Samstag, 22. November 2014
Jobcenter: Statt Hilfe das Jugendamt eingeschaltet
Jobcenter unterstellt Eltern ohne Anhaltspunkt, ihre Kinder zu vernachlässigen
10.11.2014
Nachdem eine Familie ihre finanziellen Probleme beim Jobcenter dargelegt hatte, entschied sich das Amt, vorsorglich das Jugendamt einzuschalten, statt die Familie mit finanzieller Hilfe zu unterstützen. Und schlimmer noch: Der Links-Fraktion im Rhein-Sieg-Kreis liegen hinweise vor, dass das Jobcenter gezielt Kontakte zum Jugendamt nutzt, um Eltern unter Druck zu setzen. Das berichtet die Online-Ausgabe von „Junge Welt“ (JW). Im konkreten Fall sollte Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder nach einer Auseinandersetzung mit dem Jobcenter entzogen werden.
Statt finanzieller Hilfen Meldung wegen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
„Wir sind fix und fertig“, zitiert JW die Mutter, die gerade das vierte Kind erwartet. Wie sie berichtet, lebe die Familie in einer Wohnung mit Schimmel. Zwar habe das Jobcenter dem Umzug nach längerem Hin und Her zugestimmt, jedoch kurzfristig die Kostenübernahme verweigert. „Es war uns unmöglich, das Geld selbst aufzutreiben“, so die verzweifelte Frau im Gespräch mit der Zeitung. Zuvor hatte die Familie bereits vergeblich versucht, Leistungen aus dem Teilhabe- und Bildungspaket zu beantragen. Auch die Fahrkosten für die Kinder seien nicht rechtzeitig bewilligt und das Elterngeld auf die Sozialleistung angerechnet worden, obwohl es noch gar nicht ausgezahlt worden sei, berichtet die Mutter. „Ich war verzweifelt und habe im Jobcenter nachgefragt, wie ich nun die Kinder anständig großziehen soll.“ Doch statt der Frau umgehend finanzielle Hilfe zukommen zu lassen, machte das Amt eine Meldung an das Kreisjugendamt wegen einer vermuteten Kindeswohlgefährdung. „Da standen dann plötzlich Mitarbeiter vor meiner Tür“, erzählt die Frau.
Jobcenter begründet Vorgehen mit seiner Verpflichtung, Verdacht nachgehen zu müssen
Der Abgeordnete Frank Kemper, der die Zeitung über den Fall informierte, bestätigt aus ihm vorliegenden Unterlagen, dass die Jugendamtsmitarbeiter jedoch notiert hätten, dass „die Kinder nicht verhaltensauffällig wirken und insgesamt einen unauffälligen Gesamteindruck hinterlassen“. Das Jugendamt ließ es dennoch auf ein Verfahren vor dem Familiengericht ankommen, bei dem die Vorwürfe des Amts jedoch entkräftet wurden.
Auf Nachfrage der Linksfraktion beim Kreis, begründete das Jugendamt sein Vorgehen der Zeitung zufolge mit seiner Verpflichtung, entsprechende Meldungen machen und Vorwürfen nachgehen zu müssen. Es werde jedoch keine Statistik über die Häufigkeit geführt. Zudem handele es sich um einen „standardisierten Verfahrensablauf“, was auch Stellungnahmen an das Familiengericht beinhalte. Das Jugendamt nehme aber keinen Einfluss auf das Jobcenter, Zahlungen zu leisten. Das Landratsamt, dem Jobcenter und Jugendamt unterstehen, sehe JW zufolge keinen Handlungsbedarf. (ag)
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