Sonntag, 12. Oktober 2014
Die nachträgliche Kriegserklärung des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan
Mako Qocgiri, Mitarbeiter von Civaka Azad, 11.10.2014
Gestern Abend wandte sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan aufgrund der anhaltenden Proteste in der Türkei und in Nordkurdistan und den nicht abreißenden Todesmeldungen aus dem ganzen Land an seine Nation. Wer versöhnliche Worte des türkischen Präsidenten erwartete, um die Lage im Land zu beruhigen, der wurde bitter enttäuscht. Stattdessen kamen einem bei den Worten Erdoğans Erinnerungen an seine mittlerweile achteinhalb Jahre alte Rede hoch. Damals war der jetzige Staatspräsident noch Ministerpräsident und im Norden Kurdistans herrschte abermals ein Volksaufstand, nachdem 14 Guerillakräften der HPG durch das türkische Militär unter Einsatz von chemischen Waffen ermordet worden waren. Erdoğans Worte vom März 2006 hatten den Charakter eines Befehls an seine Sicherheitskräfte: “Egal ob es sich dabei um Frauen oder auch Kinder handelt, das notwendige wird getan.” Nach dieser Rede trafen die Todesmeldungen ein. Und wie Erdoğan es prophezeit hatte, waren unter den insgesamt in den Folgetagen 13 getöteten Menschen auch ein 3-, ein 7-, ein 8- und ein 9-jähriges Kind.
Die gestrigen Worte des türkischen Präsidenten lauten nun unter anderem: “Unsere Polizei und unser Militär werden das Notwendige unternehmen. Ein großer Staat wird sich gewaltsamen Protesten nicht ergeben. Ich sage es offen, sowohl nach innen und außen, wir sind es, die unsere Politik bestimmen. Kein anderes Land der Welt kann diese bestimmen“, oder auch “als Staat haben wir derzeit mit all unseren Institutionen die Entschlossenheit, alles Notwendige zu unternehmen. Koste es was es wolle. Wir werden auf die Weise, die von denen verstanden wird, voranschreiten.” Vor wenigen Tagen hatte derselbe Präsident bereits in der Stadt Dîlok (Gaziantep), wo es seit Tagen Hetzjagden gegen Kurdinnen und Kurden gibt und insgesamt vier Demonstranten ermordet worden sind, eine Rede gehalten, die einen Einblick in die islamistische Gedankenwelt von Erdoğan zeigen (wir berichteten). Das sind die Worte eines Staatspräsidenten, die nicht nur die türkischen Sicherheitskräfte sondern auch faschistische und islamistische Mobs, die regelrechte Lynchkampagnen im ganzen Land gegen die Kurden führen, in ihrem Handeln ermutigen.
Nun sind in den vergangenen bei den Protesten insgesamt 43 Menschen ums Leben gekommen. Der größte Teil der Getöteten waren Menschen, die aus Solidarität mit dem Widerstand von Kobanê auf die Straßen gegangen waren und, nicht zu vergessen, gegen die Unterstützung des IS durch die türkische Regierung protestierten. So gesehen sind die Worte Erdoğans als eine nachträglich Kriegserklärung an die kurdische Bevölkerung zu verstehen. Die offizielle Erklräung eines Krieges, den die AKP Regierung schon seit Längerem durch die Hand von islamistischen Gruppen in Rojava gegen die Kurdinnen und Kurden führt, und der nun auch über die Grenze nach Nordkurdistan übergeschwappt ist.
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