Außenpolitik bedeutet unter der CDU/CSU-SPD-Koalition vornehmlich Aufrüstung. Waffenexporte hauptsächlich in den Nahen und Mittleren Osten
Von Andrej Hunko
Gescheiterte Interventionen ohne politische Konsequenzen: Bundeswehrsoldat während Manöverübung (28. September)
Foto: Fabian Bimmer/REUTERS
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Hintergrund:Kriegsgeschäft
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Doch statt aus dem durchgehenden Scheitern der Interventionen und Auslandseinsätze politische Konsequenzen zu ziehen, dreht sich die Eskalationsspirale weiter. Ende Oktober beginnt mit Trident Juncture die größte Militärübung seit dem Ende des Kalten Krieges. Die NATO bewegt direkt an der Grenze zu Russland 44.000 Soldaten, fast jeden vierten davon wird die Bundeswehr stellen. Parallel üben die NATO und die EU mit Hybrid Exercise Multilayer den Cyberkrieg. Übungsszenario: Russland unterbricht die Gaslieferungen in die EU.
Seit vier Jahren muss das Feindbild Russland dafür herhalten, dass die Rüstungsindustrie und die NATO immer höhere Etats erhalten. Dabei bestätigt sich bei allen Konfliktherden, die in den vergangenen Jahren zu Kriegen eskalierten, dass militärische Einsätze nicht zu einer friedlichen Lösung führen. Seit März 2003 herrscht durchgehend Krieg im Irak. Gern wird vergessen: Auch im Südsudan, wo westliche Staaten jahrelang die separatistische SPLA-Milizen aufrüsteten, geht der Krieg nunmehr in sein fünftes Jahr. Ebenso Libyen: Das Land ist nach dem Überfall einer internationalen Koalition dem Bürgerkrieg bewaffneter Banden ausgeliefert.
Syrien fluteten westliche Staaten und die Golfmonarchien seit dem Jahr 2011 mit Waffen. Allein die USA gaben im Rahmen von Operationen wie Timber Sycamore mehrere Milliarden Dollar für Kriegsgerät aus. Die syrische Regierung schätzt, dass Saudi-Arabien und die Golfstaaten über 136 Milliarden Dollar an regierungsfeindliche Milizen in Syrien ausschütteten, um Gehälter und Waffen für unterschiedlichste Dschihadisten zu finanzieren. Dass diese Zahl stimmt, kann die Bundesregierung nicht bestätigen. Sie ist angeblich weder über die Opferzahlen in den genannten Konflikten noch über illegalen Waffenhandel informiert, antwortete mir die Regierung soeben auf eine kleine Anfrage.
Dabei hat der Waffenschmuggel nach Syrien in einigen EU-Staaten die Exportwirtschaft so kräftig angekurbelt, dass etwa Kroatien und Bulgarien neue Rüstungsfabriken gebaut haben, um Kriegswaffen sowjetischer Bauart herzustellen. Laut Informationen der Journalisten des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) brachten seit Januar 2012 riesige Transportmaschinen aus Saudi-Arabien, Katar und der Türkei die Waffen aus EU-Staaten in die an Syrien angrenzenden Länder, vor allem in die Türkei und nach Jordanien.
Eine naheliegende Konsequenz aus den endlosen Kriegen der Gegenwart bestünde darin, endlich anzuerkennen, dass die in die Kriegsgebiete gelieferten Waffen den einzelnen Konflikt überdauern und so dafür sorgen, dass auch folgende Probleme gewalttätig ausgetragen werden. Aber in der Bundespolitik lautet die einzige Antwort auf die aktuellen Krisen »Aufrüstung«, egal ob es um Kriegsgebiete, Migration oder EU-Politik geht. Die Entscheidungen scheinen nicht die Minister zu treffen, sondern die Rheinmetall AG, Heckler & Koch und die SIG Sauer GmbH.
Die letzte »große Koalition« exportierte bereits soviele Rüstungsgüter wie keine andere Regierung je zuvor. Von 2014 bis 2017 genehmigte das Kanzleramt Waffenausfuhren im Wert von 25,1 Milliarden Euro, etwa 20 Prozent mehr als die »schwarz-gelbe« Vorgängeradministration. Aber auch in der Qualität zeigen sich dramatische Änderungen: Die genehmigten Ausfuhren in so genannte Drittländer, die also nicht der EU oder der NATO angehören, nahmen sogar um 47 Prozent zu.
Besonders viele Mordgeräte lieferten deutsche Unternehmen ausgerechnet an Staaten im Nahen und Mittleren Osten. Die ersten drei Plätze bei den Genehmigungen belegten Ende des Jahres 2017 mit Ägypten, Saudi-Arabien und Israel ausgerechnet Länder, die direkt in die endlosen Kriege um Europa herum involviert sind. Dies ist einer der Hintergründe, wenn sich der neue SPD-Außenminister Heiko Maas wieder um bessere Beziehungen zu den Regimen in Saudi-Arabien und der Türkei bemüht.
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