Sonntag, 12. Oktober 2014
4. Oktober 2014: Die Infrastruktur der Drohnenkriegführung sichtbar machen
Der Globale Aktionstag zeigt Perspektiven für eine dezentrale Bewegung
gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen
von: Christoph Marischka
Kampf- und Überwachungsdrohnen sind vielen Menschen wahrscheinlich auch
deshalb so unheimlich, weil sie uns so übermächtig erscheinen. Die
Entscheidung, sie zu entwickeln und einzusetzen, wurde über unsere Köpfe
hinweg getroffen und über diesen schweben nun bereits in vielen Teilen
der Welt unbemannte Flugzeug, die uns unbemerkt filmen und
kategorisieren, unsere Handys orten und abhören können und in manchen
Weltregionen bereits genutzt werden können, um auf Knopfdruck Menschen
zu eliminieren. Drohnen versetzen ihre Anwender_innen – oder auch: die
Herrschenden – in eine vermeintlich fast göttliche Position, alles sehen
und Menschen töten zu können, ohne dass wir uns hiergegen wehren
könnten. Diese Wahrnehmung sorgt für Empörung und mag damit auf den
ersten Blick hilfreich sein bei der Mobilisierung von Protest gegen
diese Kriegführung und die dahinter stehende Überwachungstechnologie.
Sie trägt aber auch einen Moment der Demobilisierung in sich, denn die
Handlungsoptionen einer entstehenden Anti-Drohnen-Bewegung verengten
sich dadurch teilweise auf Appelle an jene Regierungen, die Drohnen
entwickeln und einsetzen, internationale Verhandlungen über Abkommen zu
beginnen, die den Einsatz von Kampfdrohnen regulieren und verhindern
sollen, dass diese ohne menschliches Zutun über den Einsatz von
Waffengewalt entscheiden.
Bereits die dezentralen Vorbereitungen für den Aktionstag gegen Drohnen
für Krieg und Überwachung – eingebettet in Aktionstage “Keep Space for
Peace” (lasst den (Welt-)Raum für Frieden) – zeigen, wie unzutreffend
die Wahrnehmung der fast schon göttlichen, unangreifbaren Drohnen ist
und zeigen vielfältige Möglichkeiten auf, gegen Drohnenüberwachung und
-kriegführung zu intervenieren. Denn auch Drohnen müssen starten und
landen und oft auch ersteinmal aufwändig ins Einsatzgebiet transportiert
werden. Das Personal, das sie bedienen soll, muss ausgebildet werden und
ist hierzu auf aufwändige Simulatoren angewiesen. Vor dem tatsächlichen
Einsatz jedes Modells stehen Testflüge in gesperrtem Luftraum auf eigens
hierfür geschaffenen Arealen. Da die Drohnen durch störanfällige
eleoktromagnetische Wellen gesteuert werden, muss beständig an neuen
Verschlüsselungssystemen geforscht und neue Software installiert werden.
Der beständig wachsende Einsatz von Drohnen, höhere Auflösung und
zunehmende Sensorik erzeugen riesige Datenmengen, für die immer neue
Satellitenanlagen gebaut und Unterseekabel verlegt werden. Für jede
Drohne, die in der Luft ist, braucht es Wartungs- und Bedienpersonal am
Boden – insbesondere bei bewaffneten Drohnen auch in Einsatznähe. Die
Bilder der Drohne werden über Kabel und Satelliten in weit entfernte
Lagezentren übermittelt, die ihrerseits beständig auf- und umgerüstet,
für neue Formate und gegen Spionage fit gemacht werden. Für die
automatisierte Auswertung der immensen Datenmengen und ihre Verknüpfung
mit anderen Aufklärungsergebnissen wird an zivilen Universitäten und
Forschungseinrichtungen geforscht. So finden sich an nahezu jedem Ort
Ansatzpunkte für Protest gegen die globale Drohnenkriegführung und die
sich in diesem Kontext entwickelnde Überwachungstechnologie.
