Donnerstag, 22. September 2016

Gar nicht wahr! (Jane Zahn)


Seit dem 8. August lebt die Menschheit nur noch auf Pump. Die für dieses Jahr zur Verfügung stehenden Ressourcen sind bis dahin schon verbraucht worden. Die Reserven des Planeten werden angebrochen – sie sind nicht mehr regenerierbar. Unsere Nachkommen werden arm dran sein.

Da nützt auch private Vorratshaltung nichts, wie sie das Bundeskabinett in seinem neuen Zivilschutzkonzept den Bürgern empfiehlt. Vorräte für zehn Tage soll der Bürger parat haben: Zwei Liter Wasser pro Person und Tag, Konserven und Dauerwurst. Wegen »veränderter sicherheitspolitischer Lage« sei das neue Konzept erforderlich.

Veränderte Lage? Manches bleibt sich doch gleich: »Es gibt Länder, wie etwa die neuen Mitgliedstaaten in Ost- und Mitteleuropa, die sagen: Wir brauchen mehr Schutz gegenüber der Sowjetunion«, sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier im Deutschlandfunk am 26. Juni. Nach 1991 hätten Sie ein paarmal updaten müssen, Herr Altmaier!

Ein Update wünscht man sich auch für andere Politiker.

»Wenn wir Atomwaffen haben, warum setzen wir sie nicht ein?« fragte Donald Trump laut dem US-Fernsehsender MSNBC am 4. August. Ja, Mr. Trump, warum wohl? Haben Sie Ihren Platz in der Rakete zum Mars schon gesichert nach dem Atomkrieg, der unseren Planeten unbewohnbar machen wird?

Öfter mal was Neues!

»Was habt ihr zu verlieren, wenn ihr etwas Neues versucht, wie Trump? Ihr lebt in Armut, eure Schulen sind nicht gut, ihr habt keine Jobs, 58 Prozent eurer jungen Leute sind arbeitslos – was zum Teufel habt ihr zu verlieren?« so Donald Trump am 19. August in Michigan bei einer Rede an die schwarze Wählerschaft (zitiert nach junge Welt). Wohlgemerkt, Mr. Trump verspricht nicht etwa, dass er diese Zustände bessern will – nein, da ist er ganz ehrlich!

Ob dagegen Regierungssprecher Seibert immer ganz ehrlich ist? »Im Kampf gegen den Terrorismus stehen Deutschland und die Türkei Seite an Seite«, erklärte Seibert am 22. August in Berlin. Obwohl das Innenministerium einschätzt, die Türkei sei eine Aktionsplattform des bewaffneten Islamismus? Aber halt, da war das Außenministerium »nicht einbezogen«, das gilt nicht! Ist gar nicht wahr!

Wahr dagegen ist: 600 Euro Geldstrafe muss eine Blockupy-Sympathisantin zahlen, weil sie eine Plastikfolie über den Kopf gezogen hatte, als sie 2015 gegen die Einweihung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt demonstrierte. Das Amtsgericht sah darin eine »Schutzbewaffnung«, die nach dem Versammlungsgesetz verboten ist. Eine Plastiktüte! Nein, so ein Umweltverbrechen!

Und »nein« heißt eben doch nicht »nein« – wenn es von einem Model kommt, dem leichtfertiger Lebenswandel auf der Stirn geschrieben steht. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilt Gina-Lisa Lohfink wegen Falschbeschuldigung zur Zahlung von 20.000 Euro. War nämlich alles gar nicht wahr, was sie ausgesagt hatte. Dass zwei Männer Gina-Lisa Lohfink mit K.-o.-Tropfen zu sexuellen Handlungen nötigten, sie dabei filmten und den Film ins Netz stellten. Zumindest die beiden letzteren Taten sind belegt. Das »Hör auf!«, das dabei von ihr zu hören ist, galt aber nur dem Filmen, folgte das Gericht der Aussage des einen Mannes. Das Verfahren wegen Vergewaltigung war 2014 eingestellt worden, K.-o.-Tropfen sind nach spätestens 16 Stunden nicht mehr nachweisbar. Und auch wenn eine Zeugin davon berichtete, dass ihr das gleiche von den selben Männern widerfuhr, was Gina-Lisa Lohfink ausgesagt hat, so gilt das alles nicht vor Gericht. Denn ein Model und Trash-Fernseh-Star hat immer Sex zu wollen. Welche Frau wird sich noch trauen, einen Vergewaltiger anzuzeigen, wenn sie dafür die Zahlung von 20.000 Euro wegen Falschbeschuldigung zu befürchten hat?

Ach, hör doch auf mit sexueller Selbstbestimmung. Ist alles gar nicht wahr!

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