Washington handelt für sich bei Erneuerung der nordamerikanischen Handelszone günstigere Konditionen aus. Streitschlichtungsverfahren beschränkt
Von Jörg Kronauer
Trump wird die Luft noch länger anhalten müssen: Ob der Kongress die Vereinbarung mitträgt, ist ungewiss
Foto: Kevin Lamarque/REUTERS
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NAFTA heißt jetzt USMCA. Kurz vor Ablauf der letzten Frist haben die Vereinigten Staaten und Kanada am späten Sonntag abend eine Einigung über eine Anpassung des »Nordamerikanischen Freihandelsabkommens« (North American Free Trade Area) erzielt. Und da US-Präsident Donald Trump seinen Wahlkampf als Feldzug gegen den Freihandel inszeniert und NAFTA als »schlechtesten Deal aller Zeiten« bezeichnet hatte, muss nun – kurz vor den Zwischenwahlen – NAFTA demonstrativ beendet werden, und sei es, dass nur der Name verschwindet. NAFTA ist tot, es lebe das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA): Symbolik ist bekanntlich unverzichtbar in der Politik.
Trump hat eine Menge in die Transformation von NAFTA zu USMCA investiert. Er hat in den Verhandlungen über das Abkommen alle Taktiken angewandt, die man als New Yorker Immobilienoligarch beherrschen muss. Er hat zunächst gedroht, das Abkommen einfach auslaufen zu lassen. Gegenüber abhängigen Verhandlungspartnern kann man sich das leisten. Kanada und Mexiko sind tatsächlich abhängig vom Handel mit den USA: Vergangenes Jahr gingen 76 Prozent der kanadischen und 80 Prozent der mexikanischen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten. Das schränkte den Verhandlungsspielraum der beiden Regierungen spürbar ein. Trump hat zudem die altbewährte Spaltungsmethode genutzt: Ende August gab er eine Einigung allein mit Mexiko bekannt. Anschließend prahlte er, Kanada reiße sich zwar »den Arsch auf«, werde aber ein Abkommen nur »absolut zu unseren Bedingungen« erhalten. Wenngleich Trump durchaus Erfolge verzeichnen kann, entspricht das Ergebnis nicht dem Aufwand.
Als Erfolg kann Trump vor allem verbuchen, dass der Druck auf multinationale Unternehmen, ihre Produktionsstätten in die Vereinigten Staaten zu verlegen, steigt. So müssen Autos, die innerhalb von NAFTA, pardon: USMCA, zollfrei über Grenzen hinweg geliefert werden sollen, künftig zu 75 Prozent in Nordamerika hergestellt worden sein. Bislang lag der Anteil bei 62,5 Prozent, was für globale Lieferketten größere Spielräume ließ. Ebenso müssen Fahrzeuge zu mindestens zwei Fünfteln von Arbeitern hergestellt worden sein, die nicht weniger als 16 US-Dollar in der Stunde verdienen. Diese Forderung wäre erfreulich, würde sie nicht faktisch auf eine Reduzierung der Aufträge für mexikanische Zulieferer hinauslaufen. Darauf deuten Äußerungen aus Unternehmerkreisen hin. Hinzu kommt, dass USMCA nur 16 Jahre lang gelten und alle sechs Jahre komplett überprüft werden soll. Trump konnte sich mit seiner Forderung, den Vertrag sogar auf nur fünf Jahre zu konzipieren, nicht durchsetzen – aber trotzdem: Welcher Konzern würde jetzt nicht zweimal darüber nachdenken, aufwendig eine teure Produktionsstätte in Mexiko oder in Kanada zu errichten, wenn zollfreie Lieferungen auf den US-Markt – und auf ihn kommt es ja an – vielleicht schon in wenigen Jahren nicht mehr möglich sind?
Zugeständnisse hat die Trump-Regierung in puncto USMCA-Schiedsgerichte machen müssen. Zwar sind Rechtsexperten aus der Wirtschaft noch damit beschäftigt herauszufinden, was der in dieser Frage überaus komplexe Wortlaut des Abkommens im wirklichen Leben bedeutet. Klar ist aber schon jetzt: Während es Washington gelungen ist, einige Streitschlichtungsverfahren, die für US-Firmen nachteilig sein könnten, spürbar zu beschränken, gilt dies nicht für eines, mit dem etwa Kanada gegen willkürliche US-Zölle vorgehen kann.
Als klassischer Pyrrhussieg könnte sich erweisen, dass Washington eine partielle Öffnung des kanadischen Marktes für US-Milchprodukte durchgesetzt hat. Trump wird dies als grandiosen Sieg seiner Regierung zugunsten von US-Farmern anpreisen. Die Realität sieht weniger vorteilhaft aus. Tatsächlich hat die US-Milchindustrie bereits kräftig unter den Handelskriegen ihres Präsidenten gelitten, für den sie sich im Wahlkampf eingesetzt hatte. Einen ersten Schlag in die Magengrube gab’s, als Mexiko in Reaktion auf die Trumpschen Strafzölle auf Stahl und Aluminium Gegenzölle auf US-Käse verhängte. Zuvor war mehr als ein Viertel der US-Käseexporte nach Mexiko geliefert worden. Wenig später verhängte China Gegenzölle auf US-Milchprodukte. Das schmerzte die US-Branche wohl noch mehr: Die Volksrepublik hatte zuletzt immer mehr Milchprodukte in den Vereinigten Staaten gekauft – allein von Januar bis April 2018 in einem Wert von mehr als 200 Millionen US-Dollar. China gilt in der Branche zudem als der mit Abstand attraktivste Wachstumsmarkt. Chinesische Firmen haben zuletzt in die kanadische Molkereibranche investiert. Die Vermutung liegt nahe, dass die Volksrepublik ihren Bedarf künftig stärker in Kanada decken wird, während die US-Branche sich auf den nur begrenzt wachsenden kanadischen Markt fokussiert.
Allerdings wird aus NAFTA nur dann USMCA, wenn der US-Kongress zustimmt. Das wiederum ist noch längst nicht klar: Die Zwischenwahlen könnten die Republikaner die Mehrheit kosten. Ob die USMCA-Zugeständnisse an US-Gewerkschaften dann ausreichen, um einige Demokraten zur Zustimmung zu bewegen, wird man abwarten müssen. Scheitert USMCA im Kongress, dann wäre es ein weiteres Kapitel in der Trumpschen Coverversion von »Viel Lärm um nichts«.
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