Kommunal- und Weltpolitik
In der Oberpfalz zum Beispiel ist das schon Realität. Gut 50 km östlich
von Nürnberg grenzen mit Grafenwöhr und Hohenfels zwei US-amerikanische
Truppenübungsplätze an den Landkreis Amberg-Sulzbach, auf denen
Übungsflüge mit Hunter-Drohnen stattfinden. Dafür durften bislang nur
die gesperrten Luftgebiete direkt über den Standorten genutzt werden,
“um … bedarfsgerechtere Übungsmöglichkeiten für die US-Streitkräfte zu
ermöglichen” wurden 2013 jedoch zwei für den übrigen Luftverkehr
gesperrte Korridore eingerichtet, in denen sich die Drohnen auch
zwischen beiden Geländen bewegen dürften. Ein Landtagsabgeordneter der
SPD aus dem Kreis und ein Bundestagsabgeordneter der LINKEN stellten
daraufhin vehemente Nachfragen beim Bundesverteidigungsministerium, die
einiges öffentliches Aufsehen erregten, außerdem schlossen sich mehrere
Bürgerinititiativen zusammen mit dem Ziel, die Übungsflüge zu
verhindern. Auf Antrag der Grünen wurde vom Kreistag daraufhin im März
2014 eine Resolution verabschiedet, nach der “der Luftraum über dem
Landkreis Amberg-Sulzbach nicht für Überflüge von militärischen Drohnen
genutzt werden darf”. Der Landrat musste daraufhin die Bayerische
Staatsregierung und das Bundesverteidigungsministerium in einem
Schreiben über diesen Beschluss informieren, der allerdings für das
letztlich entscheidenende BMVg in keiner Weise bindend ist.
Etwa 100 km südlich von Ambach nahe München an der Isar gelegen, liegt
der kleine Ort namens Moosburg. Im Gemeinderat der Stadt mit etwa 17.000
Menschen wird in letzter Zeit viel über Weltpolitik diskutiert, weil
Horizon Satellite Services, ein Anbieter von
Satelittenkommunikationsdiensten aus Dubai, seine erst kürzlich am
Ortsrand errichtete Satellitenanlage massiv ausbauen möchte. Der
Anbieter ist auf Großkunden wie Regierungen und Militärs spezialisiert
und hat zuletzt insbesondere seine Kapazitäten im Nahen und Mittleren
Osten beträchtlich erweitert. Deshalb kam der Verdacht auf, dass über
die Antennen in Moosburg womöglich Kampfdrohnen der US-Armee gesteuert
werden könnten und ein Sachverständiger räumte ein, dass dies technisch
durchaus möglich wäre. Die Betreiberfirma hält es zwar für
unwahrscheinlich, konnte es aber auch nicht ausschließen, dass die
Befehle für gezielte Tötungen womöglich über diese Anlage gegeben
würden. In den Diskussionen im Gemeinderat spielten auch gesundheitliche
Bedenken eine Rolle, aber letztlich waren es überwiegend moralische
Argumente im Zusammenhang mit der Drohnenkriegführung, die dazu führten,
dass ein Antrag zum Ausbau der Satellitenanlage zwei Mal mit deutlicher
Mehrheit aus baurechtlichen Gründen abgelehnt wurde. Das letzte Wort hat
aber hier das Landratsamt Freising, das bereits Zustimmung signalisiert hat.
Vorbild US-Friedensbewegung
In den USA, wo wesentlich mehr Drohnen, teilweise auch bewaffnet, im
eigenen Luftraum unterwegs sind, sind entsprechende lokale Initiativen
schon deutlich weiter entwickelt. Mehrere Staaten (darunter Oregon,
Virginia, Florida, Idaho, Illinois, Tennessee und Texas) und einige
Städte haben bereits Resolutionen verabschiedet, die sich gegen die
Anschaffung von Drohnen durch lokale Behörden, den Überflug von Drohnen
generell oder auch nur durch bewaffnete Drohnen und im Falle von
Northampton, Massachusetts, auch gegen die Praxis von Drohnentötungen
grundsätzlich aussprechen. Viele dieser Resolutionen lassen zahlreiche
Ausnahmen zu und sind im Ergebnis wenig fortschrittlich, dennoch sind
sie Ausdruck einer lokalen Auseinandersetzung mit neuen Technologien und
staatlicher Außenpolitik und bergen die Forderung nach einer
Demokratisierung des Luftraums in sich. In vielen Städten wurden
radikalere Resolutionen mit der Forderung nach einem Referendum
eingebracht und sorgten somit für intensive lokale Diskussionen um
Privatsphäre hier und Drohnentötungen anderswo.
