Sonntag, 12. Oktober 2014
Jutta Ditfurth und die Neurechten
Von 3sat wurde Jutta Ditfurth eingeladen, sich zu den Mahnwachen gegen den Krieg zu äußern. Sie tat es ausgiebig, hat sich und den friedensbewegten Menschen in Deutschland damit aber keinen Gefallen getan. Gerade Jutta Ditfurth müsste wissen, wenn die Medien zur Umarmung ausholen, ist große Vorsicht geboten.
Was ist passiert? Jutta Ditfurth steht den Mahnwachen für Frieden skeptisch gegenüber. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, Skepsis ist Bürgerpflicht. Ein gutes Maß an Wachsamkeit ist elementar für das Funktionieren und den Erhalt von Demokratie.
Allerdings kann man dabei auch über das Ziel hinaus schießen. Jutta Ditfurth tut genau dies.
In ihrer Arbeit gegen den Faschismus hatte sie das Phänomen der „Neurechten” entdeckt. Zentral für die Neurechte ist Ditfurths Argumentation zufolge das Kaschieren faschistischer Inhalte durch Chiffren. Das Nennen der „Federal Reserve Bank” steht dann nicht mehr für „Federal Reserve Bank”, sondern für jüdische Weltverschwörung.
Das Problem mit Chiffren ist allerdings, dass man nie weiß, wann ein Ausdruck eine Chiffre ist und wann nicht. Chiffren können nur von jenen als geheimer Code identifiziert werden, die bereits zur Gruppe der Codennutzer gehören, also eingeweiht sind. Für das Überzeugen von Menschen ist eine chiffrierte Sprache ein denkbar ungeeignetes Mittel, denn die Chiffre muss zu irgendeinem Zeitpunkt entkleidet werden. Spätestens dann wendet man sich ab, wenn der Inhalt des eben noch sorgsam Ummantelten stört.
Sollte also einer der Teilnehmer auf den Mahnwachen für Frieden sich einmal mit verschwörerischem Augenaufschlag an mich wenden und sagen „Du Gert, mit der FED meinen wir gar nicht die FED, wir meinen die …, na, du weißt schon, … die Juden und ihre Weltverschwörung”, dann würde ich antworten „Mensch, du hast sie doch nicht mehr alle!”, und gehen. Genauso wie vermutlich die Mehrzahl der Teilnehmer an den Mahnwachen glaube ich nämlich nicht an rechte Verschwörungstheorien.
Allerdings glaube ich auch nicht an linke. Aber um eine Verschwörungstheorie handelt es sich bei den Ideen von Jutta Ditfurth im Hinblick auf die Mahnwachen. Ihre Argumente sind dünn und die Beweise fragwürdig, ihr Urteil allzu pauschal. Überall lauert der Nazi, alles wird zur Chiffre, Frieden heißt Krieg. Das klingt doch sehr nach Paranoia, zumal Ditfurth übersieht, dass Bedeutung sich nicht aus dem einzelnen Wort, sondern aus dem Kontext ergibt.
Wenn man zudem Menschen für das krude Zeug verantwortlich macht, dass drei Klicks weiter im Internet platziert wurde, dann hat man entweder das Internet nicht verstanden oder man will einfach partout etwas finden, wo unter Umständen gar nichts ist. Lars Mährholz eine rechte Gesinnung zu unterstellen, weil Menschen, die auf Facebook mit ihm befreundet sind, wiederum mit Menschen befreundet sind, die Webseiten mit zweifelhaftem Gedankengut verlinken, ist als Methode mehr als nur fragwürdig.
Ich habe dasselbe Verfahren beim ersten angezeigten Facebookfreund von Jutta Ditfurth angewendet und landete lediglich zwei Klicks weiter auf der Webseite einer mir völlig unbekannten Schlagersängerin namens Andrea Hoffmann, die dort ihre neue Single „2 Herzen ein Weg (Der Hochzeitssong)” anpreist. Hätte ich daraus jetzt auf den schlechten Musikgeschmack von Jutta Ditfurth schließen und der Antifa einen Hang zur Verkitschung der Welt unterstellen sollen?
