Von Angélica Jocelyn Soto Espinosa und Anayeli García Martínez
NPLA - Poonal v. 17.9.2016
Mexiko-Stadt, 5. September 2016, cimacnoticias).-
Gewaltsame Inbesitznahme von Grund und Boden, Aggressionen,
Drohungen, unrechtmäßiger Kauf von Gemeindebesitz, Arbeitsplätze
mit Hungerlöhnen, Einsatz von Chemikalien, die Wasser und Böden
verseuchen, Gesundheitsschäden hervorrufen und das Land
unbrauchbar für die Aussaat machen, Aussterben von Heilkräutern
und von einheimischen Tierarten ….
Das sind einige der vielen Auswirkungen, wenn Firmen auf den
Plan treten, die im Bergbau tätig sind, Wasser- oder
Windkraftwerke betreiben, im Agrarsektor arbeiten, Infrastruktur
errichten, Kohlenwasserstoff oder Gas ausbeuten, sich in der
Immobilien- und Tourismusbranche betätigen, Montagebetriebe im
Land betreiben – und all dies vor allem in indigenen oder
bäuerlichen Gemeinden tun. Dort sind es dann auch vor allem die
Frauen, die im täglichen Leben mit der Zerstörung ihrer Umgebung
konfrontiert werden, mit der wachsenden Armut und mit ihrer
eigenen Gesundheitsbeeinträchtigung und der ihrer Familien.
Besuch der UN-Arbeitsgruppe Wirtschaft und
Menschenrechte
All dies wurde der UN-Arbeitsgruppe Wirtschaft und
Menschenrechte vorgetragen, die vom 29. August bis zum 7.
September zum ersten Mal Mexiko besuchte, um die von den
Wirschaftsunternehmen begangenen Menschenrechtsverletzungen zu
dokumentieren.
Und es sind Frauen, die die Auswirkungen anprangern, denn
traditionell sind sie es, die zuständig für die Ernährung und
Gesundheit der Familien sind. Im Angesicht von Unsicherheit und
Bedrohungen sind sie zu den Hüterinnen und Verteidigerinnen von
Land und Gemeingütern geworden.
Windenergie und Menschenrechte
María Isabel Jiménez Salinas ist eine indigene Zapotekin aus
dem Isthmus von Tehuantepec im Bundesstaat Oaxaca. Sie
berichtete der UN-Arbeitsgruppe, wie verheerend die Situation in
ihrer Gemeinde sei, seit dort über 21 Windenergie-Unternehmen
aktiv geworden sind.
María Isabel ist traditionelle Heilerin und Mitglied der
Versammlung der Indigenen Völker von Juchitán APPJ (Asamblea Popular del Pueblo
Juchiteco). Sie schilderte den Expert*innen, dass die Befragung
der Indigenen zum Bau eines Windparkes unter Einsatz von
Drohungen und Aggressionen stattfand.
Die Zapotekin, die sich für Landrechte, natürliche Ressourcen,
für die Rechte von Fischern, Bäuerinnen, Bauern und
traditionelle Heilerinnen engagiert, bestätigt, dass
Windkraftprojekte durchaus Natur und Leben beeinträchtigen, dass
das Land mit Zement zugepflastert werde und die Saat nicht mehr
aufgehe: „Wenn wir Mutter Erde verteidigen, dann verteidigen wir
auch die Heilkräuter, die Grundlage unserer Arbeit.“
María Isabel erzählte der Gruppe, dass sie 2013 von Fischern
und Bäuer*innen, die sie mit Heilkräutern versorgten, informiert
wurde, dass Personal vom Windpark Bií Hioxo ihre Felder mit
einem Zaun versehen habe, von ihnen Ausweisschilder verlangte,
wenn sie auf ihre Ländereien wollten und die Flora und Fauna der
Gegend zerstörten, die einzigartig in Mexiko sei.
María Isabel solidarisierte sich mit Leuten, die mit dieser
Vorgehensweise nicht einverstanden waren und später die APPJ gründeten, die hauptsächlich aus
Männern aus dem indigenen Volk der Zapotek*innen besteht. Sie
informierte ihre Gemeinde über die Wichtigkeit, gegen diesen
Landraub Widerstand zu leisten, doch daraufhin erhielt sie
Drohungen, sie solle die Finger davon lassen.
