Samstag, 25. August 2012

Mexiko: Streit über Men­schen­rechts­pro­zesse an Mili­tär­ge­richten– Reform in Sicht

20. August 2012 Von Carol L. Biron | Washington | IPS | Nach zwei bahn­bre­chenden Urteilen des Obersten Gerichts­hofs Mexikos rechnen Akti­visten damit, dass den Mili­tär­ge­richten des latein­ame­ri­ka­ni­schen Landes bald die Zustän­dig­keit für Pro­zesse wegen Men­schen­rechts­ver­let­zungen im Zusam­men­hang mit dem Anti-​Drogenkampf ent­zogen wird. In den ver­gan­genen Tagen hat der Oberste Gerichtshof wich­tige Ent­schei­dungen getroffen. Er ord­nete an, Fälle mut­maß­li­cher Men­schen­rechts­ver­stöße durch die Streit­kräfte an nor­male Gerichte zu ver­weisen. »Das ist ein Durchbruch. Eine Reform ist somit wahr­schein­li­cher als noch vor zwei oder drei Monaten«, meinte Ale­jandro Anaya, der das Zen­trum für Wirt­schafts­for­schung und –lehre im mexi­ka­ni­schen Agu­a­ca­li­entes leitet.» Nach mexi­ka­ni­schem Recht muss das oberste Gericht in fünf ver­gleich­baren Fällen ent­schieden haben, bevor ein Prä­ze­denz­fall geschaffen ist. Regie­rung und Staat könnten sich nicht gegen die Men­schen­rechte stellen, sagte der Richter Arturo Zal­dívar Lelo de Larrea dem US-​Fernsehsender CNN. Das Tri­bunal hatte Staats­prä­si­dent Felipe Cal­deron bereits Mitte ver­gan­genen Jahres die Zusage abge­rungen, alle anhän­gigen Fälle mut­maß­li­cher Überg­riffe des Mili­tärs gegen Zivi­listen an zivile Gerichte zu ver­weisen. Tat­säch­lich ist aber noch nichts in diese Rich­tung geschehen. Zur­zeit sind am Obersten Gericht rund 30 Ver­fahren bezüg­lich der Zustän­dig­keit von Mili­tär­ge­richten in Men­schen­rechts­ver­fahren anhängig. Beob­achter wie San­tiago A. Canton, ehe­mals Exe­ku­tiv­se­kretär der Inter­ame­ri­ka­ni­schen Men­schen­rechts­kom­mis­sion und inzwi­schen Direktor der Orga­ni­sa­tion ‘RFK Part­ners for Human Rights’, sind zuver­sicht­lich, dass in Kürze ein juris­ti­scher Prä­ze­denz­fall geschaffen sein wird. Anti-​Drogenkampf hat Men­schen­rechts­lage verschärft Die Men­schen­rechts­ver­fahren vor Mili­tär­ge­richten empörten Akti­visten im In– und Aus­land seit meh­reren Jahren. 2006 erklärte Prä­si­dent Felipe Cal­derón den Kampf gegen Dro­gen­kar­telle und andere kri­mi­nelle Banden zu einer der dring­lichsten Auf­gaben seiner Regie­rung. Er ent­sandte dazu zehn­tau­sende Sol­daten in alle Lan­des­teile. Zahl­reiche Men­schen wurden bei Gefechten zwi­schen Regie­rungs­truppen und Dro­gen­kar­tellen getötet. Wie viele unbe­tei­ligte Zivi­listen im Kreuz­feuer starben, steht nicht fest. Nach Angaben von ‘Human Rights Watch’ schnellte die all­ge­meine Mord­rate in Mexiko zwi­schen 2007 und 2010 um 260 Pro­zent in die Höhe, wäh­rend sie in den beiden vor­an­ge­gan­genen Jahr­zehnten zurück­ge­gangen war. Die unab­hän­gige Gruppe ‘Kara­wane für Frieden mit Gerech­tig­keit und Würde’, die der­zeit unter Füh­rung des Lyri­kers Javier Sicilia durch die USA zieht, bezif­fert die Zahl der Mord­opfer seit 2006 mit rund 60.000. Außerdem seien etwa 10.000 Men­schen ver­schleppt worden. Die mexi­ka­ni­sche Men­schen­rechts­kom­mis­sion hat doku­men­tiert, dass sich die Zahl der Beschwerden gegen das Militär und die Bun­des­po­lizei seit 2006 ver­fünf­facht hat. Die Streit­kräfte bestanden jedoch bisher darauf, diese Fälle allein zu unter­su­chen und die Urheber zur Rechen­schaft zu ziehen. Wie Canton erklärt, hat die Macht­stel­lung der Mili­tär­ge­richte in dem Land eine lange Tra­di­tion. Bereits die spa­ni­sche Mon­ar­chie habe damit im 18. Jahr­hun­dert ihre Armee vor den recht­li­chen Folgen aus­wär­tiger Kriege schützen wollen, schrieb er in einem am 15. August publi­zierten Artikel. »Wäh­rend des gesamten 20. Jahr­hun­derts wurde die Mili­tär­ge­richts­bar­keit durch die enorme Macht der Streit­kräfte in Lateinamerika gestärkt. Sie wurde dazu genutzt, Straf­frei­heit bei Men­schen­rechts­ver­let­zungen zu garan­tieren. Die Demo­kra­ti­sie­rung der Mili­tär­justiz gehört zu den Reformen, die auf die größten Hin­der­nisse gestoßen sind.« Einer der Gründe dafür mag sein, dass sich die mexi­ka­ni­schen Mili­tär­richter auf die Dis­kre­tion des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­riums ver­lassen können. Nach fast 5.000 Unter­su­chungen von Men­schen­rechts­ver­bre­chen der Jahre 2007 und April 2012, die dem Militär ange­lastet werden, wurden dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium zufolge nur 38 Mili­tär­an­ge­hö­rige verurteilt. Ver­brei­tete Straffreiheit Die mexi­ka­ni­sche Men­schen­rechts­kom­mis­sion stellte außerdem kürz­lich fest, dass auf­grund von Anschul­di­gungen, die zwi­schen 2010 und 2011 erhoben wurden, bisher kein ein­ziger Poli­zist oder Mili­tär­an­ge­hö­riger zur Ver­ant­wor­tung gezogen worden ist. Dies deutet auf ein hohes Maß an Straf­frei­heit hin. Akti­visten sind davon über­zeugt, dass dies die aus­ufernde Gewalt weiter gestei­gert hat. Nach Ansicht von Mau­reen Meyer vom unab­hän­gigen ‘Washington Office on Latin Ame­rica’ dient das orga­ni­sierte Ver­bre­chen in Mexiko der Regie­rung als Vor­wand, um Men­schen­rechts­fällen, die mit der Dro­gen­be­kämp­fung im Zusam­men­hang stehen, nicht näher nach­zu­gehen. »Etwa 95 Pro­zent aller Mord­fälle werden nicht gründ­lich unter­sucht. Des­halb steht nicht fest, wer daran betei­ligt oder dafür ver­ant­wort­lich gewesen ist.« Prä­si­dent Cal­derón hat in den ver­gan­genen Jahren mehr­fach bekräf­tigt, dass der Staat 90 Pro­zent der seit 2006 getö­teten Per­sonen als »Kri­mi­nelle« betrachte. Nachdem im Juli Enrique Peña Nieto die Prä­si­dent­schafts­wahlen gewonnen hat, hoffen Men­schen­rechtler auf einen poli­ti­schen Wandel. 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