Auch die Erfahrung, dass der Drohnenkrieg durchaus Orte hervorbringt, an
denen er konkret geführt und angreifbar wird, ist in den USA ein alter Hut.
Seit 2009 etwa finden an der Creech Air Force Base, 50 km nordwestlich
von Las Vegas in Nevada, Protestaktionen und Blockaden statt, darunter
bislang sechs mehrtägige Proteste der Friedensgruppe Code Pink und
mehrere unangekündigte kleinere Aktionen und Spaziergänge. Diese Basis
ist nicht nur seit den 1950er Jahren ein zentrales Experimentierfeld für
die Weiterentwicklung der Luftkriegführung und entsprechender
Waffensysteme, sondern dient auch der Ausbildung von Drohnenpiloten an
Predator-Drohnen und der Steuerung von Drohnenangriffen in Afghanistan.
Obwohl es bei den Protestaktionen regelmäßig zu Verhaftungen kommt,
wurden nur die Aktivisten der Voices for Creative Nonviolence nach der
ersten Protestaktion im April 2009 verurteilt – in einem Prozess gegen
die “Creech 14″, der seinerzeit viel Aufsehen erregte. Kurz darauf
begannen Aktivisten alle zwei Wochen (außer zwischenzeitlich in den
Wintermonaten) im Feierabendverkehr während des Schichtwechsels gegen
die Hancock Air Force Base, 300 km nordwestlich von New York, zu
demonstrieren. Von dieser aus werden Reaper-Drohnen in Afghanistan und
Übungsflügen über großen Teilen des Bundesstaates New York gesteuert. Im
November 2010 schlossen sich Proteste gegen die Beale Air Force Base an,
von wo aus die Aufklärungsdrohne Global Hawk gesteuert wird, die zudem
als Kommunikationsknotenpunkt für die Steuerung und Überwachung von
Kampfdrohnen verwendet wird. Zunächst kamen die Aktivisten morgens und
abends zum Schichtwechsel, dann begannen sie ihren Protest, oft an
mehreren Eingängen gleichzeitig, nachmittags, campierten neben den
Zufahrten und beendeten die Aktion nach dem morgendlichen
Schichtwechsel. Mehrfach wurden dabei auch die Zugänge, teilweise für
mehrere Stunden, blockiert. Auch hier kam es bereits zu Verhaftungen,
allerdings noch nicht zu Haftstrafen. In den vergangenen Jahren weiteten
sich die Proteste auf weitere Basen aus, auch weil sich die
Aktivist_innen über ihre Erfahrungen austauschen und gegenseitig
Empfehlungen u.a. zum Umgang mit Soldat_innen und der Justiz geben.
Drachen statt Drohnen
Auch in Großbritannien, das selbst Drohnenangriffe in Afghanistan und
Libyen durchführte, finden bereits seit einiger Zeit regelmäßige
Proteste gegen Basen statt, die in die Drohnenkriegführung eingebunden
sind. Schwerpunkte sind dabei die Luftwaffenbasen in Croughton, 100 km
nordwestlich von London, und Weddington, 80 km westlich von Sheffield.
Croughton ist ein Standort der US-Luftwaffe und zentraler
Informationsknotenpunkt in deren vernetzter Kriegführung. Über diese
Satellitenanlage, die gegenwärtig massiv ausgebaut wird, werden sowohl
Geheimdienstinformationen aus Europa an NSA und CIA weitergegeben, als
auch Drohnen gesteuert. Hierzu wurde eigens ein Glasfaserkabel von
Croughton zur US-Drohnenbasis in Dschibuti verlegt. Auch die Basis bei
Weddington wurde in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Seit 2013
steuern britische Piloten von hier aus britische Kampfdrohnen in
Afghanistan, zuvor haben sie über 45.000 Flugstunden und 380
Kampfeinsätze in Afghanistan (und während des Libyenkrieges auch dort)
von der Creech Air Force Base in den USA aus über den Knotenpunkt
Croughton geflogen.
