Die Weichen sind gestellt für die nächsten Monate was den Kampf rund um den Dorfplatz angeht. Mit einer Gerichtsentscheidung zur Kadterschmiede/Keimzelle und mit dem kommenden Räumungsverfahren gegen die Liebig34 auf Seite des Staates.
Andererseits mit einer offensiven Ausrichtung der kleinen Bewegung, die mit der gemeinsamen Besetzung des Viertels und solidarischer Bezugnahme unter den verschiedenen Widerstandsorten der Stadt meutert.
Der politische Nebel um die Liebig34 klärt sich allmählich. Der Hauseigentümer Gijora Padovicz – bekannt als brutaler Entmieter - hat ja schon im Dezember 2018 die Räumungsklage eingereicht gehabt. Nun ist der Gerichtstermin ins Haus geflattert und natürlich haben die (stets bedrohlichen) Schleimereien durch den Baustadtrat Florian Schmidt nichts an der Tatsache geändert, dass die Stadt weiter von den Kapitalinteressen aufgefressen wird. Am 20. September soll es so weit sein und wir müssen davon ausgehen, dass Padovicz seine Hausaufgaben besser macht als die Eigentümer*innen der Rigaer94.
Die Eigentümer*innen der Rigaer94 haben, versteckt hinter der Briefkastenfirma Lafone Investments Limited und dem Anwalt Markus Bernau, zum X-ten Mal nicht die für den Beweis ihrer rechtmäßigen Eigentümerschaft und damit die für eine Räumung erforderlichen Unterlagen mitgebracht, als sie am 13. Juni gegen die Kadterschmiede/Keimzelle vor Gericht antraten. Das bedeutet, dass die Räumungsklage von ihnen erneut verloren wurde. Mit der Konsequenz, dass die Bullen weiterhin kein offizielles Aushängeschild präsentieren können, wenn sie mal wieder unter Berufung auf den Schutz von Bauarbeiten das Haus erobern wollen. Was aber nicht bedeutet, dass sie nicht wissen, wer sich hinter der Lafone versteckt. So oder so ist die Situation mysteriös, da es hierzulande nun wirklich kein großes rechtliches Hindernis für Eigentümer*innen gibt, um die staatlichen Garantien in Anspruch zu nehmen. Statt aber über die Gründe für dieses Versagen zu spekulieren, sollten wir zunächst die entstandenen Freiräume nutzen.
Dazu gehört es, die bestehenden Strukturen weiter aufzubauen: insbesondere den autonomen Jugendclub Keimzelle, die Kadterschmiede und die Liebig34-Bar als geschützte Treffpunkte für den Kiez, den Dorfplatz als Almende, die Liebig34 als Schutzraum ohne Cis-Männer sowie die Verbindungen mit wehrhaften Individuen, Bezugsgruppen, Projekten und Kollektiven allernorts.
Wohin die Fahrt gehen soll, hat zum Beispiel das Dorffest vom 7. bis zum 10. Juni gezeigt. Bis auf eine Akrobatik-Aufführung am Sonntag, bei der teure Materialien und die Unversehrtheit der Künstler*innen auf dem Spiel standen, war das Fest nicht angemeldet. Diskussionsveranstaltungen und Workshops fanden in den selbstverwalteten und illegal genutzten Räumlichkeiten statt und der Dorfplatz war Austragungsort der Auseinandersetzung um öffentlichen Raum. Wie schon bei den letztjährigen sogenannten Chaos- und Diskussionstagen konnten die Bullen es nicht lassen, dort ihre Grenzen auszuloten. Sie suchten rund um die Uhr die Nähe der Menschen, die die Straße belebten und setzten durch, dass keine Ordnungswidrigkeiten wie das Aufstellen von Tischen oder Sitzgelegenheiten begangen wurden. Ob dieses demonstrative Verhalten allgemein eher als Selbsterniedrigung oder als Machtdemonstration aufgefasst wird, ist nicht so einfach zu beantworten.
Einerseits zeigten die Bullen bis auf die an einer Hand abzählbaren Momente, in denen sie mit Farbbomben oder Steinen beworfen wurden, wenig Angst und vermittelten somit möglicherweise Ohnmachtsgefühle. Effektive Selbstverteidigungsmaßnahmen unsererseits wurden aufgrund fehlendem Eskalationswillen nicht eingeplant, denn das Dorffest wurde als inhaltliche Weiterentwicklung der hier seit längerem geführten Diskurse mit Niedrigschwelliger Ansprechbarkeit für Nachbar*innen und Interessierte geplant.
Andererseits kann man davon ausgehen, dass die zur Schau gestellte völlige Entgrenzung der polizeilichen Allmachtsansprüche und das Erlebnis der Unsicherheit für unerfahrene Leute auch neue Feindschaften zum Staat geschaffen hat. So oder so lagen dem Dorffest sinnvolle Überlegungen zu Grunde, die mögliche Wege aufzeigen.
