Immer wieder haben die Geheimdienste mit ihrer Bezahlung der als Spitzel beschäftigten Neonazis dazu beigetragen, dass diese den Aufbau der extrem rechten Szenen vorantreiben konnten. Gleichzeitig verhinderten die Behörden oftmals mit schützender Hand eine strafrechtliche Verfolgung der oft ranghohen Neonazis für begangene Straftaten oder warnten sie vor anstehenden Repressionsmaßnahmen. Eine Erkenntnis, an die sich Beobachter der NSU-Aufklärung durch die massive Häufung der Spitzel-Fälle fast schon gefährlich gewöhnt haben. Doch es sind beileibe keine Einzelfälle, wie sich beim Lesen der Portraits zeigt: die daraus erwachsende Gefahr hat vielmehr System und dies führte und führt immer wieder zu Toten, Verletzten und anderen Opfern von neonazistischer Gewalt. Das Gesamtausmaß dieser Fälle bleibt wahrscheinlich unbekannt, denn nach wie vor berufen sich die Geheimdienste beim Schweigen auf den Quellenschutz wegen einer vermeintlichen Bedrohung der Spitzel im Fall einer Enttarnung. Eine fadenscheinige Ausrede, macht der DRR klar und verweist bei der Dekonstruktion des Mythos auf eine Antwort des Thüringer Innenministeriums im Landtag. Dort musste es „einräumen, dass es in den vergangenen 20 Jahren nur in vier Fällen Kenntnis von Drohungen und Attacken gegen Spitzel habe. Nur einer davon sei körperlich angegriffen worden. Eine reale Gefahr für enttarnte Spitzel gibt es also kaum“. Und auch Gregor Wiedemann vom „Forum für kritische Rechtsextremismusforschung“ resümiert im DRR-Interview: „Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sich die Neonazi-Szene in Ostdeutschland ohne die Hilfe des ‚Verfassungsschutzes‘ (VS) bis Ende der 1990er Jahre nicht in dem Maße hätte organisieren können. Die zunehmende Vernetzung und Verfestigung der anfangs eher losen Fascho- und Skinhead-Szene vollzog sich mit Wissen der verschiedenen VS-Ämter und unter Beteiligung ihrer Vertrauensleute in zentralen Positionen“. Noch dazu ließen die Verstrickung von V-Leuten in den Führungsebenen der NPD das Verbotsverfahren gegen die NPD 2003 scheitern – eine Blamage für den deutschen Staat, dessen Geheimdienste die NPD so vor einem Verbot schützten. Angesichts der vielen verschwörungstheoretisch besetzten Debatten um Geheimdienste und Neonazis ist die Lektüre des DRR-Jubiläumsheftes eine Wohltat, denn das Themenheft sorgt mit Hintergrundwissen, Vernetzungen und gewohnt klarer Analyse für Erkenntnisgewinn statt schnell vergängliche Schlagzeilen. Genau diese Qualität ist es, die dem DRR seit einem Vierteljahrhundert die exponierte Stellung sichert, während andere Magazine oftmals nur für kurze Zeit für ein Rauschen im Blätterwald sorgten. Genau aus diesem Grund ist DRR auch künftig unverzichtbar, wenn es um die Einschätzung und Einordnung der extrem rechten Bewegung und ihren vielen Facetten für die Öffentlichkeit geht. Denn wer, möchte man sich fragen, soll das sonst tun? Etwa der Verfassungsschutz? „Der rechte Rand“ erscheint alle zwei Monate und wird vom Verein Bildung & Publizistik heraus gegeben. Die gerade erschienene 150. Ausgabe mit 72 Seiten kostet 3,50 Euro, ein Inlandsabo mit sechs Ausgaben 21 Euro im Jahr. Das Abo-Formular kann unter www.der-rechte-rand.de herunter geladen (und ausgefüllt) werden, dort können auch ältere Nummern und Extra-Ausgaben des Magazins online gelesen und herunter geladen werden.

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