Mittwoch, 15. August 2012
Widerstand gegen Mini-Wasserkraftwerke im Süden Mexikos
Mexiko
Widerstand gegen Mini-Wasserkraftwerke
von Emilio Godoy
Mexiko-Stadt, 31. Juli (IPS [1]) - Die Regierung in Mexiko setzt auf kleine
Wasserkraftwerke zur Energiegewinnung. Doch dort, wo die Anlagen mit einem
Strompotenzial von höchstens 30 Megawatt entstehen sollen, mehrt sich
Widerstand. Die betroffenen Gemeinschaften fürchten soziale, wirtschaftliche
und ökologische Schäden.
An vorderster Front der Gegner sogenannter Mini-Wasserkraftwerke stehen die
betroffenen Gemeinschaften der südlichen Bundesstaaten Puebla, Tabasco,
Veracruz, Oaxaca und Chiapas.
"Es wird im öffentlichen Diskurs der Eindruck erweckt, als ginge von den
Kleinkraftwerken keinerlei Gefahr aus. Doch inzwischen verfügen die
betroffenen Menschen über die nötigen Informationen, um zu wissen, dass das
nicht stimmt", sagt Angélica Castro vom Oaxaca-Büro der
Nichtregierungsorganisation EDUCA [2].
Seit 2006 arbeitet EDUCA mit 39 Gemeinden in sechs Verwaltungsbezirken
zusammen, die von dem Projekt 'Mehrfachnutzung des Wasservorkommens Paso de
la Reina' des staatlichen Elektrizitätswerks CFE über den Río Verde
betroffen sind. Das Vorhaben soll insgesamt 510 Megawatt Strom generieren.
Die betroffenen Kommunen haben sich zum Rat der vereinigten Völker zur
Verteidigung des Río Verde (Copudever) zusammengeschlossen, um sich als
Kollektiv dem Bau der Anlage zu widersetzen. Studien über die möglichen
sozialen und ökologischen Folgen sind in Arbeit.
Mindestens 50 Mini-Anlagen in Betrieb
In Mexiko sind mindestens 50 staatliche und private Mini-Wasserkraftwerke in
Betrieb. Die meisten generieren rund 50 Megawatt Strom. Die staatliche
Nationale Kommission für Energieersparnis (Conae) schätzt das Strompotenzial
im wasserreichen Südosten Mexikos an 72 ausgewählten Standorten auf
mindestens 400 Megawatt. Das nichtstaatliche Mario-Molina-Zentrum geht davon
aus, dass Oaxaca und Chiapas ihren Strombedarf vollständig aus erneuerbaren
Quellen wie Windkraft, Erdwärme und Sonnenenergie und Mini-Wasserkraftwerken
decken könnten.
Nach Angaben von Mariana González vom Forschungszentrum 'Fundar' [3] sind
die Mini-Wasserkraftwerke als Stromlieferanten kurzfristig rentabel,
verändern jedoch die Böden und die Umgebung. Ein Nutzen für die lokalen
Gemeinden sei nicht erkennbar.
Fundar hatten zwischen 2010 und 2012 in Oaxaca vier Dörfer beraten, die sich
mit dem Bau eines 10,8-Megawattkraftwerks konfrontiert sahen. Mit Hilfe der
Unterstützung von Fundar konnte das Projekt Cerro de Oro zum Stillstand
gebracht werden.
Mit den Arbeiten war 2010 ohne Rücksprache mit den Anrainern begonnen
worden. Im November des gleichen Jahres legten die Gemeinden beim Amt für
Rechenschaftspflicht der Privatinvestitionen im Ausland (OPIC) Beschwerde
ein.
Die Beschwerdeseite monierte, von den verantwortlichen Unternehmen weder
über den Bau des Mini-Wasserkraftwerks noch über dessen ökologische und
gesundheitliche Auswirkungen informiert worden zu sein. Ebenso wenig sei es
zu Gesprächen über Möglichkeiten gekommen, die negativen Auswirkungen zu
minimieren oder die Landeigentümer zu entschädigen.
Im März 2011 wurde für alle Beteiligten ein runder Tisch zur Lösung des
Konflikts eingerichtet. Zu einer Zustimmung der lokalen Bevölkerung zu dem
Projekt oder einem Alternativvorhaben kam es nicht. Im November erklärte
OPIC den Fall für abgeschlossen, und im März wurde der Bau der Anlage
eingestellt.
Doch damit sind die Gefahren für die ländlichen Gebiete Mexikos noch nicht
beseitigt. Das vom CFE entwickelte Programm für Unternehmungen und
Investitionen des Stromsektors 2012 bis 2026 sieht den Bau von sechs
Mini-Wasserkraftwerken vor, die sich in der Planungs- beziehungsweise
Umsetzungsphase befinden. Darüber hinaus wird der Bau von vier Anlagen in
Erwägung gezogen, die jeweils 30 bis 50 Megawatt Strom erzeugen sollen.
Betroffene erwägen Verfassungsbeschwerde gegen Paso de la Reina
Copudever denkt derzeit über eine Verfassungsbeschwerde nach, um das
Wasserkraftwerk über den Río Verde auszuhebeln. Aus einer Untersuchung von
sechs Experten des Mexikanischen Wasserinstituts und des CFE geht hervor,
dass mit dem Bau des Wasserkraftwerks ein Prozess der Versandung und Erosion
in Gang gesetzt würde.
Das Umweltministerium hatte im März Privatunternehmen erlaubt, fünf
Mini-Wasserkraftwerke in Chiapas zu bauen. Die Firmen werden den generierten
Strom an CFE verkaufen. González spricht in diesem Zusammenhang von einer
Privatisierung des Energiesektors. Für die Unternehmer, die die staatliche
Infrastruktur nutzen könnten, sei dies ein gutes Geschäft. Bei einem Anstieg
der Betriebskosten würden die Anlagen wieder in den staatlichen Besitz
übergehen.
Im vergangenen Dezember hatte der Senat einer Reform des Gesetzes zur
Nutzung von erneuerbaren Energien und zur Finanzierung des energetischen
Übergangsprozesses aus dem Jahre 2008 mit dem Ziel zugestimmt, die
Stromerzeugung auf der Grundlage kleinerer Wasserkraftwerke zu fördern. Das
Nationale Umweltinstitut hat ausgerechnet, dass die kleinen Wasserkraftwerke
die CO2-Emissionen um 261 Millionen Tonnen drosseln könnten, da sie die
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. (Ende/IPS/kb/2012)
[PROTEST/015]
Links:
[1] http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101278
[2] http://www.educa.org.mx/
[3] http://fundar.org.mx/
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