Ein anderes richtungsweisendes Beispiel neben dem Dorffest könnte auch der Umgang mit der Räumungsverhandlung gegen die Kadterschmiede und den Jugendclub Keimzelle am 13. Juni sein. An diesem Tag stand ganz unspektakulär mal wieder Einiges auf dem Spiel. Statt auf den Ausgang des Verfahrens zu warten und dann wahlweise auszuharren oder wütend zu reagieren, wurden in den Morgenstunden rund um den Dorfplatz und an anderen Orten in der Stadt Barrikaden aus Mülltonnen entzündet. Die Aktion wurde durch Flyer in der Umgebung vermittelt. Sie wurde von den Bullen nicht erwartet, weswegen ihnen wieder nur das vermeintliche Auftrumpfen mit dem Helikopter blieb.
Als der Helikopter am Morgen vor der Verhandlung schließlich seine Spritladung verbrannt hatte und wieder Richtung Blumberg abzog, begann eine Aktionsgruppe mit der Blockade der Elsenbrücke durch brennende Reifen. Für diejenigen ohne Ortskenntnisse: die Elsenbrücke ist die wichtigste Brücke im Berliner Osten und derzeit nur halbseitig nutzbar, da sie rostet. Die nächste Brücke weiter Richtung Osten ist mehrere Kilometer weit weg und die Oberbaumbrücke eins weiter westlich ist ebenfalls nur einspurig in beide Richtungen nutzbar, da dort gebaut wird. Die Reaktion der Bullen war jedoch nicht, die brennenden Reifen schnell vor dem Berufsverkehr von der Straße zu ziehen, um ein Verkehrschaos zu verhindern, sondern von fünf bis acht Uhr eine Spurensicherung samt Vollsperrung der Brücke durchzuführen. Im ganzen östlichen Berliner Innenstadtbereich kam es folglich zu besagtem Verkehrschaos. Die einzige Kritik an der Barri-Aktion kann also nur lauten, dass gleichzeitig die Oberbaumbrücke hätte dichtgemacht werden müssen. Die Message, was bei einer Räumung unserer Widerstandsorte passieren wird, kam rüber, nämlich: dass eine Räumung unserer Widerstandsorte empfindliche Konsequenzen für das reibungslose Funktionieren der Metropole haben wird.
Eine andere Message transportierte die Aktionsgruppe, die in der selben Nacht beim Anwalt der Lafone Investments Ltd., Markus Bernau, Graffitis und eine brennende Mülltonne in der Einfahrt hinterlies: „Er soll wissen, dass wenn er sich mit unseren Ideen, Träumen, Vorstellungen vom besseren Leben und damit verbundenen Freiräumen anlegt, nicht so einfach davonkommt. In dieser Nacht schafften wir eine minimale Bedrohungssituation. Sollte Bernau die Rigaerstr. 94 weiterhin nerven, zeigen wir uns wieder solidarisch mit den Mitteln, die nötig sind.“
So weit die Reflektion. Die Strategie des Staates in Bezug auf den rebellischen Kiez kann man momentan noch nicht bewerten. Sicher ist, dass wir letztendlich ausradiert werden sollen und dass Padovicz brandgefährlich ist, was er auch in Bezug auf die Rummelsburger Bucht zeigt, wo er ebenfalls alternatives Leben bekämpft. Die Rigaer94 wird wohl noch Zeit für einige SEK-Stürmungen haben, bis mit richtigen Räumungen zu rechnen ist. Das beste Mittel gegen jegliche Unsicherheit und Ängste ist es auf jeden Fall, selbst das Spielfeld und den Zeitpunkt für die Widerständige Praxis zu bestimmen. Das bedeutet, JETZT zuzuschlagen und die Bewegung werden, die in den kommenden Kämpfen ihre Orte verteidigt und neue Orte erkämpft. Nicht warten auf den TagX, nicht an den Plänen von Bullen, Politik, Investor_innen und Justiz orientieren!
Beteiligt euch an den „Tu mal Wat“ Aktionstagen am 26. bis 29. September, die kurz nach der Räumungsverhandlung (und möglicherweise dem Räumungsversuch) der Liebig34 stattfinden. Die nächste Vollversammlung dazu findet am 4.7. um 19 Uhr in den Mehringhöfen statt.
(B) Solidarität heißt Angriff! Rigaer 94 und Liebig 34 verteidigen!
[B] Solidarität heißt Angriff! Kadterschmiede und Keimzelle verteidigen, Markus Bernau angreifen!
Aufruf: Tu mal wat Aktionstage 26. - 29. September 2019
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