Mittwoch, 15. August 2012
Mexico: Prominenter Priester kaltgestellt
„Natürlich werde ich gehorchen“, sagte der 67-jährige Pfarrer. „Die Herberge gehört nicht mir und ich bin auch nicht unersetzlich.“ Aber er werde zum November bei der Kirche kündigen und aus dem Laienstand heraus die Migranten unterstützen.
Die katholische Kirche Mexikos jagt Alejandro Solalinde vom Hof. Der Priester hatte mit seinem Einsatz für illegale Migranten weltweit Aufsehen erregt.
von Toni Keppeler
BERLIN taz | Die katholische Kirche Mexikos stellt ihren prominentesten Priester kalt. Alejandro Solalinde, der sich in den vergangenen fünf Jahren für die Menschenrechte von illegalen Migranten eingesetzt hat, soll wieder ganz normaler Gemeindepfarrer werden.
Gleichzeitig muss er sich aus der von ihm aufgebauten und geleiteten Herberge für gestrandete Migranten in Ixtepec im Bundesstaat Oaxaca im Süden von Mexiko zurückziehen. Der für Solalinde zuständige Bischof Oscar Armando Campos hat dies bereits im April angeordnet. Solalinde machte den Befehl am Mittwoch bei einem Interview in einem mexikanischen Fernsehsender öffentlich.
Solalinde hatte die Herberge „Hermanos en Camino“ 2007 gegründet und war von der Kirche für deren Leitung abgestellt worden. Das Haus liegt an der Bahnlinie; illegale Wanderarbeiter nutzen die Güterzüge, um schnell nach Norden an die US-Grenze zu gelangen.
Viele stürzen von diesen Zügen und verletzen sich schwer. Andere werden von Banden überfallen, etwa 20.000 werden jedes Jahr entführt. Jede zweite illegale Migrantin wird auf ihrem Weg durch Mexiko vergewaltigt. Solalinde war der Erste, der diese Verhältnisse öffentlich anprangerte und dem Staat vorwarf, nichts zum Schutz der Migranten zu tun.
Solalinde erhielt wegen seines Engagements wiederholt Todesdrohungen. Im Mai ging er für zwei Monate ins freiwillige Exil und besuchte verschiedene europäische Länder. Jetzt wirft Bischof Campos dem Priester vor, er suche zu sehr die Öffentlichkeit. Solalinde sieht einen anderen Grund: Die Kirche gebe „dem Druck des organisierten Verbrechens und einiger Politiker“ nach.
URL: http://www.taz.de/Kirche-in-Mexiko/!99290/
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Kirche lässt Mafia-Gegner im Stich
Mexiko-Stadt. Für Alejandro Solalinde ist es ein herber Schlag. Die katholische Kirche will nicht länger dulden, dass der Pfarrer in Mexiko den Drogen-Kartellen die Stirn bietet. Stattdessen soll er Messen lesen.
Der international bekannte mexikanische Priester Alejandro Solalinde (67) verlässt auf Druck seines Bischofs die von ihm gegründete Migrantenherberge in Südmexiko. Solalinde erhebt schwere Vorwürfe gegen die katholische Amtskirche. Sie habe erreicht, was weder der Regierung noch der Drogenmafia gelungen sei - ihn zum Aufgeben gezwungen. "Ich kann gegen die Drogenkartelle kämpfen, aber nicht gegen die Kirche", sagt er. Dieser Tage eskalierte der Drogenkrieg in Mexiko erneut. Binnen 48 Stunden kamen 100 Menschen ums Leben.
Der Fall erregt deshalb große Aufmerksamkeit, weil sich Solalinde wie kein anderer mexikanischer Kirchenvertreter so offen gegen die Drogenmafia stellt, dass ihm die Ermordung droht. Er hatte vor fünf Jahren in Ixtepec eine Herberge für Migranten aus den zentralamerikanischen Staaten gegründet, die das Land zu Hunderttausenden auf ihrem Weg in die USA durchqueren. Seine Unterkunft steht wie keine andere Institution für den Widerstand gegen Drogenkartelle und organisierte Kriminalität. Menschenhandel ist einer der lukrativsten Geschäftszweige der organisierten Kriminalität in Mexiko. Weil sich die Einwanderer auf ihrer Durchreise in die USA illegal in Mexiko aufhalten, können sie sich nicht an die Polizei wenden und sind schutzlose Opfer der Mafia. Diese erpresst die Migranten: Mitarbeit oder Ermordung.
Pater Alejandro Solalinde ist für sie so etwas wie eine Lebensversicherung. Für die Drogenmafia ist er ein Stachel im Fleisch, für die mexikanischen Beamten, die er an ihre Pflichten erinnert, ein lästiger Störenfried. Korrupte Angehörige der Gemeindeverwaltung haben ihm sogar einmal gedroht, die Unterkunft niederzubrennen, sollte er sie nicht selbst schließen.
Vor Wochen musste er auf Drängen von Menschenrechtsorganisationen und der Kirchenleitung das Land verlassen. Solalinde bezichtigte mexikanische Politiker, mit der Drogenmafia zusammenzuarbeiten und ein Kopfgeld von umgerechnet 300 000 Euro auf ihn ausgesetzt zu haben. Nach der Rückkehr in seine Herberge gab er sich noch gewohnt kämpferisch: "Das Risiko ist groß. Aber ich habe keine Angst und werde niemals aufgeben."
Jetzt forderte ihn sein Bischof Óscar Armando Campos auf, die Leitung der Herberge abzugeben und stattdessen eine Gemeinde zu übernehmen. Solalinde warf seinem Bischof daraufhin eine verfehlte Auffassung des Evangeliums vor. "Auf der Straße gibt es mehr bedürftige Arme als unter den wenigen Besuchern der Gotteshäuser", sagte er. Er werde darum seine Zeit nicht mit dem Lesen von Messen vergeuden, sondern sich weiter für die Rechte der Migranten einsetzen.
In Mexiko hat Solalinde mehrere Menschenrechtspreise erhalten. Ein Bürgerkomitee engagiert sich dafür, ihn für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.
URL: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Kirche-laesst-Mafia-Gegner-im-Stich;art4306,1590275
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