Im Rahmen der Aktionstage “Keep Space for Peace” werden jedoch
zahlreiche weitere Einrichtungen auch in Großbritannien Ziel
angekündigter Proteste sein. Im Vorfeld fand am 21. September bereits
eine Demonstration gegen einen Testflughafen für Drohnen in Aberporth,
Wales, statt, auf dem gleich mehrere Drohnenhersteller Niederlassungen
unterhalten und es auch bereits zu Abstürzen unbemannter Flugzeuge kam.
Am 3. und 10. Oktober werden die Hersteller General Atomics und Elbits
Systems mit Aktionen konfrontiert. Andere Aktionen finden an zentralen
öffentlichen Orten statt und sollen mit Filmen, Vorträgen und Flyern auf
die Folgen der Drohnenkriegführung in den betroffenen Landstrichen
aufklären. Mehrere Aktionen stehen auch unter dem Motto “Fly Kites not
Drones” (lasst Drachen steigen statt Drohnen), eine Aktionsform, die
Protestaktionen gegen Drohnenangriffe in Afghanistan nachempfunden ist,
bei denen die lokale Bevölkerung gemeinsam Drachen steigen ließ.
Viele Aktionen in Deutschland
Unter diesem Motto (Drachen statt Drohnen) finden auch in zahlreichen
deutschen Innenstädten am Globalen Aktionstag Kundgebungen, Infotische
usw. statt. Zum Beispiel in Karlsruhe, wo das Karlsruher Institut für
Technologie (KIT) und verschiedene Fraunhofer Institute – teilweise in
Zusammenarbeit mit der Bundeswehr vor Ort in Afghanistan – an der
verbesserten Steuerung und Bildgebung von Drohnen arbeiten. Auch in
Esslingen, Dresden, Herford und an mehren Orten in Berlin werden Drachen
aufsteigen, u.a. vorm Bundestag, um gegen die geplante Anschaffung von
bewaffneten Kampfdrohnen für die Bundeswehr zu protestieren.
Schwerpunkte der Mobilisierung sind neben Berlin Kalkar am Niederrhein
und Stuttgart-Möhringen. In Kalkar und dem benachbarten Uedem bauen
Bundeswehr und NATO gegenwärtig und eng miteinander vernetzt
Kommandozentralen für die Luftkriegführung und die Kommunikation und
Überwachung aus dem Weltraum aus. Die Demonstration hier findet bereits
am 3. Oktober statt und beginnt um 11:30 am Marktplatz. In
Stuttgart-Möhringen wird gegen das US-Oberkommando für Afrika (Africom)
demonstriert, da mittlerweile bekannt wurde, dass von hier aus
Drohnenschläge des US-Militärs auf dem afrikanischen Kontinent
koordiniert werden. Weitere Aktionen sind u.a. in Frankfurt vorgesehen,
wo im Rahmen der Messe Airtec seit Jahren der Austausch zwischen
Herstellern, Wissenschaftlern und Anwendern von Drohnen gepflegt wird
und in Bremen, wo die wichtigsten Rüstungsfirmen im Bereich der Luft-
und Raumfahrt Niederlassungen unterhalten und trotz Zivilklausel Druck
auf die Universität ausüben, sich der Rüstung zu öffnen. Auch im kleinen
Moosburg wird zum Aktionstag eine Vortragsveranstaltung stattfinden.
Dabei soll auch eine Brücke geschlagen werden zu den Protesten gegen
eine ungleich größere Satellitenanlage in Sizilien.
