Samstag, 22. November 2014
Politische Wortkunde (Hans Krieger)
Verantwortung: aus der Gaucklersprache übernommene Bezeichnung für entschlossene militärische Kampfbereitschaft. Einwände von Sprachpuristen gegen die Verwendung des Begriffs für das Unverantwortbare lassen Politik-Semantiker nicht gelten, da die Umkehrung der Bedeutung ins Gegenteil zu den normalen Vorgängen des Sprachwandels gehörte wie etwa bei »schlecht« (ursprünglich: einfach, natürlich) oder »billig« (ursprünglich: rechtmäßig).
Gerechtigkeit: Tarnwort wirtschaftsfeindlicher Sozialromantiker, mit dem Angriffe auf die Marktwirtschaft und das freie Unternehmertum scheinethisch legitimiert werden sollen.
Schuldenbremse: Zwangsmaßnahme zur Durchsetzung eines ausgeglichenen Haushalts, die notwendig wurde, als die früher verbreitete Meinung, daß ein Haushaltsausgleich nicht nur durch Ausgabenkürzung, sondern auch durch Einnahmensteigerung wie etwa angemessene Besteuerung der Reichen zu erreichen sei, endgültig als naiver Irrglaube entlarvt werden konnte.
Freihandelsabkommen: zwischenstaatliche Verpflichtung zur Verteidigung der Profitinteressen von Großkonzernen gegen Anmaßungen des Parlaments, Arbeitnehmerrechte, Gesundheitsvorsorge und Umweltschutz gesetzgeberisch wirksamer sichern zu wollen.
Friedensprozeß: eine vor allem in Palästina bewährte Taktik, durch periodisches Palaver langfristige Eroberungsstrategien zu kaschieren und einen gerechten Frieden dauerhaft zu verhindern.
Verfassungsschutz: staatliche Geheimorganisation mit dem Auftrag, die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor der Verfassung zu schützen.
Wahlrecht: das Recht des Staatsbürgers, darüber zu entscheiden, welcher politischen Gruppierung jeweils für bestimmte Zeit der Auftrag erteilt wird, dafür zu sorgen, daß die Herrschaft des Kapitals gewahrt bleibt und die Reichen noch reicher werden.
Unrechtsstaat: staatliches Gebilde, das seinen Bürgern fundamentale Rechte verweigert wie das Recht auf Arbeitslosigkeit, das Recht auf Obdachlosigkeit und das Recht, sich den Profitinteressen des Kapitals zu unterwerfen.
Wachstum: im Wirtschaftsdiskurs übliche Umschreibung für das, was in der Medizin als Krebs bezeichnet wird.
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