Montag, 1. Oktober 2018

ZUM PROZESS GEGEN FORTSCHRITTLICHE MIGRANT*INNEN AUS DER TÜRKEI NACH DEN “TERROR-PARAGRAPHEN“ §282 und §278


Dieser Info-Flyer soll einen Überblick über mehrere Prozesse und Vorwürfe, die gegen Mitglieder und Menschen aus dem Umfeld der Anatolischen Föderation eröffnet bzw. erhoben wurden, geben.
WAS STEHT UNTER ANKLAGE ?
Es gibt 2 Gruppen von Angeklagten: Einerseits wird einer Gruppe von mindestens 15 Menschen die „Gutheißung einer terroristischen Straftat“ nach dem Paragraphen §282 vorgeworfen. Sie wären am 1. Mai 2015 in einheitlicher Kleidung, vorgeblich in einem Block der Anatolischen Föderation, marschiert.
Dabei seien auch Bilder von AktivistInnen, die von türkischen Sicherheitskräften getötet worden waren, getragen worden.
Zu diesem Vorwurf gab es bereits 11 Prozesse, von keinem wurde bisher ein schriftliches Urteil ausgefertigt. Zwei Prozesse wurden vertagt. Andererseits gibt es eine Gruppe von 6 Personen, die Hauptangeklagten, denen nach dem §278 die Mitgliedschaft und Unterstützung einer „terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen wird. Bei den Angeklagten handelt es sich um die Vorstandsmitglieder des bis dato legalen Vereins „Anatolische Föderation Österreich“.
Ihnen wird als Vereinsvorsitzende vorgeworfen, Fußballturniere und Konzerte bzw. Kulturfeste veranstaltet zu haben, an denen die sehr bekannte Musikgruppe aus der Türkei „Grup Yorum“ teilnahm. Auch sollen sie Gedenkveranstaltungen für AntifaschistInnen, die in Gefängnissen, auf den Straßen und in Häusern in der Türkei zu Tode gekommen waren, abgehalten haben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Vorstand der Anatolischen Föderation läuft bereits seit 2015, das Verfahren wurde im Dezember 2017 eröffnet. Prozesstermine gibt es jedoch noch keine.
ZUR ARBEIT DERLISCHEN FÖDERATION:
ZUR ARBEIT DER ANATOLISCHEN FÖDERATION:
Die Anatolische Föderation Österreich wurde im Jahre 2004 in Österreich gegründet. Mitglieder sind Menschen der 1. oder 2. Generation von MigrantInnen, österreichische StaatsbürgerInnen und anerkannte AsylwerberInnen aus allen Teilen der Türkei. Sie haben sich zur Aufgabe gestellt, gegen Faschismus und Rassismus eine Gegenseite zu entwickeln: Auseinandersetzung mit der politischen Situation in der Türkei, in Österreich und weltweit, d.h. mittels Kundgebungen, gemeinsames Lesen und Diskutieren politischer Texte, Filmvorführungen, Teilnahme an zivilgesellschaftlichen Protesten in Österreich, jährlicher Besuch der Gedenkfeier Mauthausen, Theaterbesuche etc. Es werden aber auch alltägliche Themen behandelt,mit denen MigrantInnen in Österreich konfrontiert sind: Seminare zu Kindererziehung, Arbeits- und Aufenthaltsrecht, Mietrecht, gesunde Ernährung, Drogenkonsum u.v.m. Gemeinsam werden aber auch Freizeitveranstaltungen durchgeführt, wie zum Beispiel Musikveranstaltungen, kulturelle Feste, Kindergeburtstage, Fußballturniere, Picknicks, gemeinsames Frühstücken, Familiencamps und Kurse und Seminare verschiedenster Art. Den Angeklagten werden fast ausschließlich Aktivitäten vorgeworfen, die in völlig legalem Rahmen als Ausdruck des Protests gegenüber schweren Menschenrechtsverletzungen durchgeführt wurden. Eine politische Meinung zu vertreten und diese zu äußern, insofern die Rechte anderer Personen nicht verletzt und die hiesigen Gesetze nicht gebrochen werden, soll und darf in einem Rechtsstaat nicht als Terrorismus verfolgt und bestraft werden.
Wer sich mit der politischen Lage in der Türkei auseinandersetzt, wird sich gewiss vorstellen können, dass dort weder vor den EU-Verhandlungen, aber schon gar nicht unter der AKP-Regierung Demokratie und Menschenrechte geachtet wurden und werden.
“ICH HABE DEN BEFEHL ERTEILT!“
Der heutige Präsident (damals Ministerpräsident) R. Tayyip Erdogan hatte Berkin Elvan am 3. April 2015 in einer Rede als „Terrorist“ bezeichnet. Und er erklärte zugleich als Antwort auf jene, die die Verhaftung der Mörder von Berkin Elvan forderten, “Ich habe den Befehl gegeben“. Dies war nicht die erste zustimmende Erklärung Erdogans im Bezug auf die Ermordung von Menschen. Schon zuvor hatte er während Vorfällen in Diyarbakir, die am 24. März 2006 begonnen hatten und bei denen mehrere Menschen von Sicherheitskräften getötet wurden erklärt: “Unsere Sicherheitskräfte werden tun, was nötig ist, wenn sich jemand zum Werkzeug des Terrors machen lässt, ganz gleich ob es sich um Kinder, um Frauen oder sonst jemanden handelt“. Im Anschluss auf diese Erklärung wurden in Diyarbakir 14 ZivilistInnen getötet. Allein innerhalb der 11-jährigen Regierungszeit der AKP wurden mehr als 240 Kinder durch Schüsse der Polizei und des Militärs, bzw. infolge von gelegten Bomben und Minen der Sicherheitskräfte oder durch Überrollen
mit gepanzerten Fahrzeugen getötet.
Die zumeist auf Nachdruck von Angehörigen der Opfer eröffneten Prozesse endeten großteils mit Freisprüchen oder symbolischen Strafurteilen. Einige der an den Massakern teilnehmenden Sicherheitskräfte wurden befördert und sogar als Kandidaten für das Parlament aufgezeigt, wenn nicht sogar ernannt. Wie kann man als politischer Mensch dazu keine Meinung haben und diesen Zustand nicht verurteilen?
Es stellt sich nun objektiv die Frage, ob in naher Zukunft auch in Österreich schon jegliche politische Meinungsäußerung und fortschrittliche Haltung als terroristische Straftat angesehen werden wird...
AFA-Solidaritätskomitee
afa.solidaritaet@gmail.com
Twitter: AFA*Solidaritaet

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