Knotenpunkt Italien Nahe der kleinen Stadt Niscemi im Südosten der Insel
unterhält das US-Militär bereits seit Jahren einen
Kommunikationsknotenpunkt, auf dem gegenwärtig zusätzliche Antennen für
ein neues System (Mobile User Objective System, MUOS) installiert
werden, um seine Kapazität um das Zehnfache zu steigern. Hiergegen
fanden bereits zwei große Protestcamps statt, das Gelände wurde mehrfach
gestürmt und Aktivist_innen kletterten auf und verharrten tagelang in
den Antennen. Die Auseinandersetzung um die Base beherrschte sogar die
Wahlen zum Regionalparlament in dem sich der heutige Präsident gegen die
Anlage ausgesprochen hatte. In ganz Italien ist die Bewegung No MUOS
bekannt und gegen weitere Stützpunkte der Drohnenkriegführung finden
ebenfalls Proteste statt. Einer der wichtigsten findet sich kaum 100 km
nördlich von Niscemi, bei Sigonella nahe Catania. Hier unterhalten
sowohl die italienische, wie die US-Armee einen Flughafen, auf dem
zahlreiche Drohnen stationiert sind. Zusätzlich zu den bereits jetzt
dort stationierten großen Aufklärungsdrohnen des Typs Global Hawk der
US-Army, die von hier aus Nordafrika, den Nahen und Mittleren Osten
beobachten, sollen hier zukünftig weitere Drohnen desselben Typs
stationiert werden, die von den NATO-Staaten gemeinsam angeschafft und
als Alliance Ground Surveillance (AGS) betrieben werden sollen.
Zumindest während des Libyenkrieges starteten von hier aus nicht nur
Aufklärungsdrohnen ins Kampfgebiet, sondern auch bewaffnete Drohnen des
Typs Predator, die unter anderem jenen Konvoi unter Feuer nahmen, in dem
das ehemalige Staatsoberhaupt Gaddaffi seine letzte Reise antrat.
Von Italien aus verlaufen auch jene Unterseekabel ans Horn von Afrika
und auf die Arabische Halbinsel, über die der Löwenanteil jener Daten
übertragen wird, welche die britischen und US-Drohnen gewinnen und über
die sie gesteuert werden. Als “Weckruf” bezeichnet eine vom
US-Heimatschutzministerium finanzierte Studie aus dem Jahre 2010 den 19.
Dezember 2008, als drei solcher Kabel zugleich beschädigt wurden und
damit angeblich den Verlust von 80% der Datenübertragung verursacht
hätten. Die von der US-Luftwaffenbasis in Balad, Irak, ausgehenden
Einsätze von unbemannten Flugzeugen wären von “hunderten täglich” auf
etwa zehn eingebrochen, es sei nicht dokumentiert, aber davon
auszugehen, dass auch die Drohneneinsätze in Pakistan ernsthaft
beeinträchtigt wurden. “Ohne zuverlässige Verbindung wären die
Militärtechniker [sic] der 42nd Attack Squadron auf der Creech
Luftwaffenbasis bei Las Vegas, Nevada oder in Europa von wenig Nutzen”,
so der Autor.
Globale Infrastruktur und lokale Ansätze
Tatsächlich stellen bislang Glasfaserkabel unter dem Meer wegen ihrer
höheren Geschwindigkeit und Kapazität die bevorzugte
Kommunikationsinfrastruktur dar. Ein Großteil der Datenübertragung zur
Drohnensteuerung verläuft über Kabel kommerzieller Anbieter aus dem
Bundesstaat New York nach Bude im Westen Englands und von dort über die
Ortschaft Norden an der deutsch-niederländischen Grenze. Entweder
dieselbe oder eine weitere Kabelstrecke (wahrscheinlich ist die Struktur
noch deutlich komplexer) verläuft auch von Croughton, UK, über die
US-Basen Ramstein (von hier aus wurden zwischenzeitlich von US-Soldaten
Drohnen in Afghanistan gesteuert), Africom bei Stuttgart-Möhringen und
Lago Patria nahe Neapel nach Dschibuti. Dort (und auf der Arabischen
Halbinsel) haben die USA Drohnen und die Bundeswehr im Rahmen der
NATO-Mission Enduring Freedom Seefernaufklärer stationiert und von dort
werden die Daten über weitere Kabel oder via Satellit in die
Einsatzgebiete der US-Drohnenkriegführung auf der Arabischen Halbinsel
und Afghanistan/Pakistan geschickt.
