Montag, 18. November 2019

NAHOSTDEBATTE Gegen den Strich junge Welt 13.11.19

14.11.19

pal.linkeMoshe Zuckermann wird kommenden Samstag in Hamburg über »die Rechtsentwicklung in Israel und ihre Rezeption in Deutschland« sprechen
Von Susann Witt-Stahl
Samstag, 16.11., 19 Uhr, Tschaikow­sky-Saal, Tschaikowskyplatz 2, Hamburg-St. Pauli, Beginn: 19 Uhr. ­Nähere Informationen: www.assoziation-daemmerung.de
Wenn der linke Historiker auf Vortragsreise durch die BRD ist, kann er stets einiges erleben: Anfeindungen, Bespitzelung und nach allen Regeln der Diffamierungskunst angestrengte Versuche, ihn mundtot zu machen. 2017 erklärte der CDU-Bürgermeister der Stadt Frankfurt am Main – wo Moshe Zuckermann aufgewachsen ist − den Sohn von Auschwitz-Überlebenden zur »nicht willkommenen« Person. Auch bei deutschen Medienvertretern regen sich immer häufiger überwunden geglaubte Ressentiments: Wer damals als »jüdischer Bolschewist« und »vaterlandsloser Geselle« gehandelt wurde, ist heute ein »granteliger, alter Marxist, der sein Land nicht leiden kann« − so wurde Zuckermann von Sebastian Weiermann, u. a. Autor bei Taz und ND, bepöbelt.
Im postfaschistischen Täterland war derartige Hetze nicht opportun; man ließ die jüdische Linke links liegen. Ganz anders in der Berliner Republik: Für Bundesregierungen, die nach − von vergangenheitspolitischen Imperativen ungebremster − militärischer Durchsetzung der »strategischen Interessen« (Annegret Kramp-Karrenbauer) des deutschen Kapitals streben, ist Israel, das seit Jahren einen radikalen Rechtskurs steuert, ein unverzichtbarer kongenialer Partner. Wenn dessen Premier Benjamin Netanjahu die Araber als die wahren Verantwortlichen für den Holocaust, Antisemitismus nur noch bei Palästinensern und Linken ausmacht (nicht etwa bei den mit Israel verbündeten faschistischen und ultranationalistischen Regimes in Ungarn, Brasilien etc.) und »mehr Härte« von Merkels Außenpolitik verlangt, dann geht das deutschen Normalisierern runter wie Öl – und ganz gewaltig gegen den Strich, wenn jüdische Stimmen noch Einspruch erheben.
Zur »deutschen Staatsräson« gehört längst nicht mehr nur die von Konrad Adenauer verordnete »Israel-Solidarität«, sondern auch das Niederhalten der israelischen Opposition und deren Verbündeter. Das haben auch die in der Partei Die Linke hegemonialen Kräfte verstanden, die sich nach dem Platz an der Sonne einer »rot-rot-grünen« Regierung und am nationalen Stammesfeuer sehnen: Bereits 2011 erklärte Die Linke (acht Jahre vor allen anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien) Aufrufe zum Boykott israelischer Waren für »antisemitisch«, sogar zur »rechtsextremen Handlung« − nicht zuletzt eine geschichtsvergessene Ächtung eines erheblichen Teils der aktiven internationalen jüdischen Linken.
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Ins Visier geraten auch immer mehr die wenigen deutschen Intellektuellen, die sich noch mit diesem solidarisieren: Nachdem ihn bereits vor einigen Jahren ein mit USA- und Israel-Fahnen behängter »Antideutschen«-Mob in Kassel mit antikommunistischen Parolen bebrüllt hatte, wurde der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker im Frühjahr wegen seiner auf einer Veranstaltung in Hamburg geäußerten Kritik an der repressiven »Tabuisierung der Israel-Palästina-Frage« in die rechte Schmuddelecke verfrachtet. Beckers Aussage ähnele sehr der Klage »Sarrazins und anderer, die in Millionenauflage und Talkshows ihre Thesen verbreiten konnten und können und jedes Mal über die Unterdrückung ihrer Meinung jammerten«, so der Anwurf von Ulrich Hentschel, Pastor i. R. und namhaftes Mitglied der VVN-BdA, in einem halböffentlichen Schreiben, das er u. a. an Bürgerschaftsabgeordnete der Linkspartei schickte. Hentschel hatte schon 2017 in einem Taz-Artikel den Hamburger Ostermarschierern, die auch gegen die deutschen Rüstungsexporte nach Israel protestierten, eine »antijüdische Dämonisierung« des »einzigen demokratischen Staates im Nahen und Mittleren Osten« vorgeworfen.
In der Hansestadt machen seit Jahren das mehr und mehr nach rechts abdriftende »Junge Forum« der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Israel-Solidarisierer aus der »Linksjugend Solid« und »antideutsche« Autonome Front gegen Kritiker der israelischen Besatzungspolitik, beispielsweise indem sie versuchen, Auftritte linker Künstler zu verhindern. Ob trotz ideologisch vergifteter Atmosphäre die von den Veranstaltern angekündigte Diskussion zur Sache noch möglich ist − nach dem Vortrag von Moshe Zuckermann sollen auch Rolf Becker und Norman Paech (Die Linke) zu Wort kommen −, wird sich am Samstag zeigen.

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