Dienstag, 2. Oktober 2018

Fast einen Monat nach der Wahl zeichnet sich in Schweden noch keine Regierungsbildung ab

Hängepartie in Stockholm


Von Gabriel Kuhn
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Nur noch geschäftsführend im Amt: Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven
Seit der Parlamentswahl vom 9. September wird Schweden nur noch von einem geschäftsführenden Kabinett regiert – und noch ist nicht absehbar, wann eine neue Regierung gebildet werden kann. In den Medien des Landes wird davon ausgegangen, dass sich erst in mehreren Wochen, vielleicht sogar Monaten, eine entsprechende Mehrheit zusammenfinden wird. Im Parlament stehen sich mit jeweils rund 40 Prozent der Stimmen zwei große Blöcke gegenüber: Einerseits das »rot-grüne« Bündnis aus Sozialdemokraten, Linkspartei und Grünen, andererseits eine Allianz bürgerlicher Parteien aus Moderaten, Zentrum, Christdemokraten und Liberalen. Keiner kann alleine eine Regierung bilden, und auch über die Blockgrenzen hinweg sind keine Koalitionen realistisch. Einer von den Sozialdemokraten favorisierten Variante mit Grünen, Zentrumspartei und Liberalen fehlt die Mehrheit. Zünglein an der Waage sind deshalb die ultrarechten »Schwedendemokraten«, die bei der Wahl 17,5 Prozent erreichten. Im Wahlkampf hatten jedoch alle anderen Parteien eine Koalition mit ihnen ausgeschlossen.
An der Spitze der geschäftsführenden Regierung steht der bisherige sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven. Am 24. September war er durch eine verlorene Vertrauensabstimmung im Parlament formell seines Amtes enthoben worden. Die Genugtuung darüber war den Chefs der bürgerlichen Parteien ins Gesicht geschrieben. Die Tatsache jedoch, dass sie ihre Mehrheit nur den Stimmen der »Schwedendemokraten« verdankten, übergingen sie geflissentlich.
Die Rechten sind sich ihrer Macht bewusst. Ihr Vorsitzender Jimmie Åkesson arbeitet daran, die bürgerliche Allianz zu spalten und hat es dabei besonders auf die Vorsitzende der Zentrumspartei, Annie Lööf, abgesehen. Diese hatte sich innerhalb der bürgerlichen Allianz am deutlichsten von den »Schwedendemokraten« abgegrenzt. Offen sichtbar war das bei einer Wahlkampfdebatte im schwedischen Fernsehen SVT. Åkesson hatte dort auf die Frage, warum es Probleme bei der Integration von Einwanderern in den Arbeitsmarkt gebe, geantwortet: »Sie sind nicht schwedisch, und sie passen nicht in dieses Land.« Lööf schlug daraufhin mit der Faust auf den Tisch und forderte Åkesson auf, die Konsequenzen seiner Worte zu bedenken. Nach der Debatte distanzierte sich das SVT von den Aussagen Åkessons. Dieser verweigerte daraufhin am Wahlabend dem SVT jedes Statement.
Nun hofft er, dass die stärkste Partei der bürgerlichen Allianz, die Moderaten, Lööf und ihre Zentrumspartei fallenlässt. Als Gegenleistung stellen die »Schwedendemokraten« die Stützung einer bürgerlichen Minderheitenregierung ohne Lööfs Partei in Aussicht. Doch auch die Liberalen hatten immer betont, sich an keinem Kabinett beteiligen zu wollen, das auf Duldung durch die Rechten angewiesen wäre. Vertreter der schwedischen Industrie empfehlen zur Stabilisierung eine große, von Sozialdemokraten und Moderaten geführte Koalition, um die »nationale Krise« zu beenden.
In linken Kreisen lebt die Hoffnung, dass sich eine in die Opposition verbannte Sozialdemokratie wieder ihrer ursprünglichen Werte besinnen könnte. Auch ein linker Flügel innerhalb der Partei versucht, seine Position zu stärken. Beim nächsten Kongress im März 2019 werden heftige Grundsatzdebatten erwartet, selbst eine Spaltung und ein Anschluss des linken Flügels an die Linkspartei scheint nicht unmöglich.

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