Während die großen, hochfliegenden Aufklärungsdrohnen vom Typ Global
Hawk von den USA und Italien aus gestartet werden, brauchen bewaffnete
Drohnen Basen, Wartungs- und Bedienungspersonal in unmittelbarer Nähe
ihrer Einsatzgebiete, also etwa in Afghanistan. Dasselbe gilt für
kleinere Aufklärungsdrohnen, wie sie auch die Bundeswehr in Afghanistan
einsetzt und wie sie die USA nun in mehreren afrikanischen Staaten am
Rande der Sahara stationiert haben. Für ihre Steuerung und die
Übertragung ihrer Bilder in die Lagezentren in Italien, Stuttgart,
Ramstein, Großbritannien und die USA sind sie auf Satelliten und
entsprechende Stationen vor Ort am Boden angewiesen. Während die
Glasfaserkabel also sozusagen das Rückgrat der Drohnenkriegführung
darstellen, sind sie ohne die Satellitenkommunikation nahezu undenkbar,
zumindest jedenfalls höchst unflexibel und störungsanfällig. Deshalb
werden gerade weltweit die Kapazitäten der militärischen
Satellitenkommunikation weltweit ausgebaut, wie in Sizilien und in
Moosburg. Ein weiterer Hintergrund ist natürlich, dass angesichts der
rasanten Zunahme des Einsatzes von Drohnen mit einer wahren Datenflut
gerechnet wird. Bereits 2009 gingen die USA davon aus, dass sie mehr als
eine Millionen Flugstunden mit unbemannten Drohnen jährlich managen
müsste, um zukünftige Kriege zu führen, und die Zahl und Auflösung der
Sensoren jeder einzelnen Drohne nehmen beständig zu. “Für die immer
größer werdenden Datenmengen der Sensoren steht nicht genug Bandbreite
zur Verfügung”, so Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und
Politik und an anderer Stelle: “Schon heute produzieren
Überwachungsdrohnen mehr Daten, als ein Mensch oder auch ganze Teams in
Echtzeit auswerten können”.
Gibt man die Fokussierung auf das unbemannte Flugzeug auf und betrachtet
man stattdessen die Drohne als Waffensystem, so umfasst dieses nicht nur
die gesamte Kommunikationsinfrastruktur und die Steuerungssysteme,
sondern auch die Lagezentren, in denen die Informationen zusammenfließen
und Entscheidungen getroffen werden, sowie im weitesten Sinne jene
ausufernden geheimdienstlichen Strukturen, die in die
Entscheidungsfindung bei der Kriegführung auf Distanz einfließen. Damit
wird klar, dass der Drohnenkrieg nicht etwas ist, was weit entfernt
stattfindet und deshalb auch unangreifbar wäre, sondern dass diese
Kriegführung sogar ganz überwiegend hier vor Ort stattfindet. Dabei
werden von der Wartung der Drohnen in Afghanistan über die zur
Verfügungstellung von Bandbreite, die Forschung an optimierten Systemen
zur Steuerung und Datenauswertung bis hin zur Ausstattung der
Lagezentren zahlreiche private Akteure eingebunden. So ergeben sich auch
auf kleiner, regionaler Ebene Ansatzpunkte für Protest. Im verträumten
Tübingen etwa hat sich ein Familienbetrieb im Bereich der Elektrotechnik
auf die Abschirmung von Lagezentren spezialisiert, ein mittelständisches
Unternehmen in Reutlingen produziert Steuerungssysteme für
Großbildschirme und zählt explizit die NATO zu ihren Kunden und am
Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik wird an kleinen Drohnen,
Flugsimulatoren und Steuerungskonsolen geforscht. All diese
Unternehmungen hätten durchaus die Wahl, auf die Zusammenarbeit mit
Rüstung und Militär zu verzichten und sich der Drohnenkriegführung zu
entziehen – wie der Gemeinderat von Moosburg – und vor diese Wahl
sollten sie auch gestellt werden.
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