Was aber neben all der methodischen Fragwürdigkeit noch schwerer wiegt, ist, dass sich Jutta Ditfurth von Medien zur Diskreditierung einer Bewegung einspannen lässt, die eben diese Medien grundlegend und auch sehr fundiert kritisiert.
Was könnte dem Mainstreamjournalismus gelegener kommen als eine laut vorgetragene Diffamierung?
Mal ehrlich: Warum sollte sich 3sat dafür interessieren, wen Jutta Ditfurth auf ihrer Facebookseite aus welchem Grund entfreundet? Jutta Ditfurth hält die Vorgänge auf ihrer Facebookseite allerdings tatsächlich für so bedeutsam, dass sie in die weithin sichtbare Falle tritt: „Das führte zu einer unglaublichen Diskussion. Und jetzt sind es Hundertausende und Zehntausende, die sich am Shitstorm (gegen die Mahnwachen) beteiligen”, lässt sie den Zuschauer wissen.
Wenn Jutta Ditfurth dann die Zahl von Hundertausenden, die angeblich in die Diskussion um die Neurechten eingestiegen sind, schnell auf die sicherlich auch noch zu hoch gegriffene aber realistischere Menge zehntausende herunterkorrigiert, dann hätte sich bei ihr ein weiterer gedanklicher Schritt ergeben müssen. „Was versetzt mich hier in eine derartige Euphorie, dass ich anfange, überheblich lächelnd mit schwer nachprüfbaren Zahlen um mich zu werfen? Warum fühle ich mich plötzlich so kuschelig in meiner Rolle als Mahnerin? Warum nehme ich diese Rolle so bereitwillig an? Warum will ein öffentlich-rechtlicher Sender, der von denen, die ich pauschal neurechts nenne, massiver Kritik ausgesetzt wurde, dass ich all das hier sage? Warum ist er bereit, mir Sendezeit zur Verfügung zu stellen?”
Tja liebe Jutta Ditfurth, da bist du leider auf den ältesten Trick der Menschheit reingefallen und hast dich vor den Karren spannen lassen: Divide et impera. Teile und herrsche. Mit Jutta Ditfurth haben die Medienanstalten eine Marionette gefunden, die mit ihren Aussagen eine zutiefst medienkritische Bewegung diffamiert.
Und während einige Linke darüber nachdenken, ob am Ditfurthschen Paradox etwas dran sein könnte, ob nämlich Nazis jetzt wirklich plötzlich für Frieden demonstrieren, und sie sich daher von den Mahnwachen lieber fernhalten, gewinnen durch Jutta Ditfurth die traditionellen Medien ein Stück weit die Deutungshoheit über die poltische Agenda zurück. Schließlich kommt die Kritik von rechts und ist damit disqualifiziert.
Mit Aufklärung hat das, was Jutta Ditfurth im Zusammenhang mit den Mahnwachen macht, nichts zu tun. Vielmehr hat sie sich am Nasenring ihrer Eitelkeit packen und durch die mediale Manege ziehen lassen. Schade.
Sollten Jung von Matt für eine Bildzeitungskampagne wieder mal Prominente benötigen, dann empfehle ich der Agentur sich an Jutta Ditfurth zu wenden. Sie ist inzwischen so reif wie Alice Schwarzer es war, als sie in einer Bildkampagne zur Mutigen gekürt wurde, die die Wahrheit ausspricht. Als Slogan für Jutta Ditfurth schlage ich vor „Jede Bewegung braucht eine Linke, die dem Establishment dient. Bild.”
[1] Das Geschlecht derer von Dittfurth ist 1148 mit dem Ministerialen Hoimarus de Dhitvorden das e rste Mal urkundlich erwähnt. Sie waren keine reichsunmittelbaren Adlig, sondern Ministerialen, also im Dienste eines Reichfürsten – hier im Dienste des Reichsstifts Quedlinburg.
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