Befragungen mit Defiziten
Bevor mit einem Projekt in einem Gebiet mit indigener
Bevölkerung begonnen werden kann, muss eine Befragung der
Gemeinden stattfinden und ihre Zustimmung eingeholt werden, aber
Organisationen wie z.B. die Menschenrechtsorganisation ProDESC
(Projekt für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte) haben eine Beobachtergruppe eingesetzt und bewiesen,
dass der mexikanische Staat die in der Konvention 169 der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
festgelegten Rechte indigener Gemeinden verletzt habe, die ein
Recht darauf haben, vorab befragt und frei und informiert
abstimmen dürfen (siehe auch: poonal).
Die Gemeinde hat Rechtsmittel eingelegt, um den Bau des
Windparks zu stoppen, aber dieser wird weiter gebaut. Laut
mexikanischem Windenergieverband AMDEE
(Asociación Mexicana de Energía Eólica) gibt es 31 Windparks in
Mexiko: 21 in der Region Isthmus und alleine 12 davon in
Juchitán.
Unredliche Verträge
Die UNO-Arbeitsgruppe sprach auch
mit dem Bauernverband Unión Hidalgo vom Isthmus von Tehuantepec
in Oaxaca. Hier fordert die Bevölkerung die Aufhebung der
Pachtverträge, die sie mit dem Windenergie-Unternehmen Demex für
den Windpark „Piedra Larga“ geschlossen hat.
Die Aktivistin Guadalupe Ramírez Castellanos macht deutlich,
dass das Unternehmen das Gemeindeland nicht respektiert und
Gelände „gekauft“ habe, das kein Privatbesitz sei. Die Gemeinde
hat gerichtliche Schritte unternommen und man hofft, dass das
zuständige Gericht im 22. Distrikt mit Sitz in Tuxtepec ein
Urteil unter der Beachtung von Recht und Menschenrechten fällt.
Bergbauunternehmen und Betrug
Auch die Frauen aus dem Ejido La Sierrita de Galeana im
nördlichen Bundesstaat Durango erheben ihre Stimmen gegen die
Firmen (ein Ejido ist ein gemeinsamer Grundbesitz, der
individuell genutzt wird, Anm. d. Red.). Sie führen einen
Rechtsstreit gegen die Mine La Platosa des kanadischen
Bergbau-Unternehmens Excellon Resources, da das Unternehmen ihr
Ejido betrogen habe.
2004 pachtete der Minenbetreiber La Platosa von dem Ejido in
der Gemeinde Tlahualilos vier Hektar Gemeinschaftsland zum Preis
von einer Million 200 Tausend Pesos für 30 Jahre, aber als der
Vertrag unterzeichnet wurde, waren im Vertrag 27 Hektar für den
gleichen Preis festgeschrieben.
Dora Alicia Ramírez Soto, die erste Schatzmeisterin des Ejido
La Sierrita bestätigt, dass die Frauen und Männer der Gemeinde
die Mine zuerst als Chance für soziale Entwicklung und mögliche
Arbeitsplätze betrachtet hätten, doch als sie dann den Betrug
bemerkt hätten, sei es dem Unternehmen mit Drohungen gelungen,
die 127 Landbesitzer*innen zur Unterschrift zu bewegen.
Weitere Vertragsverletzungen kamen hinzu: Es wurden Bohrungen
außerhalb des festgelegten Geländes vorgenommen, die Menschen
hatten weniger Platz um ihre Tiere zu weiden und die
Pflanzenvielfalt wurde beeinträchtigt. Außerdem waren die
Arbeitsplätze, die das Unternehmen anbot, nur Stellen mit
Mindestlohn und eine Frau wurde wegen einer vorliegenden
Schwangerschaft nicht eingestellt.
Bleibende Schäden für Mensch und Natur
Rohstoffunternehmen waren für eine weitere Umweltkatastrophe
verantwortlich, als am 6. August 2014 im nördlichen
Bundesstaat Sonora 40 Millionen Liter Sulfatsäure aus einem
Rückhaltebecken der Kupfermine des mexikanischen
Bergbau-Unternehmens Buenavista del Cobre in die Flüsse
Bacanuchi und Sonora flossen. Die Firma gehört zu der
mexikanischen Unternehmensgruppe Grupo México.
Die Frauen waren bei der Suche nach einem Ausweg federführend,
denn sie sind am stärksten von der Wasserverschmutzung betroffen
in einer Gemeinde, in der viele Menschen aufgrund ihres
Wasserkonsums unter Magenschmerzen, Mageninfekten, Fieber und
Erbrechen leiden.
Nach Anhörung dieser und anderer Berichte von Frauen und
indigenen Gemeinden, die von den Projekten betroffen sind, wird
die Expert*innengruppe am Ende ihres Besuches in Mexiko einen
vorläufigen Bericht erstellen und anschließend einen Endbericht
für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verfassen.
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